Wer sich gut verkauft, bekommt auch mehr

03.11.2000
Die Gehälter der Computerfachleute sind in diesem Jahr gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum um fünf bis zehn Prozent gestiegen. Außerdem belegt die zweite COMPUTERWOCHE-Gehaltsstudie, dass die Schere zwischen hohen und niedrigen Gehältern größer geworden ist.

Von CW-Redakteur Hans Königes

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Gehälter der Computerfachleute sind in diesem Jahr gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum um fünf bis zehn Prozent gestiegen. Auffällig ist, dass die Arbeitgeber die Zusatzleistungen auf Kosten der Grundvergütung erhöhen. Außerdem belegt die zweite COMPUTERWOCHE-Gehaltsstudie, dass die Schere zwischen hohen und niedrigen Gehältern größer geworden ist.

Der Mangel an IT-Spezialisten hat auch die Vergütungssituation durcheinander gewirbelt. Personaler und auch entsprechend deren Berater sind verzweifelt über die hohen Einkommen, die sie nicht qualifizierten Bewerbern zahlen müssen. So erzählte unlängst ein Münchner Headhunter, dass ihm ein Kandidat ein paar Stunden vor Vertragsunterzeichnung abgesprungen sei. Der junge Mann, ein Einsteiger mit ersten IT-Erfahrungen, verdiente als SAP-Spezialist 90.000 Mark im Jahr, geboten wurden 125.000. Schließlich sagte er ab, da anderswo 140.000 Mark winkten. Solche Zuwächse sollen keine Seltenheit sein. So berichtete eine Düsseldorfer Headhunterin von einem Kandidaten, der in zwei Jahren drei mal den Arbeitgeber wechselte und damit sein Salär mehr als verdoppelte.

Um in diesen Markt etwas Transparenz zu bringen, untersucht die COMPUTERWOCHE gemeinsam mit Christian Scholz, Professor für Organisation, Personal- und Informations-Management an der Universität Saarbrücken, den IT-Gehaltsmarkt. Jetzt liegt das Ergebnis der zweiten Studie vor. Eine ernüchternde Erkenntnis vorab, die die Interpretation der Ergebnisse nicht unbedingt erleichtert: Die Schere zwischen niedrigen und hohen Gehältern wird immer größer.

Ein für die Gehaltsfindung nicht unwesentlicher Faktor ist die Selbsteinschätzung der Befragten. Zum ersten Mal fragten wir, ob sich die Teilnehmer als "Top"- oder "Well-Performer" einstufen. Die Korrelation zwischen Selbsteinschätzung und Verdienst trat klar zutage. Wer sich gut verkauft, bekommt mehr. Damit können sich alle diejenigen sich bestätigt fühlen, die die Personaler immer schon im Verdacht hatten, nicht nach so objektiven Kriterien einzustellen, wie sie immer vorgeben, und dass sie sich von einem souveränen Auftreten schon mal blenden lassen. Der Beweis ist das Ergebnis: Top-Performer erreichen ein Jahresgehalt von 142.000 Mark, Otto Normalbewerber gibt sich mit 119.500 Mark zufrieden.

IT-Bewerber pokern gerne hoch und möchten sich auf keinen Fall unter Wert verkaufen, erzählen Personaler. Hat ein Bewerber bewiesen, dass er seine eigene Qualifikation gut vermarkten kann, stehen ihm alle Türen offen, weiß Personalberater Michael Neumann aus Frankfurt am Main. Er findet es gar nicht schlecht, wenn sich Kandidaten gut präsentieren: "Selbst wenn sie beim Vorstellungsgespräch etwas zu dick auftragen, aber eine charismatische Ausstrahlung mitbringen, sollten sich die Firmen über solche Bewerber freuen." Außerdem würden sich Frauen nach wie vor weniger selbstbewusst einschätzen und hätten noch nicht gelernt, sich so gut zu verkaufen wie Männer.

Ebenfalls in diese Kategorie passt ein zweites Ergebnis: Frauen verdienen weniger als Männer, und zwar kräftig zwischen zehn und zwanzig Prozent. Der Autor der Studie Christian Scholz relativiert dieses Ergebnis: Die teilnehmenden Frauen hätten weniger Berufsjahre und Führungsverantwortung vorzuweisen, und oft auch den niedrigeren Bildungsabschluss.

Weitere auffällige Entwicklung der diesjährigen Auswertung: Die Zusatzleistungen sind überdurchschnittlich gewachsen. Es sieht so aus, als wenn die Arbeitgeber versuchen, den Anstieg der Grundgehälter etwas zu bremsen und den Mitarbeitern lieber Projektprämien, Boni, Handys oder gar Dienstwagen zukommen lassen. Bei Informatikern beträgt der leistungsbezogene Anteil 16.500 Mark im Jahr, bei Betriebswirten sogar 23.000 Mark, während er bei den Wirtschaftsinformatikern nur rund 11.000 Mark ausmacht.

