Blade-Rechner vor dem Durchbruch

14.06.2004 von Kriemhilde Klippstätter
Steckbaren Servern gehört im Rechenzentrum die Zukunft, prophezeien Marktforscher. Ihr Vorteil: Sie bieten viel Rechenleistung auf kleinstem Raum.Fast alle großen Hersteller haben sie im Angebot, lassen sich mit Blades doch moderne Infrastrukturen für On-Demand-Computing einfacher aufbauen. Allerdings experimentiert die Branche noch mit Formfaktoren. Standards sind nicht in Sicht.

"Das Konzept der Blade-Server ist so nahe liegend, dass man sich wundert, nicht selbst auf die Idee gekommen zu sein", erklärte ein Industrieanalyst, als der Hersteller RLX im Jahr 2001 die ersten steckbaren Server vorstellte und damit einige Technologiepreise einheimste.

Die Idee der Blade-Server wird jetzt auch auf Desktop-PCs übertragen. Clearcube-Benuzer sind über den User Port mit dem PC verbunden - und der steht im Rechenzentrum. (Foto: Clearcube)

Zu diesem Zeitpunkt galten noch die flachen, im Rack stapelbaren Server mit Gehäuse ("Pizzaboxen") als Innovation im Rechenzentrum. Damit konnte zwar die Rechenleistung pro Quadratmeter Standfläche im Vergleich zu Servern im Tower-Gehäuse deutlich erhöht werden, aber die Administratoren kämpften mit dutzenden von Kabeln: Tastatur, Maus, Stromversorgung, Ethernet-Verbindung, Speicher-Adapter und serielles Kabel für Remote Management sorgten an der Rückseite der Racks für ein unentwirrbares Knäuel.

Mehr Leistung pro Quadratmeter

Damit machte die Blade-Architektur Schluss, da nun mehrere Server-Karten in ein Chassis gesteckt werden konnten. Die kompakt aufgebauten Platinen sind mit Prozessoren, Hauptspeicher oder Netzadapter bestückt, die im konventionellen Server oft eigene Karten beanspruchen. Das Gehäuse verfügt über eine "Backplane", die Infrastrukturkomponenten wie Stromversorgung, Kühlung und LAN-Anschluss an alle enthaltenen Server liefert. Im Vergleich zu den flachen und stapelbaren Rechnern erhöhte sich die Leistungsdichte noch einmal: Passen in ein Industrie-Rack mit 72 Zoll Höhe und 19 Zoll Breite bis zu 42 Pizzaboxen, so lassen sich dort je nach Hersteller und Formfaktor 200 und mehr Blade-Server unterbringen.

Dass ein Blade-Rack weniger Komponenten enthält als ein Schrank mit flachen Servern, verleitet zu der Annahme, hier würde weniger Hitze entstehen. Weit gefehlt: die größere Rechenpower sorgt für viel Abwärme. Ein voll bestücktes Rack gibt 4000 Watt und mehr in Form von Hitze ab. Im Rechenzentrum mit Kühlung aus dem Doppelboden rechnet man nach einer üblichen Faustformel mit einem Durchschnittswert von 1000 Watt Abwärme pro Quadratmeter, die es zu kühlen gilt. Die ersten Blade-Server litten dementsprechend unter dem Wärmeproblem und fielen reihenweise aus. Die Hersteller von Kühlanlagen, etwa APC oder Rittal, bieten deshalb inzwischen gekühlte Racks oder einbaubare Kühlungen an.

Die Hitzeprobleme der Vergangenheit erklären, warum das Blade-Konzept trotz der vielen Vorteile zunächst nur zögerlich Zuspruch fand. Die Marktforscher von IDC haben ausgerechnet, dass 2003 weltweit nur rund 120 000 Blade-Server ausgeliefert wurden, allerdings soll es jetzt rasant aufwärts gehen. Im Jahr 2007 sollen den Analysten zufolge 20 Prozent aller Server in Form von steckbaren Platinen verkauft werden. Für IBM beispielsweise, einem der führenden Anbieter in diesem Bereich, errechneten die Marktforscher für das dritte Quartal 2003 eine Absatzsteigerung von 35 Prozent während das Gesamtwachstum im Server-Markt damals nur bei zwei Prozent lag.

