Wie ITler effizienter arbeiten

192-Stunden-Tage für alle!

14.10.2008 von Simon Hülsbömer
IBM-Engineer Gunter Dueck sieht sich als das "technische und inhaltliche Gewissen" von IBM. In seinem Buch "Homo oeconomicus" setzt sich der nebenberufliche Autor mit Zeitmanagement und kreativerem Arbeiten auseinander. Uns hat er einige bissige Fragen beantwortet.

CW: Herr Dueck, wie viele Stunden bräuchte ein (Arbeits-) Tag, damit man alle Arbeit rechtzeitig erledigen könnte?

Dueck: 192.

CW: Wir müssten demnach eigentlich die Erdumdrehung verlängern, ohne gleich das gesamte Sonnensystem aus dem Gleichgewicht zu bringen?

Dueck: Das Problem unserer Zeit heißt Role-Overload: Wir haben zu viele Rollen in verschiedenen Projekten, Ämtern und Familien, die wir unmöglich alle mit dem nötigen Herzblut ausfüllen können. Deshalb schludern wir in allen und arbeiten gewissensgequält rund um die Uhr. Das Role-Overload-Problem ist aber dadurch nicht lösbar, auch nicht durch astronomisch verlängerte Tage. "Was du machst, mach gut" ist vergessen worden.

CW: Warum arbeiten wir mehr, als wir müssten? Ist das eine Frage unserer Gene (Überlebenskampf) oder der Gesellschaft (Leistungsprinzip)?

Gunter Dueck sieht die Menschheit 'in Hetze gehetzt'.

Dueck: Als ich klein war, war Darwin schon bekannt, aber unser Menschenbild war ganz anders: Der Mensch ist von Natur aus faul, liegt unter der Palme am Strand und lebt von herunterfallenden Nüssen. Zum Arbeiten muss er gezwungen werden, oder er braucht dazu eine insgesamt naturfeindliche Kultur, zum Beispiel eine protestantische Arbeitsethik. Neuerdings erfinden die Shareholder-Value-Propheten Überlebenskampf und Leistung bis zum Burnout. Die Presse scheint da problemlos umgeschwenkt zu sein. Arbeiten Naturvölker denn wie verrückt? Haben die vielleicht keine Gene? Ich glaube schlicht, wir sind in Hetze gehetzt.

CW: Warum also nicht gleich die 60-Stunden-Woche für alle ITler?

"Der Kunde erwartet 50 Stunden"

Dueck: Sie wollen die Arbeitszeit also senken? Echt? Der Kunde bezahlt den IT-Menschen für 40 Stunden die Woche und erwartet als Rabatt so etwa 50. Dazu kommen die Reisezeiten, die oft erheblich sind. Und dann ist noch keinerlei Arbeit getan, die der IT-Mensch in der und für die eigene Firma erledigen soll. Das wird über 60!

CW: Arbeiten Tekkies effizienter als Manager?

Dueck: Man sagt (ich auch), dass man mit Projekten einfach anfangen soll und an guten Prototypen viel, viel lernt. Wenn man dann alles weiß, wirft man den Prototypen weg und baut nun sehr schnell das Werk auf. Die Prototyp-Phase wird aber meist durch Meetings ersetzt, was Trouble Projects fördert. Wenn man einmal doch einen Prototypen erlaubt, wird der leider nicht weggeworfen, weil das "effizient" ist. Im Ganzen wird Lernen durch Tabellenjonglieren verdrängt. Das betreiben die einen, und die anderen schweigen dazu wie die Lämmer. Anschließend seufzen sie alle, dass Google das mit Prototypen so macht, und sehen die Weltherrschaft drohen. Dabei tut Google getreu dem Firmenmotto nichts Böses!

Mehr Infos im Sinnraum

Auf seiner Website beschäftigt sich Gunter Dueck mit vielen verschiedenen IT-abseitigen Themen, philosophiert über den Arbeitsalltag und macht Vorschläge für eine bessere Zukunft.