Microsoft steht nach Vista-Start vor neuen Herausforderungen

24.01.2007
Für Microsoft steht in diesen Wochen und Monaten viel auf dem Spiel. Nach fünf Jahren bringt der Softwaregigant sein neues Betriebssystem Windows Vista für die breite Masse der Computeranwender auf den Markt.

Gleichzeitig erneuert Microsoft sein Office-Paket grundlegend, so dass sich die beiden wichtigsten Produkte des Konzerns neu am Markt behaupten müssen.

Im jüngsten Finanzjahr 2006 machten Windows und Office mehr als die Hälfte des Microsoft-Umsatzes (44,3 Milliarden Dollar) aus. Mit dem Betriebssystem nahm Microsoft 13,2 Milliarden Dollar ein, mit Office rund zehn Milliarden Dollar. Der Gewinn des Konzerns von 16,5 Milliarden Dollar speist sich fast ausschließlich aus den beiden Hauptprodukten - während Aktivitäten wie die Spielekonsole Xbox oder der neue Musikplayer Zune rote Zahlen schreiben.

Viele Geschäftskunden von Microsoft, die bereits seit Ende November auf Vista zugreifen können, lassen sich erfahrungsgemäß einige Monate Zeit, bevor sie auf ein neues Windows-System umsteigen. Gleichwohl geht David Smith vom Marktforschungsunternehmen Gartner davon aus, dass der Durchbruch von Vista nicht zu lange auf sich warten lässt: "In 18 Monaten wird die Mehrheit der Business-Computer unter Vista laufen."

Wagemutiger beim Einsatz neuer Software waren in der Vergangenheit die privaten Computeranwender, die Microsoft diesmal aber vor Weihnachten nicht beliefern konnte. Unter den Millionen Windows- Nutzern gibt es etliche, die händeringend auf die Neuerungen des Systems warten. Dazu gehören der neue Grafikstandard DirectX 10 oder die grunderneuerte Oberfläche "Aero", mit der Microsoft die Lücke zum modernen Betriebssystem des Apple Macintosh (Mac OS X) schließen will.

Da im Laufe der Vista-Entwicklung aber viele zunächst ins Auge gefassten Erneuerungen gestrichen wurden, wird sich bei vielen Anwendern die Begeisterung im Rahmen halten. "Was übrig blieb, ist ein werthaltiges, aber weitgehend unspannendes Produkt" fasst Walt Mossberg, Kolumnist des "Wall Street Journal", sein Urteil über Vista zusammen.

Das Gros der privaten Computerbesitzer wird den Umstieg auf Windows Vista wohl erst mit dem Neukauf eines PCs vollziehen. Die meisten älteren Rechner sind nämlich für einen Umstieg auf Vista nicht geeignet. Vom 30. Januar an werden fast alle neuen Windows-PCs in den Läden mit Vista ausgestattet sein, so dass in den kommenden Monaten der Umstieg auf Vista fast automatisch - und in kleinen Schritten - erfolgt.

In der Konzernzentrale in Redmond machen sich unterdessen der neue Chief Software Architect Ray Ozzie und sein Team Gedanken, wie künftige Generationen von Windows aussehen können und mit welchen Angeboten außerhalb von Windows und Office Microsoft künftig sein Geld verdienen kann. Dabei sollen vor allem Dienste, die über das Internet zur Verfügung gestellt werden, eine wichtige Rolle spielen. Außerdem will Microsoft dem Suchmaschinengiganten Google Anteile am Markt der Onlinewerbung abknüpfen.

Die jüngsten Investitionen in den Online-Sektor zeigten für Microsoft aber noch nicht den erwünschten Erfolg: Bei den jüngsten Erhebungen des Marktforschungsinstituts Nielsen/NetRatings sank der Anteil von Microsoft bei der Websuche im November 2006 auf magere 8,2 Prozent, nachdem zum Start der MSN-Suche vor zwei Jahren noch rund 14 Prozent für Microsoft gemessen wurde. Fast jede zweite Suche (49,5 Prozent) lief zuletzt über Google - Tendenz steigend. Yahoo erledigte immerhin rund ein Viertel aller Suchanfragen (24,3 Prozent) und setzte sich damit ebenfalls klar vor Microsoft.

Startschuss für Windows Vista - Microsofts "großer Wurf" nach Jahren

Das neue Windows-Betriebssystem war eine schwere Geburt - und längst überfällig. Mit Windows Vista kommt am 30. Januar nach mehr als fünf Jahren Entwicklungszeit und zahlreichen Verspätungen erstmals ein Nachfolger des betagten Windows XP auf den Markt. Das Softwarepaket ist eine komplette Neuentwicklung und für Microsoft die wichtigste neue Produkt seit Jahren.