Kein Wunder also, dass die Hersteller ihr Blade-Angebot ausweiten und differenzieren. Insbesondere die Chassis erfahren zusätzliche Funktionalität in Form von Keyboard-, Video- und Monitor-(KVM-)Switching, Ethernet- und Speicher-Switches oder Ports für Universal Serial Bus (USB) und seriellem Anschluss für alle eingesteckten Server. Diese Infrastruktur-Komponenten sitzen bei einigen Herstellern in prozessorlosen Blades im Gehäuse. Für den Transport der großen Datenmengen implementieren die Anbieter Hochgeschwindigkeits-Backplanes, die auch Kontrollinformationen für Management-Module bereit stellen.

Rechner-Farmen gehört die Zukunft

Blades eignen sich hervorragend zum Aufbau von Server-Farmen und unterstützen moderne IT-Architekturen wie IBMs "On-Demand", HPs "Adaptive Enterprise" oder Suns "N1". Beispielsweise lassen sich die Recheneinheiten relativ einfach virtualisieren, so dass die Leistung an den Bedarf der Anwendungen angepasst und Überkapazitäten vermieden werden. Der Aufbau von Grid- und Cluster-Strukturen ist ebenso möglich wie Partitionierungskonzepte. Schließlich vereinfacht sich für Systemadministratoren der Verwaltungsaufwand, da sie eine Umgebung über Templates wie bisher duplizieren können, aber nicht physikalisch neu verkabeln müssen. Zusammen mit Storage Area Networks (SANs) entstehen so Ausweichrechenzentren.

Derzeit bemühen sich die Blade-Hersteller generell darum, die steckbaren Server besser in die Speicher- und Netzumgebungen einzubinden. Dazu öffnen einige Anbieter ihre Blade-Architektur für Fremdprodukte. In jüngster Zeit hat beispielsweise IBM die Fibre-Channel-Switches (FC-Switches) von Brocade in das hauseigene "Blade Center" integriert.

Die Switches werden dabei wie Rechner-Blades in das Gehäuse gesteckt und liefern ihre Management-Funktionen für das ganze Chassis. Die separate Verkabelung jeder Platine zum externen FC-Switch entfällt damit. Zuvor hatte Big Blue eine Vereinbarung mit Cisco getroffen, die ebenfalls die Integration der intelligenten Gigabit-Ethernet-Module in das Blade Center vorsieht. Auch HP will Fabric Switches in Form von Blades auf den Markt bringen, und RLX schließt diesen Schritt zumindest nicht aus. Nach Ansicht von Gordon Haff, Analyst bei Illuminata, bietet die Integration der Switches den Vorteil, dass die Blade-Umgebung und die bestehende Switch-Infrastruktur beibehalten werden können. Damit lasse sich die neue Architektur besser in das Rechenzentrum integrieren sowie als Konsolidierungsplattform nutzen.

Die Rechenpower der Blades hat sich binnen kurzer Zeit enorm gesteigert. Gab es anfangs nur Server mit einer Intel-kompatiblen 32-Bit-CPU, so sind heute bis zu vier Prozessoren je Rechenmodul möglich. Außer IA-32-CPUs werden auch Risc-Chips auf der Platine untergebracht. Einige Hersteller erlauben in ihren Chassis sogar das Mischen von Blades mit Intel- und Risc-CPU. IBM und Sun haben die hauseigenen 64-Bit-Prozessoren schon auf ihren Blades untergebracht, der nächste Schritt sind 64-Bit-Intel-Systeme. NEC und Hewlett-Packard haben bereits Pläne angekündigt, steckbare Server auf Basis des Itanium 2 anzubieten. Noch in diesem Jahr will HP zusätzlich Blades mit AMDs 64-Bit-Opteron offerieren. "Es besteht ein großes Interesse an einer Kombination von Risc-Unix-Blades und Opteron-basierenden Servern in einem Chassis", erklärt Sarang Ghatpande, Chefanalyst beim Forschungs- und Beratungshaus D.H-Brown. Anwender könnten damit kostengünstig konsolidieren.

Sag mir wo die Standards sind

Während die Hersteller am Ausbau und der Verfeinerung des eigenen Blade-Angebots arbeiten, vermissen die Anwender jegliche Standards. Jeder Anbieter produziert sein eignes Chassis und orientiert sich nur an der Rack-Breite von 19 Zoll. Die Höhe der Blade-Gehäuse variiert selbst innerhalb einer Marke. Zwar versuchte HP bereits Anfang 2002 einen Standard für Blades zu initiieren, aber damals wollte sich kein anderer Hersteller an den Bemühungen beteiligen. Das hat sich im vergangenen Jahr mit dem Wachstum des Marktes und nicht zuletzt auf Drängen der Anwender geändert. Unternehmen möchten die Server unterschiedlicher Hersteller in einem Chassis betreiben, was derzeit allein schon wegen der unterschiedlichen Formfaktoren nicht möglich ist.