Besonders gefreut haben den Personalprofessor, dass sich zwei Ergebnisse des Vorjahres bestätigen ließen, für die er viel Kritik ernten musste: Informatiker verdienen besser als Wirtschaftsinformatiker und IT-Mitarbeiter mit einem Abschluss der Berufsakademie besser als Fachhochschulabgänger. Diese Aussagen stützt auch die aktuelle Studie: Die Informatiker bringen 122.000 Mark im Jahr nach Hause und die Wirtschaftsinformatiker 111.000 Mark. Am meisten dürfen sich die Betriebswirte freuen, die auf ein Salär von 136.000 Mark kommen. Mögliche Erklärung: Die Kaufleute sind bei vielen Beratungsgesellschaften gern gesehene Bewerber. Dort wird nach einer Bewährungszeit ganz gut gezahlt, und im Übrigen konnten sich die Betriebswirte schon immer besser verkaufen als die Techniker.

Eine weitere Antwort gaben Manager auf dem COMPUTERWOCHE-Kongress "IT meets Business" Ende Oktober in München. Dort stellten einige von ihnen die Behauptung auf, dass selbst in der IT-Abteilung die betriebswirtschaftlich orientierte Führungskraft notwendig sei. Im Zeitalter des E-Business komme es weniger auf die perfekte technische Umsetzung an, "Projekte dürfen keine fünf Jahre dauern", sondern auf die Geschwindigkeit. Damit hätten Informatiker oft Probleme - deshalb auch die geringere Bezahlung im Vergleich zu den Betriebswirten.

Bezüglich der Abschlüsse schneiden die Absolventen eines MBA-Studiums (Master of Business Administration) am besten ab. Wer dies Examen vorweisen kann, darf sich auf ein durchschnittliches Jahressalär von etwa 160.000 Mark freuen, im Vorjahr waren es noch 150.000. Selbst eine Promotion wird von den Firmenchefs um einiges schlechter bewertet (141.000 Mark Jahresgehalt) als der Management-orientierte Abschluss.

Bestätigt fühlen dürfen sich die Berufsakademien, dass sie mit ihrem Konzept - der engen Verzahnung von Praxis und Theorie - richtig liegen; auch wenn die Professoren der "richtigen" Hochschulen über diese Ausbildungsform gern lästern und sie als eine "bessere Lehre" abqualifizieren. Die BA-Einsteiger kommen auf ein Jahresgehalt von 125.000 Mark (Vorjahr 113.000), die Fachhochschulkollegen müssen sich indes mit 112.000 Mark begnügen (Vorjahr 100.000).

Die Studie

Im Sommer 2000 organisierte die COMPUTERWOCHE gemeinsam mit Christian Scholz, Professor für Organisation, Personal- und Informations-Management an der Universität Saarbrücken, ihre zweite Vergütungsuntersuchung. Der Fragebogen war in der COMPUTERWOCHE abgedruckt, konnte aber auch über das Internet ausgefüllt werden, was dann auch über 80 Prozent der Teilnehmer taten.

Die Teilnehmer

An der Aktion beteiligten sich 647 Einzelpersonen und 13 Unternehmen. Die Firmenantworten bezogen sich auf zusammen 2500 Stellen. Insgesamt wurde mit 700 Datensätzen gearbeitet. Damit es zu keinen statistischen Verzerrungen kommt, wurden Firmenfragebögen, die für mehrere Mitarbeiter der gleichen Gehaltslage galten, als nur einer gewertet. Wenn von Jahresgehältern die Rede ist, sind alle Zusatz- und Nebenleistungen von Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld über Unfallversicherung bis zum Dienstwagen berücksichtigt. Die Studie hat die Einkommen in eine Grund- und eine Gesamtvergütung unterteilt. Bezüglich des Alters der Teilnehmer ergibt sich ein recht homogenes Feld. Bis 30 Jahre waren 20,5 Prozent, 31 bis 35 Jahre 36 Prozent, 36 bis 40 Jahre 24,5 Prozent und ab 40 Jahren 20 Prozent. Weniger ausgeglichen sieht es bei den Abschlüssen aus. Nur 8,5 Prozent sind diesmal Absolventen einer Fachhochschule; im vergangenen Jahr waren es noch 22, dafür war mit 37 Prozent die Beteiligung der Uniabgänger umso größer. Einen Abschluss an einer Berufsakademie (BA) besitzen 23,5 Prozent, 10,5 Prozent haben eine Lehre absolviert. 17 Prozent der Antwortenden sind Informatiker, 14 Prozent Ingenieure, neun Prozent Betriebswirte und 8,5 Prozent Wirtschaftsinformatiker.

Die Ergebnisse

Die Teilnehmer erhalten in den nächsten Tagen die Ergebnisse. Diejenigen, die an der Studie interessiert sind und den Fragebogen nicht ausgefüllt haben, können gegen eine Gebühr (100 Mark für Einzelpersonen, 1000 Mark für Unternehmen) den Band bei Maria Scholz, Am Hüttenwald 10, 66894 Rosenkopf, Telefon 06372/61172, E-Mail prisma@1v.com anfordern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die

Ergebnisse für Einzelpersonen auf deren Profil zugeschnitten sind, während die Studie für die Unternehmen alle Daten beinhaltet. Öffentlich vorgestellt werden die Ergebnisse auf der Münchner Systems im Rahmen des COMPUTERWOCHE-Forums Jobs & Karriere am 6. November 2000 um 13.30 in Halle A5.

