IDC-Analyse

Collaboration zum Fliegen bringen

16.06.2008
Von 
Wafa Moussavi-Amin ist Analyst und Geschäftsführer bei IDC in Frankfurt. In seiner Funktion als Geschäftsführer verantwortet Wafa Moussavi-Amin seit Oktober 2004 die Strategie und Geschäftsentwicklung der International Data Corporation (IDC) in Deutschland und der Schweiz, seit 2013 zeichnet er zudem verantwortlich für die Region Benelux.
Technologie-gestützte Zusammenarbeit (Collaboration) ist in Unternehmen heutzutage gang und gäbe. Sie könnte aber noch besser sein.

Eine Vielzahl an Tools ebnete heute den Weg für die schnelle Zusammenarbeit - unabhängig von der geografischen Entfernung der Teilnehmer. Collaboration beginnt mit dem Gedankenaustausch via Telefon, E-Mail und Instant-Messaging. Sie erstreckt sich bis hin zu Postings, Blogs, Team-Workspaces, Wikis sowie Web-, Audio-und Videokonferenzen. Doch trotz dieser vielen Möglichkeiten gibt es anscheinend noch immer Angebotslücken im Collaboration-Portfolio. So vermissen viele Anwender beispielsweise ein einfaches Tool für das Projekt-Management, das sowohl Echtzeit- als auch Nicht-Echtzeit-Aktionen mit Menschen aus verschiedenen Unternehmen und Zeitzonen unterstützt. Andere Nutzer wiederum rufen nach einem Autorenwerkzeug, mit dem sie Inhalte für verschiedene Applikationen und Informationsquellen erstellen und publizieren können. Doch es gibt auch Anwender, die die große Auswahl an Collaboration-Tools beklagen. Ihnen fällt die Entscheidung derart schwer, dass sie lieber auf entsprechende Hilfsmittel verzichten. Die Folgen liegen klar auf der Hand: Wenn Mitarbeiter Informationen und Erfahrungen nicht weitergeben, Teamaufgaben nicht mit anderen Kollegen koordinieren und keinen Zugriff auf das gesammelte Wissen von Kollegen, Kunden und Geschäftspartner haben, werden Aufgaben viel später erfüllt und die Qualität sinkt. Das geht zu Lasten der Kundenzufriedenheit und des Umsatzes.

Zwei Trends, die kollaborative Anwendungen sehr stark verändern sind Unified Communications (UC) und Web 2.0. Beide reduzieren und verschärfen die angesprochenen Probleme gleichermaßen. Mit UC sollen konsistente Benutzeroberflächen und Grundfähigkeiten wie Präsenzfunktionen und Regeln bereitstehen, so dass Anwender einfach und schnell durch die verschiedenen Kommunikationskanäle navigieren können. Das spart einerseits Zeit, birgt andererseits aber auch die Gefahr, die Produktivität zu gefährden. Nicht alle Kommunikationswege sind für die jeweiligen Rollen oder Aufgaben optimal geeignet.

Worauf kommt es also an? Will man den Anwendern neue Kommunikationswerkzeugen zur Verfügung stellen, die ihre Produktivität in den jeweiligen bereichen verbessern? Oder will man vornehmlich eine kostengünstige Kommunikationsform aufgrund integrierter IP-Telefonie?

Eine vergleichbare Diskussion tut sich um Web-2.0-Anwendungen auf. Mit Mashups können Anwender beispielsweise neue Inhalte mit bereits vorhandenen Informationen kombinieren. Damit kontrollieren sie wesentlich besser ihre eigene Computing- und Collaboration-Erfahrung. Sie verfügen also über Tools, die ihren persönlichen Präferenzen und Anforderungen an bestimmte Rollen oder Situationen besser entsprechen. Doch mit Web 2.0 steigt auch die Vielfalt der zur Auswahl stehenden Optionen für Publishing und Collaboration. Wer wie welche Inhalte erstellt, mit welchen Regeln und Konfigurationsoptionen versieht, entscheidet der Anwender selbst. Mit dieser Freiheit geht aber die Verantwortung einher, eine kluge Wahl zu treffen. Oft sind begeisterte Web-2.0-Anhänger die ersten Nutzer dieser Technologie. Mit der Zeit kommen dann gar zu viele neue User hinzu, die immer mehr Postings einstellen. Die Informationsflut nimmt Mitarbeitern schnell die Lust, sich aktiv einzubringen.

