Deutschland-Chef Jörg Kracke im CW-Gespräch

3Com: Modular zurück zu alter Stärke

30.04.2008
Sinkende Umsätze, wechselnde Produktstrategien, verlorenes Vertrauen - für viele schien 3Com nur noch eine lebende Leiche. Mit neuer Strategie will die Networking-Company nun zur alten Größe zurückfinden.

Mit dem Ethernet und Bob Metcalfe groß geworden, war 3Com lange Zeit eine feste Größe im Netzwerkgeschäft. Egal ob LAN oder Enterprise Network, an den Netzkarten, Switches sowie Routern der Company führte bei IT-Projekten in der Regel kein Weg vorbei, und die CoreBuilder des Unternehmens genossen fast einen legendären Ruf. Mit dem Zerplatzen der Dotcom-Blase begann dann das große Jammern: Unternehmensteile wurden verkauft, Produktlinien eingestampft, und die Umsätze brachen ein. Für viele Branchenkenner und Anwender war 3Com nur noch eine langsam sterbende Company, auf die sie keinen Cent mehr setzen würden. Als dann noch im März der Deal mit Bain Capital und Huawei platzte, schien das Schicksal des Unternehmens endgültig besiegelt.

Mit modularen Geräten und Zusatzapplikationen will 3Com zu alter Größe zurückfinden.
Foto: 3Com

Ein ganz anderes Bild des Unternehmens zeichnet Jörg Kracke, Geschäftsführer von 3Com Deutschland. So sei der 3Com-Umsatz in EMEA im Jahresvergleich um 20 Prozent gewachsen, und die Company habe in den letzten fünf Quartalen ein Margenwachstum verzeichnet. In Deutschland selbst sei der Umsatz und Gewinn im letzten Jahr zweistellig gestiegen. Dafür, dass es um das Unternehmen in den letzten Jahren aus deutscher Sicht so ruhig war, hat Kracke eine einfache Erklärung parat: Nach dem Crash im Jahr 2000 habe sich das Unternehmen von einer amerikanisch ausgerichteten zu einer globalen Company entwickelt, die sich früh im Wachstumsmarkt China engagierte. Dort sei man nun unter anderem bei Switching, Routern für das mittlere Marktsegment oder IP-Storage Marktführer. Nach Abschluss der Übernahme des ehemaligen Joint Ventures H3C mit Huawei habe man nun wieder die Kraft, sich stärker auf Märkte wie die USA oder EMEA zu konzentrieren. Hierfür hätte man gerne das Kapital aus dem Deal mit Bain Capital gehabt, um neue Produkte in neuen Märkten erfolgreich einführen zu können. Zwei erfolgreiche Wachstumssegmente sind für Kracke dabei IP-Storage- sowie Videoüberwachungssysteme-Systeme.

Modulare Produktstrategie

Beide Produktkategorien passen für Kracke gut ins Portfolio, "denn 3Com im Jahr 2008 ist ein Anbieter von IP-Kommunikationslösungen". Statt des breit aufgefächerten Angebots von früher will sich das Unternehmen nun auf Produkte konzentrieren, die vom Mittelstand bis ins Enterprise Network reichen. "Unser grundsätzlicher Ansatz ist dabei, auf offene Standards zu setzen und uns als Preis-Leistungs-Führer zu etablieren", verdeutlicht Kracke die Unternehmensstrategie, "denn proprietäre Strategien werden im internationalen Wettbewerb um Preis und Innovationsgeschwindigkeit verlieren." Hier sieht der Manager das Unternehmen bereits auf einem guten Weg, denn frühzeitig habe man den Trend zu offenen und modularen Betriebssystemen für Router und Switches erkannt. Während Player wie Juniper entsprechende Veränderungen erst 2008 ankündigten, habe man das eigene OSN bereits 2007 realisiert. Das Open Services Networking (OSN) warte als Betriebssystem mit offenen Schnittstellen auf, die es erlauben, kleine Module oder Applikationen per Linux für Router und Switches zu entwickeln. Beispiele hierfür könnten etwa Bandbreitenoptimierungs-Module sein, die in einer Partnerschaft mit Expand entstehen, oder Switch-Ergänzungen, um etwa Funktionen wie WLAN-Switching nachzurüsten. Kracke zufolge hat die Company mit dieser Entscheidung bereits eine andere Entwicklung vorweggenommen: "Routing und Switching wird immer mehr zur Commodity, so dass Sie Geld nur noch mit zusätzlichen Mehrwertfunktionen verdienen können." Seine Wertschöpfung zieht das Unternehmen, das von rund 7100 Mitarbeitern knapp 3700 in Forschung und Entwicklung beschäftigt, etwa aus der VoIP-Entwicklung in Bangalore oder der Hardware, die in China entsteht.

Raffinierte Features statt großer Innovationen

Die Modularisierung eröffnet 3Com gleichzeitig die Möglichkeit, besser auf regionale Bedürfnisse zu reagieren als in der Vergangenheit. Früher vermarktete die Company beispielsweise Geräte, die zwar perfekt auf den US-Markt zugeschnitten, aber nicht für die ISDN-Hochburg Deutschland geeignet waren. Ein Beispiel für die Neuorientierung ist das künftige VCX Office Connect. Die VoIP-Lösung soll den deutschen ISDN-Bedürfnissen Rechnung tragen, mit einem deutschen Benutzer-Prompt aufwarten und dank der Unterstützung des SIP-Protokolls die fast freie Wahl des Telefonapparates erlauben. Auf diese Weise könne den spezifischen Vorlieben der einzelnen Märkte in Sachen Telefondesign Rechnung getragen werden, so Kracke.

.Unter dem Strich lässt sich 3Com heute wohl am ehesten als Netzwerkausrüster charakterisieren, der Wert auf kleine, innovative Features legt. Solche Feinheiten sind Kracke zufolge etwa Netzteile, die sich einfach gegen PoE-fähige austauschen lassen, Router oder Switches, deren RAM-Speicher von Haus aus voll ausgebaut ist. Dafür investiert das Unternehmen nicht wie die Konkurrenz in neue bahnbrechende Technologien wie ein holografisches Videokonferenzsystem. Aber solche Ausgaben sind vielleicht auch gar nicht erforderlich, wenn sich das Business-Modell für die Netzwerkhersteller im Zug der NGN-Diskussion in ein horizontales Modell mit Ebenen wie Transport, Virtualisierung und Applikation verwandelt. Dann wäre die Videokonferenz nur noch eine Applikation unter vielen, und die Konkurrenz wäre wo ganz anders zu suchen. Nach dem Showdown zwischen TK-Unternehmen und Netzwerkern im Zuge der VoIP-Diskussion sieht Kracke einen neuen Brennpunkt in der All-IP-Welt: die Auseinandersetzung zwischen Netzausrüstern und klassischen IT-Playern wie IBM, Dell oder HP. Denn mit Angeboten wie IP-Storage oder vernetzten Applikations-Servern für Data Center dringen die Netzausrüster in die Domäne der klassischen Hardwarehersteller vor. (hi)