Posteingang und Output vereint

450.000 Aussendungen pro Tag vorbereiten

27.02.2008 von Sascha Alexander
Das ökologisch vorbildliche Logistikzentrum der HUK-COBURG erfasst, integriert und verschickt die gesamte Post des Versicherers und setzt damit Maßstäbe.

Über eine halbe Million Briefe, Mails und Faxe bekommt und verschickt die HUK-COBURG an manchen Tagen. Auch das zeigt, wie der Druck auf das Versicherungsgewerbe wächst. Gesetzliche Vorgaben wie die Solvency-II-Richtlinie zwingen dazu, sämtliche Geschäftsprozesse lückenlos zu dokumentieren und zu bewerten. Gleichzeitig steigt der Wettbewerbsdruck: "Waren Kunden früher mit ihrer Versicherungsgesellschaft über viele Jahre oder gar Jahrzehnte verbunden, sind sie heute kritischer und vor allem anspruchsvoller geworden. Die Wechselbereitschaft ist groß. Versicherer müssen nicht nur attraktive Konditionen bieten, sondern auch exzellenten Service ", erläutert Björn Schwabe von der Abteilung Zentrale Dienste der HUK-COBURG.

Doch dieses Versprechen ist ohne moderne Informationstechnik und klar definierte Workflows für eine durchgängige und aktenlose elektronische Bearbeitung von Dokumenten nicht einzulösen (siehe auch den Beitrag "Kein Input ohne Output"). Ziel müsse es sein, alle Kundenberater bundesweit schnell und umfassend mit Informationen zu versorgen, damit sie mehr Zeit zum Beraten haben.

Green IT bei der HUK

Die HUK-COBURG nutzt moderne Umwelttechnik und betreibt ein übergreifendes Energie-Management, das ihr Rechen- und Logistikzentrum sowie ihre Verwaltungsgebäude einschließt. Hierbei kommt Speichertechnik für Wärme und Kälte zum Einsatz, mit deren Hilfe sich der Energiebezug aus den teueren Spitzenlastzeiten in günstige Schwachlastzeiten verschieben sowie die Anlagentechnik effizienter einsetzen lässt. Der Energieverbund koppelt mehrere Energieversorgungssysteme und erzielt dank Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung und dem effizienten Einsatz der Kältespeicherung einen hohen Gesamtwirkungsgrad. Dadurch lässt sich der Bedarf an Primärenergie um etwa 10 300 Megawattstunden pro Jahr reduzieren, oder anders ausgedrückt: Die Energiekosten sinken um rund 20 Prozent pro Jahr. Dank eines geschickten Energie-Managements sind Energieeinsparungen von weiteren fünf bis sechs Prozent im Jahr möglich. Viele Informationen zum Thema finden Sie auch im Knowledge Center Green IT der Computerwoche.

Zwar kannte der Versicherer seine Prozesse in der Postbearbeitung, doch musste er ihre technische Basis modernisieren, um gestiegenen Anforderungen zu erfüllen. So betrieb der Konzern bis dahin zwei Rechenzentren und hatte sein In- und Output-Management verteilt auf engstem Raum ineffizient betreiben müssen. Zudem lagen die Einrichtungen in einer hochwassergefährdeten Zone in der Coburger Innenstadt. Der Versicherungskonzern entschied daher im Jahr 2003, seine Infrastruktur auf neue Beine zu stellen und mit dem Bau eines eigenen Rechen-, Input- und Outputzentrums samt zentraler Warenwirtschaft ein modernes Logistikzentrum gegenüber der ebenfalls neu gebauten Hauptverwaltung der HUK-COBURG zu schaffen.

Nach achtzehnmonatiger Bauzeit wurde das Logistikzentrum schließlich im August 2006 eingeweiht. Auf einer Fläche von 3,7 Hektar beherbergt es heute alle Systeme und Arbeitsplätze für den bundesweiten Posteingang. In Spitzenzeiten beschäftigen die Postverarbeitung und Versand bis zu 500 feste und temporäre Mitarbeiter. Mehr als 80 Millionen Euro ließ sich die HUK-COBURG den Neubau kosten und investierte dabei auch in Umwelttechnologien wie Blockheizkraftwerk, doppelisolierte Außenhaut, Kraft-Wärme-Kältekopplung und Geothermie (siehe Kasten "Green IT bei der HUK").

Integration und Service-Levels

Alles unter einem Dach: im Logistikzentrum der HUK-COBURG werden täglich bis zu 78 000 Vorgänge (Briefe, E-Mails und Faxe) und 450 000 Aussendungen verarbeitet.
Foto: HUK-COBURG

In Hochlastzeiten durchlaufen heute täglich über 78 000 Vorgänge (Briefe, E-Mails und Faxe) den Posteingang des Logistikzentrums. Hinzu kommen bis zu 450 000 Aussendungen am Tag. Das alles muss laut Schwabe über unterschiedliche Kommunikationskanäle bundesweit an die Kunden-Center verteilt werden. Der gesamte Posteingang trifft zunächst im Logistikzentrum geordnet nach Versicherungssparten wie Komposit-, Lebens- oder Krankenversicherung ein und wird maschinell geöffnet, gegebenenfalls nach Inhalt separiert, entklammert, geglättet und zu Scan-Stapeln sortiert. Beim Scangut werden die einzelnen Vorgänge durch so genannte Patch-Codeblätter getrennt.