Was fehlt also noch? Besserung versprechen folgende Maßnahmen:

  • Anwenderprofile in firmeninternen Social-Networks sollten nicht nur Informationen aus der Personalabteilung, den unternehmensweiten Directories und eigenhändigen Einträgen der Anwender enthalten, sondern auch kontinuierlich und automatisiert analysierte Daten über Informationen und Projekte, die vom jeweiligen Anwender genutzt wurden. Dies sollte zumindest für firmeninterne und andere vertrauenswürdige Web-Seiten gelten.

  • Content-Bewertungen bezüglich Nutzen und Nützlichkeit von Personen, Dokumenten, Web-Sites und anderer Inhalte, und zwar sowohl manuell als auch automatisch auf Basis der Häufigkeit und der Aktualität der Zugriffe.

  • Über Unternehmens-Accounts verschickte E-Mails und IMs (Instant Messaging) zwischen Mitarbeitern beziehungsweise zwischen Mitarbeitern und Kunden, die häufig genutzte Schlüsselbegriffe in der Betreffzeile enthalten (etwa Projekt, Kunde, Angebot) und vom Sender nicht ausdrücklich als privat gekennzeichnet wurden, sollten automatisch anderen Mitarbeitern im Unternehmen für Suchzwecke verfügbar gemacht werden. Auch Data Mining ist möglich, um für jede Person eine Art Starthilfe für die Mitgliedschaft in sozialen Netzen bereitzustellen. Zwar muss der Datenschutz gewährleistet sein, doch das sollte Unternehmen nicht daran hindern, wertvolle geschäftsbezogene Inhalte, die in E-Mail-Briefkästen und IM-Sitzungen vergraben sind, zum Wohle des Unternehmens zum Vorschein zu bringen.

Das Vertrauen in die Anwender, dass sie sich die Zeit nehmen, Informationen zu kennzeichnen, zu verlinken oder zu bewerten, reicht allein nicht aus. Mitarbeiter sind mit ihren Kernaufgaben mehr als ausgelastet und haben keine Muße, einen Gedanken daran zu verschwenden, ob ihre Arbeit für Kollegen interessant sein könnte. Egal wie einfach Collaboration durch UC und Web 2.0 auch wird - ein kleiner Schubs in die richtige Richtung könnte Collaboration zum Fliegen bringen. (jha)

Zur Person

Foto: Wafa Moussavi-Amin

Wafa Moussavi-Amin ist Analyst und Geschäftsführer bei der IDC Central Europe GmbH. In seiner Leitungsfunktion verantwortet er seit Oktober 2004 die Strategie und Geschäftsentwicklung von IDC in Deutschland und in der Schweiz. In den Jahren 2001 bis 2003 leitete Moussavi-Amin als Regional Business Manager unter anderem die Geschäfts- und Produktentwicklung, angefangen von neuen länderspezifischen Marktstudien bis hin zur IT-Beratung mit Schwerpunkt auf vertikale Märkte und Software. Zuvor war er in verschiedenen Research-Positionen tätig und zuständig für die Planung, Entwicklung, Implementierung und Koordination von IDC's Research und Consulting-Aktivitäten in Deutschland und der Schweiz. Außerdem hat er internationale Projekte geleitet. Moussavi-Amin verfügt über mehr als zwölf Jahre Erfahrung in der Analyse des IT-Marktes. Er ist Experte für die Entwicklung im deutschsprachigen Raum bei IDC. Er hat Rechtswissenschaften und Volkswirtschaftslehre an der Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt am Main studiert.