Community fragt Oracle

Ist Java noch zu retten?

23.01.2011
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Oracles Patentrechtsklage gegen Google hat die weltweite Community rund um Java in Aufruhr versetzt. Viele Entwickler sehen die Open-Source-Basis in Gefahr.

Oracle ist es auf seiner zentralen Jahreskonferenz OpenWorld sowie der parallel abgehaltenen JavaOne nicht gelungen, die Bedenken der Community über die Zukunft der Java-Plattform zu zerstreuen. Der Softwarekonzern präsentierte zwar erste Details einer Java-Roadmap. Die anhängige Klage gegen Google sowie offengebliebene Fragen, was die Lizenzpolitik im Java-Umfeld betrifft, haben jedoch nicht dazu beigetragen, für mehr Ruhe zu sorgen.

Im Gegenteil: "Oracle hat auf der JavaOne lediglich offiziell bestätigt, was bereits im Vorfeld überall die Runde gemacht hat", kritisiert Fried Saacke, Vorstandsvorsitzender des Interessensverbunds der Java User Groups (iJUG) die Informationspolitik des Softwarekonzerns. Zwar stimme die Richtung, weil Oracle endlich eine Roadmap aufgezeigt habe. "Es besteht allerdings noch große Unsicherheit hinsichtlich der Frage, wie Oracle mit Java Geld verdienen will. Außerdem ist noch unklar, welche Rolle die Community zukünftig spielen wird." Das Vorgehen gegen Google lässt erahnen, aus welcher Richtung der Wind künftig wehen wird.

Die Klage

Am 12. August dieses Jahres hat Oracle gegen Google offiziell Anklage erhoben. Der Suchmaschinen-Primus habe mit seinem mobilen Betriebssystem Android wissentlich, aktiv und wiederholt geistiges Eigentum und Patentrechte Oracles an Java verletzt, hieß es in der elfseitigen Klageschrift, die der Datenbankspezialist vor einem Bezirksgericht in Kalifornien einreichte. Im Detail verstießen das Betriebssystem, die von Google entwickelte "Dalvik Java Virtual Machine" (JVM) sowie das Android Software Development Kit (SDK) gegen insgesamt sieben Oracle-Patente. Außerdem würden damit sämtliche mobilen Endgeräte, die unter Android liefen, Eigentumsrechte von Oracle verletzen.

In ihrer Klagebegründung bezeichneten die Oracle-Verantwortlichen die Java-Plattform als eine der wichtigsten Techniken, die der Konzern mit der Akquisition von Sun Microsystems übernommen habe. Java-Applikationen liefen unabhängig von Betriebssystem und Hardware auf einer Vielzahl unterschiedlicher Rechnerplattformen, vom Hochleistungs-Server bis hin zum Smartphone. Suns langjährige Entwicklungsbemühungen seien in zahlreichen Innovationen gemündet und hätten dem Hersteller damit eine beträchtliche Zahl an Patenten eingebracht. Java sei als mobiles Betriebssystem anzusehen, das in Konkurrenz zu Google Android stehe, argumentiert Oracle. Jedoch nutze Google Kerntechniken von Java, ohne dafür eine Lizenz zu besitzen.

Die Klage: Darum geht es

Der Streit dreht sich in erster Linie um die von Google entwickelte Java Virtual Machine (JVM) "Dalvik". Ein Teil von Dalvik ist das Programm "dx", das dafür sorgt, dass Java-Binärdateien (.class) in das Dalvik-Executable-Format ".dex" konvertiert werden. Dx fasst mehrere .class-Dateien in einer .dex-Datei zusammen und kümmert sich um die Optimierung des Speicherbedarfs. Letztendlich umgeht Google damit jedoch die kostenpflichtige Lizenzierung von J2ME, der mobilen Java-Variante. Oracle zufolge würden jedoch bei der Umwandlung des originären Java-Codes für die Google-eigene VM Java-Patente verletzt.

Aus Sicht des neuen Java-Eigentümers hätte Google die Rechtslage bezüglich der Java-Patente seit Langem bekannt sein müssen, zumal einige hochrangige Google-Manager in der Vergangenheit eng an der Java-Entwicklung beteiligt gewesen seien. Beispielsweise verantwortete der heutige Google-CEO Eric Schmidt bis zu seinem Wechsel zu Novell im Jahr 1997 die Java-Entwicklung bei Sun Microsystems. Auch der Schweizer Urs Hölzle, Senior Vice President of Operations bei Google, war als Mitbegründer von Animorphic Systems, das 1997 von Sun übernommen worden war, eng in die Entwicklung von Java involviert.