Derartig vorbereitet, gelangen die Dokumentenstapel zu den Scanner-Arbeitsplätzen. Dort laufen elf Hochleistungsscanner "M03 Typ 421" des Scanner-Spezialisten Inotec Organisationssysteme, die über HP-Scan-Server gesteuert werden. Die Scan-Geschwindigkeit liegt bei maximal 150 Seiten pro Minute im Duplex-Verfahren, Schwarzweiß oder Farbe mit einer Auflösung von 200 dpi. "Wir sind dabei, verschiedene Prozesse trotz des höheren Speicherbedarfs von Schwarzweiß- auf Farbscannen umzustellen, um unseren Sachbearbeitern die papierlose Bearbeitung am Bildschirm noch ergonomischer zu gestalten", erläutert Schwabe. Faxe und E-Mails, die in elektronischer Form eintreffen, werden zur Weiterverarbeitung analog der klassischen Briefpost sofort in die entsprechenden Workflows eingesteuert.

Barcode oder OCR-Software?

Ebenso ist in einigen Sparten OCR/ICR-Technik (Optical/Intelligence Character Recognition) zur Erfassung von Briefpost (derzeit "Smartfix" von Insiders Technologies) seit Jahren im Einsatz. Deren Nutzung wird kontinuierlich ausgedehnt und optimiert, was aber steigende Lizenz- und Entwicklungskosten verursacht. Daher soll die Dokumentenerfassung auch mit Barcodes weiter automatisiert werden.

Schon heute lassen sich laut Schwabe mit Hilfe des Barcode-Verfahrens 20 bis 25 Prozent der Briefe als so genanntes Response-Dokument ohne OCR-Software "blind verarbeiten". Bei ausgefüllten Formularen beispielsweise können die Barcode-Leser der Scanner die Daten unmittelbar auslesen und zusammen mit dem Image in den Workflow weiterleiten. Andererseits gibt es immer wieder nicht oder falsch erkannte Dokumente, die dann Hilfskräfte im Logistikzentrum per Hand nachbearbeiten müssen. Unterstützt wird die Indizierung durch eine spartenübergreifende Anwendung, die auf der für diese Arbeiten angepassten Scan-Software "DPU" der Firma Janich & Klass basiert.

Einbindung der Prozesse in den Host

Die Prozesskette im Posteingang wird über die Softwarekomponente "HUK-Capture-Flow" gesteuert. Die selbst entwickelte Lösung nutzt IBM Websphere MQ als Messaging-Infrastruktur sowie in Microsoft .NET programmierte Steuerungsfunktionen. Sind bei der Indizierung Vergleiche mit dem Partner- und Vertragsbestand in den Bestandssystemen nötig, übernehmen Host-Services (IBM z/OS/ CICS / PL1 / DB2) und IBM Websphere MQ den Datenaustausch. Die originalen Papierdokumente werden zudem nach dem Scannen nicht gleich vernichtet, sondern in einem 24 Millionen Blatt fassenden Vertikallift-Lager abgelegt. Auf dieses können Sachbearbeiter im Bedarfsfall über das eigens für die HUK-COBURG entwickelte Lagerführungssystem zugreifen, das Dienste des Lagerverwaltungssystems der Firma Ehrhardt + Partner über IBM Websphere MQ nutzt.

Die elektronisch erfassten Dokumente landen im Host-basierenden Dokumenten-Management-System "HUK-DMS", das IBM z/OS, die Datenbank IBM DB2 sowie die Komponente IBM Content Manager nutzt. Hinzu gesellt sich eine ebenfalls selbstentwickelte Workflow-Komponente (auf Basis der IBM-Software z/OS, Cics, PL/1 und DB2), die Geschäftsvorfälle und Termine über eine integrierte, regel-basierende Lastverteilung auf die Mitarbeiter der Kunden-Center und Fachbereiche verteilt. Der Sachbearbeiter greift schließlich über seinen elektronischen Postkorb auf die Dokumente zu. Die Arbeitsumgebung umfasst einen Dokumenten-Viewer ("Jadice Viewer" von Levigo) und eine HUK-spezifische Versicherungsanwendung.