Zum ersten Mal hat die Studie auch die Chefgehälter ermittelt. Im Durchschnitt erreicht ein Vorstand beziehungsweise ein Geschäftsführer 281.000 Mark per annum. Die Spanne reicht hier von 125.000 Mark bis zu über einer Million. Darunter sieht es dann schon etwas bescheidener aus: Auf der zweiten Ebene müssen sich die Häuptlinge mit 151.000 Mark begnügen, eine weitere Ebene tiefer mit 134.000 Mark. Zusätzlich abgefragt wurde das Einkommen des Projektleiters, das sich ebenfalls bei 134.000 Mark bewegt.

Die Teilnehmer wurden außerdem gebeten, sich als Junior, Senior oder Leiter einzustufen. Bei den jungen Experten mit ersten Erfahrungen hat sich gegenüber dem Vorjahr wenig getan, eine ganz leichte Steigerung auf 95.500 Mark Jahresgehalt. Deutlicher fällt das Wachstum beim Senior aus, dessen Einkommen jetzt 124.000 Mark (Vorjahr 116.000) beträgt, und vor allem beim Leiter, der sich über 162.000 Mark (Vorjahr 134.000 Mark) freuen darf. Immer wieder muss bei solchen Einkommensvergleichen daran erinnert werden, dass es sich um Durchschnittswerte handelt und dass es stark davon abhängt, wer gerade an der Befragung teilgenommen hat, weswegen Vergleiche zum Vorjahreszeitraum manchmal schwierig sind. Es lassen sich aber zumindest Tendenzen ablesen, die von Marktteilnehmern auch bestätigt werden.

Bezüglich der genannten "Career Points" bedeutet dies, dass die Firmen bereit waren, eine Menge Geld für erfahrene Spezialisten mit Führungsverantwortung auszugeben. Sie sind rar und nur bei einem sehr guten Angebot zu wechseln bereit. Unter anderem das hat zum hohen Anstieg ihrer Gehälter in diesem Jahr geführt.

Die Branche und der Ort, an dem die Computerfachleute ihre Tätigkeit ausüben, beeinflussen ebenfalls das Salär. Keine Überraschung dürfte sein, dass die höchsten Gehälter in Software- und Beratungshäusern gezahlt werden. Die Studie weist hier einen Durchschnittswert von 138.000 Mark aus. Auch die Industrie und die Finanzdienstleister zahlen mit Durchschnittsgehältern von 122.000 Mark nicht schlecht. Das Schlusslicht bildet der öffentliche Dienst mit 93.500 Mark.

Wie auch im vergangenen Jahr gelten München und Frankfurt am Main als die Hochburgen der Programmierer, aber Köln hat langsam nachgezogen. Die Einkommen in diesen Städten liegen im Durchschnitt bei rund 125.000 Mark. Von den Großstädten liegt Nürnberg aus Arbeitgebersicht mit 105.000 Mark noch am günstigsten.

Unter den Berufsgruppen schneiden die Berater am besten ab. Sie erreichen im Durchschnitt 139.000 Mark. Bei den reinen Spezialisten kommen die Datenbank- und Netzwerkexperten besonders gut weg, sie verdienen 133.000 Mark. Entwickler müssen sich dagegen mit weniger zufrieden geben, nämlich 116.000 Mark. Gut im Rennen liegen nach wie vor die SAP-Spezialisten, die sich im Durchschnitt 122.500 Mark im Jahr überweisen lassen.

Sortiert man nach Einsatzbereichen, verdient der IT-Spezialist - wie könnte es anders sein - im Vertrieb am besten. Hier liegen die durchschnittlichen Gehälter bei 166.500 Mark. Angeblich, so erzählen Headhunter immer wieder, können Topverkäufer mit dem richtigen, also am Markt stark nachgefragten Produkt, bis zu einer halben Million Mark nach Hause nehmen. Auch der Kundendienst zahlt seine IT-Profis mit 131.000 Mark im Jahr nicht schlecht, es folgen die Logistik- mit 127.000 Mark und die Marketing-Abteilung mit 126.000 Mark. Schlusslicht bildet der Benutzerservice; hier müssen sich die Mitarbeiter inklusive ihrer Chefs mit durchschnittlich rund 100.000 Mark im Jahr bescheiden.

Interessant ist in diesem Zusammenhang folgende Auswertung: Scholz hat eruiert, wie viel ein IT-Spezialist mit einem gewissen Schwerpunkt-Know-how verdient. Dabei wird zunächst nicht berücksichtigt, welche weiteren Kenntnisse der Profi mitbringt. Es fällt auf, dass die Topthemen auch am besten honoriert werden. Der UMTS-Spezialist beispielsweise kommt auf 151.000 Mark, der E-Commerce-Profi dürfte mit 139.000 Mark ebenfalls nicht gerade am Hungertuch nagen, aber auch die Betriebssystem-Experten (sei es für Linux oder Windows) gehören mit ihren knapp über 133.000 Mark zu den Privilegierten.