Schon seit längerem geht der Trend weg von Individual-Software hin zu Programmen von der Stange. Standard-Software von Microsoft, SAP oder Oracle deckt einen klar definierten Anwendungsbereich ab und wird als vorgefertigtes Produkt erworben. Das macht sie preiswert und spart Man-Power im Unternehmen.
Im Gegensatz dazu wird Individual-Software für den gezielten Unternehmenseinsatz in Eigenentwicklung programmiert. Vor allem in den sechziger, siebziger und teilweise achtziger Jahren war das die bevorzugte Methode der Software-Einführung. Heterogene, leistungsschwache IT-Landschaften führten dazu, dass auf Unternehmensbedürfnisse sehr individuell eingegangen werden musste. Abgesehen davon gab es auch kaum Alternativen zur Eigenlösung.
Individual-Software wird immer komplexer
Mit dem Wachstum der Unternehmen ist jedoch die Individual-Software immer ausufernder geworden. Mittlerweile sind Eigenentwicklungen so komplex, dass sie kaum mehr aufrecht zu erhalten sind. Neue Technologien wie eine Internet-Anbindung oder Java-Applikationen können gar nicht mehr oder nur mit großem Aufwand integriert werden.
Viele Unternehmen müssen zudem leidvoll feststellen, dass die Know-how-Träger der Eigenentwicklungen zunehmend das Rentenalter erreichen - und damit die Personaldecke immer dünner wird. "Wenn Sie niemanden mehr haben, der diese Applikationen warten kann, dann haben Sie ein Riesenproblem", sagt Wolfgang Schwab, Senior Advisor & Program Manager Efficient Infrastructure bei der Experton Group.
Der zunehmende Know-How-Mangel und die steigende Komplexität der Individual-Software treiben die Betriebskosten drastisch in die Höhe. "Die Wartungskosten, die eine Individual-Lösung nach sich zieht, sind relativ hoch", erklärt Wolfgang Schwab. "Und damit sind die Betriebskosten einer eigenen Lösung in aller Regel höher als die einer Standard-Lösung.".
Solche Überlegungen sind für viele Unternehmen der Auslöser, über einen Wechsel von Individual-Software hin zu Standard-Applikationen nachzudenken. Besonders die Kosten dürften dabei eine ausschlaggebende Rolle spielen. Bedenkt man, dass beispielsweise ein Standard-ERP-System nur etwa fünf bis zwanzig Prozent der Kosten einer individuellen ERP-Lösung ausmacht, ist dies ein schlagkräftiges Argument - wobei es immer einen Spagat zwischen Funktionserhalt und Ersparnis gibt. Dennoch: "Viele Unternehmen überlegen, ob sie die gleiche oder zumindest eine ähnliche Funktionalität einfacher und günstiger mit einer Standardlösung umsetzen können", sagt Experton-Analyst Schwab.
Standard-Software ist weniger fehleranfällig und schneller verfügbar
Neben geringeren Kosten punktet Standard-Software aber noch mit anderen Qualitäten. So sind häufig installierte Standard-Systeme wie etwa von SAP oder Oracle durch viele Anwender überprüft worden - und daher weniger fehleranfällig als individuelle Software. Und sie sind deutlich schneller verfügbar als Eigenlösungen, die erst zeitaufwändig entwickelt werden müssen.
Vor allem aber ist, im Gegensatz zu individuellen Software-Lösungen, kein großer Mitarbeiterstab zur Weiterentwicklung und Wartung des Systems mehr nötig. Statt dessen werden diese kostspieligen Aufgaben an den Software-Hersteller "outgesourct": Er garantiert die Weiterentwicklung des Produkts - der Anwender erhält im Rahmen von Wartungsverträgen lediglich aktuelle, fehlerbereinigte Releases. Nicht zuletzt deshalb haben sich für Unternehmen, die noch vor der Jahr-2000-Umstellung auf Software von der Stange gesetzt haben, die dadurch bedingten IT-Probleme in Grenzen gehalten. Ohne automatische Software-Updates hätte es bei der Jahr-2000-Umstellung und bei der Euro-Einführung sicherlich mehr Schwierigkeiten gegeben.
Mit dem Umstieg auf Standard-Software ist allerdings fast immer auch ein Hardware-Wechsel verbunden. Denn ältere Computer-Hardware, Betriebssysteme und Netzwerke werden den Anforderungen, die moderne Standard-Software stellt, nicht mehr gerecht.
Das gilt besonders für die Ablösung von Mainframe-Applikationen. "Wer eine Mainframe-Applikation hat, wird bestimmt keine Standard-Applikation auf dem Mainframe laufen lassen", erklärt Experton-Mann Schwab. "Die meisten stellen dann auf Unix bzw. Linux oder Windows um - und da braucht man entsprechend neue Hardware."