Neuorganisation der Kundenberatung

Neben der Technik wurden auch der Außendienst und die bisherigen Vertriebsstellen umgebaut und in Kunden-Centern zusammengelegt. So kann die HUK-COBURG heute eine telefonische Erreichbarkeit ihrer Berater von über 90 Prozent sicherstellen, indem Anrufe automatisch auf die freien Nebenstellen bundesweit geroutet werden. "Wenn ich aber die Telefonie bundesweit verteile, müssen auch die Informationen überall verfügbar sein", erklärt Norbert Dittrich, Bereichsleiter Postbearbeitung/Image. Früher musste man bei Engpässen in der Dokumentenverarbeitung oder beim Personal irgendwo in Deutschland eine Abteilung finden, die einem einen Teil der Arbeit abnehmen konnte", erinnert sich Dittrich. "Manche Wettbewerber haben das Problem heute noch."

Foto: HUK-COBURG

Bei der HUK-COBURG steuert jetzt eine maschinelle Lastverteilung die Bearbeitung des Posteingangs. Ein Dokument stehe am gleichen Tag oder spätestens bis zum Mittag des folgenden Tages bundesweit jedem Sachbearbeiter zur Verfügung, ergänzt Kollege Schwabe. "Aktuell arbeiten wir beispielsweise an einem Konzept, das sicherstellt, dass Faxe innerhalb von fünf Minuten nach ihrem Eintreffen qualifiziert aufbereitet einem Sachbearbeiter zugänglich sind. Im Pilotbetrieb gelingt uns das bereits in über 90 Prozent der Fälle."

Output neu organisiert

Wichtig für den Erfolg des Projekts war auch, dass die Fachanwender bei der Planung mit dem Architekten an einem Tisch saßen. "Die rund 100 mal 45 Meter große stützenfrei gebaute Output-Halle ist beispielsweise so entworfen, dass sie auch künftige Ansprüche erfüllen kann", erläutert Harald Eichhorn, Bereichsleiter Druck- und Versandservice. Auch in seinem Bereich profitiere man tagtäglich von den verbesserten Abläufen. Dazu trug auch die Ablösung der bisherigen Host-basierenden Textverarbeitung und des Massendrucks samt Ressourcenverwaltung durch eine Unix- und Java-basierende Infrastruktur bei.

Statt der alten 3270-Clients nutzen Sachbearbeiter jetzt die Textverarbeitungskomponente "M/Text CS" und die Output-Management-Komponente "M/OMS" von Kühn & Weyh. So ist ein einheitliches Textsystem entstanden, das in die vielschichtige Systemwelt der HUK-COBURG integriert ist und überall identisch formatierten Output produziert. Ferner betreibt der Versicherer erstmals ein zentrales Output-Management-System unter Unix, mit dem er alle ausgehenden Dokumente auf die Ausgabemedien Drucker, Fax, E-Mail und DMS/Archiv verteilen kann. Eine Online-"Brieffabrik" soll zudem ein Regelwerk schaffen, mit dem sich Kundenkorrespondenz formal und inhaltlich einheitlicher erstellen lässt.

Laufende Kostenkontrolle

Trotz aller Erfolge will die HUK aber auch künftig regelmäßig prüfen, ob sich der interne Betrieb der diversen Anwendungen des Logistikzentrums rechnet. So betreibe der Output-Bereich beispielsweise regelmäßig Benchmarks und konnte bisher belegen, dass die Profitabilität über der externer Lösungen liege, sagte Bereichsleiter Eichhorn. Ebenso könne man bisher beim Input konkurrenzfähige Preise und garantierte Service-Levels bieten, ergänzt Kollege Schwabe. Zudem gebe es noch einige Möglichkeiten zur Verbesserung der Prozesse. So starten in diesem Jahr Projekte zur Dokumentenklassifikation und Datenextraktion aus gescannten Dokumenten und Gutachten mit Hilfe von OCR-Lösungen. Vor allem der vielen Schadensgutachten unterschiedlicher Herkunft in der KfZ-Versicherung möchte man so Herr werden. Ebenso wolle man die automatische Verarbeitung von Faxen weiterentwickeln, "was angesichts der geringen Textqualität für die OCR-Software eine Herausforderung ist", so Schwabe.

An einem Punkt hilft allerdings auch das beste Logistikzentrum bisher wenig: Trotz der zunehmenden Bedeutung der elektronischen Kommunikation via Fax und E-Mail wird sich das Aufkommen an klassischer Briefpost in den kommenden Jahren nicht drastisch verringern. So beobachtet Hans-Peter Mönch, Bereichsleiter Postbearbeitung/Image, seit Jahren einen wachsenden Papier-Posteingang. Bereichsleiter Eichhorn erlebt Vergleichbares beim Output: "Wir hatten in den letzten Jahren bei den ausgehenden Briefsendungen Zuwachsraten von sieben bis acht Prozent." Dies liegt laut Schwabe zum Teil daran, dass vor allem Privatkunden weiterhin papiergebundene Information von ihrer Versicherung bevorzugten. Nur bei der Internet-Tochter HUK 24 werde heute vor allem elektronisch kommuniziert.