Neue Datenschutz-Debatte

17 Millionen Telekom-Nummern entwendet

06.10.2008
Deutschlands größter Datendiebstahl erschüttert die Deutsche Telekom und bringt die Debatte über die Sicherheit vertraulicher Angaben neu in Gang. 17 Millionen Telefonnummern und Kundendaten wurden der Mobilfunksparte T-Mobile 2006 entwendet, wie der Konzern in Bonn am Samstag mitteilte.

Nach Angaben des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" sind darunter auch geheime Nummern und Privatadressen von Politikern, Wirtschaftsführern und Milliardären, für die eine Verbreitung in kriminellen Kreisen sicherheitsbedrohend wäre. Das Bundesinnenministerium bestätigte, es seien Gefährdungsanalysen ausgearbeitet worden. T-Mobile bietet seinen Kunden den kostenlosen Wechsel der Rufnummer an. Politiker forderten bessere Datenschutz- Kontrollen. Telekom-Chef René Obermann bat die Kunden um Entschuldigung.

Sonderhotline

Die Telekom hat eine kostenlose Sonderhotline zu dem Datendiebstahl eingerichtet. Die Rufnummer lautet 0800 330 034505.

Nach Stand 2006 war jeder zweite T-Mobile-Kunde (Pre- und Postpaid) betroffen. Inzwischen hat der deutsche Mobilfunk-Marktführer bundesweit mehr als 38 Millionen Kunden. Dem "Spiegel" waren entwendete Datensätze vorgelegt worden. Zu den Betroffenen zählen laut dem Magazin Showgrößen wie Hape Kerkeling, Günther Jauch, Til Schweiger und Fernsehkoch Johann Lafer, aber auch Minister, Ex-Bundespräsidenten und Glaubensvertreter. Zu prominenten Betroffenen wollte sich Konzernsprecher Stephan Broszio nicht äußern. Laut "Spiegel" wurde auch das Bundeskanzleramt in Berlin informiert.

Ermittlungsverfahren

Mit zwei Mitarbeitern von T-Mobile sei "das Vertragsverhältnis gelöst" worden, sagte Sprecher Broszio. "Ein direkter Zusammenhang mit dem Datendiebstahl konnte ihnen nicht nachgewiesen werden." Das Ermittlungsverfahren zu dem Gesamtkomplex dauere jedoch noch an.

"Wir können uns bei unseren Kunden nur entschuldigen", sagte Telekom-Chef Obermann der "Bild am Sonntag". Er rechtfertigte sich in dem Interview auch, warum die Öffentlichkeit nicht direkt im Jahr 2006 informiert wurde: "Die Behörden waren eingeschaltet, Datenträger konnten beschlagnahmt werden und es gab keinen Hinweis auf Missbrauch der Telefonnummern oder Schaden." Der Konzern habe Anzeige erstattet und Untersuchungen eingeleitet, nachdem ein Vertriebspartner berichtet habe, dass ihm Daten angeboten wurden. "Die Behörden haben umgehend agiert und bei Durchsuchungen Datenträger sichergestellt."

Laut "Spiegel" war das brisante Material aber kurz nach dem Diebstahl bei dubiosen Händlern und anonymen Anbietern im Internet aufgetaucht. Einige von ihnen kämen aus der Porno-Branche - darunter ein Erotikunternehmer aus Mainz, dem die Daten angeboten worden seien.

Politiker drängen nun auf die schnelle Einführung eines Qualitätssiegels für Datenschutz. "Dieses Siegel sollten alle Unternehmen erhalten, die in diesem Bereich mehr tun, als der Gesetzgeber heute von ihnen verlangt", sagte der SPD-Rechtsexperte Dieter Wiefelspütz der "Welt am Sonntag". Die Innenexpertin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, sagte: "Nicht erst, wenn die Daten schon entwendet wurden, müssen sie sichergestellt, sondern schon von vornherein sicher gespeichert werden."

Daten nicht sicher

Der Grünen-Politiker Volker Beck forderte, die Vorratsspeicherung von Telefondaten sofort zu stoppen. "Die Daten der Bürgerinnen und Bürger sind bei der Deutschen Telekom nicht sicher", sagte Beck. Wo Datenberge entstünden, drohe stets fahrlässiger oder krimineller Missbrauch. Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert sprach sich dafür aus, die Einhaltung der Bestimmungen in den Unternehmen schärfer zu überwachen. Der Datenschutz sei "finanziell und personell viel zu schlecht ausgestattet".

Die Telekom betonte, dass die Datensätze keine Bankverbindungen, Kreditkartennummern oder Verbindungsdaten enthalten. Jedoch seien neben Name und Anschrift die Mobilnummer, teils das Geburtsdatum und in einigen Fällen auch die E-Mail-Adresse in den Sätzen zu finden.

Das Bekanntwerden des Diebstahls reiht sich ein in eine Kette von Datenschutz-Skandalen. Mitte August war der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein eine CD mit Daten von 17.000 Bürgern zugespielt worden. Später berichtete ein Informant von 1,5 Millionen Datensätzen, über die er verfüge. Wenige Tage danach wurden dem Bundesverband der Verbraucherzentralen bei einem Scheingeschäft sechs Millionen Datensätze angeboten. Auch die Telekom steht schon länger im Fokus der Aufmerksamkeit, weil sie auf der Suche nach Informationslecks heimlich die Verbindungsdaten von Journalisten und eigenen Aufsichtsräten kontrollierten ließ. (dpa/tc)