Gute Auftragslage

Freiberufler sind als Berater gefragt

09.09.2008 von Ina Hönicke
Aus Mangel an Bewerbern greifen Firmen verstärkt auf Selbständige zurück. Diese programmieren nicht nur, sondern beraten auch und geben ihr Wissen an Mitarbeiter weiter.

Freiberufliche Computerprofis haben derzeit gute Karten. Da Unternehmen nicht genügend Mitarbeiter bekommen, sind sie verstärkt auf Externe angewiesen. 70 Prozent der deutschen Firmen setzen auf IT-Spezialisten von Außerhalb - Tendenz steigend. Das haben der Personaldienstleister Hays und die Berlecon Research in einer Studie herausgefunden. "Aufgrund der Personalengpässe ist der Bedarf in einigen IT-Bereichen mittlerweile größer als die Zahl der externen Spezialisten, die zur Verfügung stehen", konstatiert Frank Schabel, Marketing-Chef von Hays.

SAP-Profis sind überall begehrt

Jeder achte der befragten 160 IT-Leiter hat sogar mehr als 20 IT-Freiberufler in seinen Reihen. Vorwiegend arbeiten die Freelancer in Großunternehmen und bei Dienstleistern. Aber auch das produzierende Gewerbe wird mittelfristig nachziehen: Hier rechnen rund 40 Prozent der Betriebe damit, den Anteil der Freelancer gegenüber den fest angestellten IT-Leuten binnen zwei Jahren zu erhöhen. Am höchsten ist der Bedarf nach wie vor in der Softwareentwicklung, gefolgt von Planung und Design sowie Beratung. Gefragt sind - was für Marktbeobachter keine Überraschung ist - vorrangig SAP-Spezialisten.

Mittlerweile programmieren viele Externe nicht nur, sondern beraten und geben Wissen an die Festangestellten weiter. Ein Trend, den Andreas Stiehler, Senior Analyst bei Berlecon Research, bestätigt: Freiberufliche IT-Berater und Coaches werden vor allem im IT-Service-Management, in Change-Management-Projekten oder als direkte Berater des Business gebraucht. Dass sich die IT-Abteilungen verstärkt externes Wissen ins Haus holen, egal ob in der SAP-, Embedded- oder Internet-Welt und aufgrund der Projektstaus, die aufgelöst werden müssen. Das sei oft nur mit externer Hilfe zu bewältigen. Stiehler: "IT-Chefs erkennen, dass sie mit den Erfahrungen und Best-Practice-Wissen der Freelancer Innovationen vorantreiben und die Produktivität steigern können. Schließlich müssen die Freiberufler - anders als die meisten Festangestellten - über die Unternehmensgrenzen hinausblicken."

Oliver Knittel, selbst seit Jahren als Freiberufler tätig, sieht es ähnlich. Da viele IT-Freelancer schon älter seien und eine ganze Reihe von Projekten vorweisen könnten, seien sie auch in der Lage, Wissen zu vermitteln. "Das wird von den IT-Chefs als großer Vorteil angesehen", sagt Knittel, der jüngst vom "IT-Freelancer-Magazin" zum Freiberufler das Jahres gewählt wurde. Vor allem in der Versicherungsbranche müssten IT-Mitarbeiter verstärkt mit alten IT-Systemen kämpfen. Knittel: "Wenn das Unternehmen beschließt, sich neuere Systeme anzuschaffen, ist das Problem noch längst nicht beseitigt. Verständlicherweise fehlt den Mitarbeitern das erforderliche Know-how." Wie sehr die Verantwortlichen in einer solch schwierigen Situation externes Beratungswissen schätzen, weiß Knittel.

Oliver Knittel, Freiberufler des Jahres: IT-Chefs schätzen umfangreiche Projekterfahrung.

Wer als freiberuflicher Berater und Wissensvermittler erfolgreich sein will, braucht laut Knittel "ein Gespür für neue Themen und Nischen" und muss sich weiterbilden. Das ist für ausgelastete Freiberufler aber oft nur in der Freizeit möglich. Knittel hat sich an zwei Wochenenden im Bereich Projekt-Management und Versicherungen zertifiziert, gelernt hat er dafür im Urlaub. Zehn bis 15 Tage pro Jahr investiert Knittel in seine Qualifikation: "Wenn dann noch die Chemie zwischen dem Externem und den Kollegen stimmt, können die Freiberufler ihre Stärken voll ausspielen."

Mittelstand legt Wert auf soziale Kompetenzen

Insbesondere mittelständische Unternehmen legen Wert auf eine gute Atmosphäre in der Zusammenarbeit. Ein Beispiel sind die Metabowerke in Nürtingen. IT-Leiter Frank Sievering benötigte Unterstützung an der SAP-Basis, erhielt aber keine geeigneten Bewerbungen. Also entschied er sich für einen Freelancer: "Schon im Vorgespräch merkte ich, dass der Externe flexibel ist, genau die Fähigkeiten besitzt, die unser Haus benötigt, und über Erfahrung verfügt." Für Sievering sind soziale Kompetenzen genauso wichtig wie technische Erfahrung.

Zufrieden zeigt sich auch der niedersächsische Landmaschinenhersteller Bernard Krone, der zum ersten Mal mit einem Externen in der IT zusammenarbeitet. IT-Leiter Goy-Hinrich Korn gefällt, dass der Freiberufler "bereits nach kürzester Zeit wie ein echter Krone-Mann denkt", und gibt ihm Aufgaben, die Beraterqualitäten erfordern. Nach Korns Erfahrungen weisen etliche SAP-Freiberufler ähnliche Qualitäten vor: Wer sich bewusst für die Selbständigkeit entscheidet, sei eine Kämpfernatur, qualifiziere sich entsprechend und fühle sich für die Belange des Auftraggebers verantwortlich. Korn: "Für solche Leute stehen die Türen weit offen."

Schlüsselwissen bleibt im Haus

Die Fiducia IT arbeitet regelmäßig mit zahlreichen Freiberuflern zusammen, versucht aber, eine klare Grenze zwischen Externen und Internen zu ziehen. Vorstandsmitglied Klaus-Peter Bruns: "Die Steuerung der Projekte und das Schlüsselwissen sollten immer in der eigenen Hand bleiben. So können ungewollte Überraschungen vermieden werden." Der IT-Dienstleister für 850 Volks- und Raiffeisenbanken holt Freiberufler dann ins Haus, wenn die Arbeit von den eigenen Mitarbeitern allein nicht mehr zu stemmen ist.

Klaus-Peter Bruns, Fiducia: Die Projektsteuerung und das Schlüsselwissen geben wir nicht aus der Hand.

Steht ein neues Forschungsprojekt an, sieht Bruns Externe auch als Sparringspartner: "Der Wissenstransfer von den Externen zu den eigenen Leuten gestaltet sich mitunter als schwierig. Deshalb erwarte ich von meinen Mitarbeitern, dass sie sich in neue Themen selbst einarbeiten und sie im täglichen Umgang mit einem Externen in die Praxis umsetzen." Schließlich würden die meisten Freelancer nach einigen Wochen oder Monaten das Unternehmen mitsamt ihrem Wissen wieder verlassen. Das ist auch so gewollt. Ein Programm sorgt dafür, dass die Einsätze nicht zu lange dauern und die Freiberufler nicht "sesshaft" werden. Eine Maßnahme, die bei Freiberuflern wie Fiducia-Mitarbeitern auf Widerstand gestoßen ist. Schließlich hätten sich diese im Laufe der Jahre an die Externen gewöhnt.