Jetzt kommen auch Blade-PCs

Zum Jahresende 2003 fasste sich Intel ein Herz und startetet einen neuen Versuch, um wenigstens einige gemeinsame Funktionen im Bereich Connectivity zu definieren. Außer Intel beteiligten sich unter anderem Dell, HP, IBM und Egenera an den Bestrebungen. Unter anderem will sich die Gruppe auf gemeinsame Software-APIs und Hardware-Verbindungen für zukünftige Blade-Generationen einigen. Insider erwarten aber nicht, dass vor 2005 mit verbindlichen Ergebnissen zu rechnen ist, obwohl Standards die Akzeptanz bei den Anwendern erhöhen würden.

Vielleicht kann eine Normierung der Blade-Server über Blade-PCs erreicht werden, denn in jüngster Zeit wird die Idee auch auf Desktop-Rechner übertragen. Clearcube Technology hat kürzlich eine Lösung vorgestellt, bei der die steckbaren PCs zentral im Rechenzentrum installiert werden. Die Blades sind wahlweise mit Pentium 4 (Taktrate 3,4 Gigahertz) oder Dual-Xeon-Prozessoren ausgestattet. Sie enthalten 2 GB Hauptspeicher, Grafikkarte und eine Festplatte mit mindestens 80 GB. Der Benutzer hat nur einen flachen Kasten, den "User Port", am Schreibtisch stehen. Die Box verfügt über keine Intelligenz und enthält nur die Anschlüsse für Bildschirm, Tastatur, Maus, Lautsprecher und weitere USB-Peripheriegeräte. Für die Verbindung mit dem Rechner reicht bei einer Entfernung bis 200 Meter ein CAT-5-Kabel am C-Port. Ein I-Port schafft den Anschluss über Ethernet.

Laut Herstellerangaben eignet sich das Konzept besonders für Industrieumgebungen, kleine Arbeitsräume oder im Schalter- und Praxisbereich. Die passende Management-Software liefert Werkzeuge für die ferngesteuerte Verwaltung, das Backup und die automatische Überwachung des Systems. Zusätzlich können damit Hardware-Images übertragen werden. Beim Ausfall eines PC-Blades schaltet das System automatisch auf einen Reserverechner um, so dass die Verfügbarkeit laut Clearcube bei 99,9 Prozent liegt. Das System ist auch für sensible Umgebungen tauglich, da der Benutzer keinen Zugang zur zentralen Hardware hat. Der Hersteller beziffert den Preis eines Blade-PCs auf rund 1000 Euro, die Gesamtlösung schlägt mit zirka 1500 Euro je Benutzer zu Buche. IBM bietet die Clearcube-Lösung in Japan an. HP hat ein eigenes Angebot für die USA entwickelt.

Ausblick

Die Hardwarekomponenten der Blades werden sich zur preiswerten Austauschware entwickeln. Die Herausforderung liegt in der Verwaltung der vielen Server. Für Systemadministratoren dürfte es kaum möglich sein, 200 Server im Rack manuell zu konfigurieren und zu überwachen. Die Hersteller bieten deshalb schon jetzt ihre Softwarepakete für die zentrale Verwaltung und Programmverteilung an. Werkzeuge wie EMCs "VMware" oder Egeneras "Processing Area Network" sind nach Ansicht von William Terrill, Analyst der Burton Group, Vorreiter für zukünftige Produkte, die noch bessere und automatisierte Funktionen für Virtualisierung, Provisionierung, Partitionierung, Überwachung und Verwaltung liefern werden.

Für ihn steht am Ende der Entwicklung das "Rechenzentrum in drei Boxen". Terrill: "Das Front-end der Netzinfrastruktur bildet ein einziges virtualiertes Gerät, das in logische Einheiten für jede Applikation oder Abteilung aufgeteilt ist und Firewalls, Router oder Lastverteiler speziell für eine Funktion enthält. In der zweiten Abteilung finden sich die Server in Form von Blade-Farmen. Infrastrukturkomponenten und Server sind über virtuelle Netze (VLANs) miteinander verknüpft. Diese Rechner werden ihrerseits per Fibre Channel oder über Ethernet und iSCSI mit einer dritten Box verbunden, die SANs und NAS-Speicher vorhält."