BITKOM und BKA

Jeder zweite Nutzer Opfer von Kriminalität im Netz

09.10.2009

Kein Netz der "guten Menschen" mehr

25 Jahre ist es her, dass die erste E-Mail an ein deutsches Postfach geschickt wurde. "Damals war das Internet ein Internet der 'Good Boys' (guten Menschen)", erinnert sich Hartmut Isselhorst vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Doch mit dem Siegeszug des neuen Kommunikationsmittels explodierte auch die Kriminalität im weltweiten Datennetz. Und die Täter werden immer gewiefter: "Wir haben es nicht mehr mit technikbegeisterten Einzeltätern zu tun, sondern mit Tätern und Gruppierungen, denen es um hohe Profite geht und die sehr professionell vorgehen", sagt BKA-Chef Ziercke.

Mindestens 69 Prozent der deutschen Haushalte haben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mittlerweile einen Internetzugang. Eine ganze Reihe von Nutzern kaufen bequem Waren und Dienstleistungen im Netz ein oder erledigen ihre Bankgeschäfte von zu Hause aus. Soziale Netzwerke, Online-Aktiendepots oder Reiseportale: Das Internet ist im Leben der meisten Menschen nicht mehr wegzudenken. Doch viele Bürger sind nach Einschätzung von Experten immer noch zu blauäugig im Netz unterwegs, tippen ihre Passwörter ein, wenn sie dazu aufgefordert werden, verzichten auf Antiviren-Programme oder Firewalls oder wählen den Namen der Ehefrau als Passwort. Oder sie aktualisieren ihre Software nicht und bieten den Tätern damit Sicherheitslücken.

Zu einem Schwerpunkt der Internet-Kriminalität hat sich laut Ziercke das Phishing entwickelt. Dabei erschleichen sich die Täter die Zugangsdaten vor allem zu Online-Bankkonten, indem sie den Nutzern eine gefälschte Eingabemaske unterschieben, um das Konto zu plündern. "Für mich ist Phishing der Bankraub des digitalen Zeitalters", sagt der BKA-Präsident. Zwar haben die Banken mit Verfahren, die sie auch weiterentwickeln, auf die kriminellen Machenschaften reagiert. Die Zahl der gemeldeten Fälle waren dann auch für 2008 in Deutschland rückläufig. Doch im ersten Halbjahr 2009 holten die Kriminellen wieder auf. Die Täter räumen zudem nicht mehr nur das Konto ab, sondern veranlassen Überweisungen unter falschem Namen, um Waren einzukaufen.

Beliebt ist unter Kriminellen auch, Computer zu "kapern" und sie in sogenannten Botnetzen vom Besitzer unbemerkt fernzusteuern. Laut Ziercke gibt es Schätzungen, wonach weltweit mehr als zwölf Millionen Computer betroffen sind. "Die Anzahl der täglich eingesetzten ferngesteuerten 'Zombie-PCs' in Deutschland beträgt durchschnittlich 350.000", sagt er. Auf einigen Computern, die die Polizei sichergestellt habe, hätten sich bis zu 40 Trojaner, also bösartige Programme, die im Hintergrund arbeiten, befunden. Die meisten dieser Computer leiten laut Ziercke persönliche Daten weiter oder dienen Kriminellen als "Werkzeug", beispielsweise zur Verteilung weiterer schädlicher Software.

So sei Ende April ein Fall aufgetaucht, bei dem 1,9 Millionen infizierte Rechner aus 77 verschiedenen Ländern aus der Ukraine ferngesteuert wurden. Die Täter konnten laut Ziercke E-Mails und Tastatureingaben mitlesen und ohne Wissen der PC-Besitzer Webseiten besuchen. Dieter Kempf vom Branchenverband BITKOM meint dennoch, dass all diese Fälle kein Grund sind, das Internet wieder komplett aus dem Leben zu verbannen. "Vielmehr gilt es, sich im Internet aufmerksam zu verhalten und den Rechner richtig (mit Anti-Virenprogrammen und Firewalls) auszustatten." (dpa/tc)