Den offiziellen Startschuss für Vista und das zeitgleich erscheinende Programmpaket Office 2007 will Microsoft am 29. Januar überall auf der Welt feiern. In New York soll eine der größten Partys steigen, zu der auch Unternehmensgründer Bill Gates aus Redmond einfliegen wird. Doch dass Vista sofort reißenden Absatz finden und Computernutzer die Geschäfte stürmen werden, bezweifeln sowohl Experten als auch Microsoft selbst. Immerhin ist der Speicherhunger des neuen Microsoft-Produktpakets im Vergleich zu früheren Betriebssystemen und selbst zu aktueller Software immens. Das Gros der in den europäischen Haushalten stehenden Rechner dürfte diese Last kaum bewältigen.

Das weit überwiegende Hauptgeschäft werde Microsoft im ersten Jahr über neu verkaufte Personal Computer machen, schätzt denn auch Microsoft-Manager Jim Allchin, der zusammen mit Kevin Johnson für Windows verantwortlich ist. Nach Hochrechnungen der Marktforscher von IDC dürften in diesem Jahr aber immerhin 90 Prozent aller verkauften PCs mit einer Home-Edition von Windows Vista ausgestattet sein. Die PC-Hersteller würden sich über mehr Absatz besonders freuen, war doch durch die jüngste Verschiebung des Vista-Starts auf Ende Januar ein Boom im sonst so lukrativen Weihnachtsgeschäft ausgeblieben.

Auch in den kommenden Monaten werde sich Vista aber nur langsam auf die Absatzzahlen der PC- und Halbleiterindustrie auswirken, schätzt Hannes Schwaderer, Deutschland-Chef von Intel. Es gebe natürlich ausgeprägte Technik-Enthusiasten. Die Auswirkungen im Consumer-Geschäft würden sich jedoch nur im einstelligen Bereich bewegen. "Viele Konsumenten werden erst einmal abwarten, wie stabil die Software ist." Und das Geschäft mit Unternehmenskunden habe bereits gezeigt, dass die Firmen bei ihren normalen PC-Ersatz-Zyklen blieben.

Vista will mit mehreren tausend Funktionen und einer komplett überarbeiteten grafischen Oberfläche mit dem Namen "Aero" für eine schnellere und optisch vereinfachte Verwaltung und Nutzung von Daten verschiedenster Art sorgen. Eine der augenfälligsten Neuerungen sind die neuen, transparent gehaltenen Fenster, die einen besseren Überblick über geöffnete Dokumente verschaffen sollen. Mit "Flip 3D" werden die Fenster auch in dreidimensionaler Ansicht dargestellt. Auf der Bildschirmoberfläche kann sich der Nutzer eine Sidebar mit regelmäßig benötigten Applikationen wie einer analogen Uhr, der aktuellen Wettervorhersage oder einem Kalender anlegen.

Wesentliche Neuerungen hat Microsoft der Sicherheit gewidmet. Mit neuen Schutzfunktionen gegen Spionagesoftware, Phishing-Mails und Computerviren sowie individuell einstellbaren Zugangsbeschränkungen für Kinder soll Vista nach Versprechen von Microsoft das sicherste Betriebssystem sein, das es je gab. Auch die Suche nach Dokumenten oder Programmen soll Vista erheblich vereinfachen. So muss man zum Beispiel nicht mehr den exakten Namen eines Dokuments oder einer Bilddatei wissen, sondern kann nach einem beliebigen Begriff innerhalb des Dokuments suchen. Auch die Kommunikation mit anderen Geräten wie Organizer, Handy oder MP3-Player soll mit Hilfe des Vista-Synchronisations-Centers zum Kinderspiel werden.

So viele Neuerungen benötigen eine Menge Rechenleistung: Als absolute Grundausstattung für Vista empfiehlt Microsoft neben einer schnellen Grafikkarte einen Arbeitsspeicher von 512 Megabyte. Will der Kunde nicht auf die Benutzeroberfläche Aero verzichten, benötigt er einen PC mit mindestens einem Gigabyte Arbeitsspeicher und einen mindestens ein Gigahertz schnellen Prozessor. An Festplattenkapazität sollten für eine reibungslose Arbeit 40 Gigabyte frei verfügbar sein, rät die Fachzeitschrift "c't". Immerhin lässt sich ein Rechner auch mit einem kleinen Trick künstlich aufpeppen: Über Windows ReadyBoost lässt sich auch ein USB-Stick als externer Zwischenspeicher nutzen, der schneller als die Festplatte ist.

Vista kommt in insgesamt fünf verschiedenen Ausführungen sowohl für den privaten als auch den professionellen Einsatz auf den Markt. Die Preise variieren für die Upgrades und Vollversionen zwischen rund 119 Euro (Upgrade Vista Home Basic) und 499 Euro (Vollversion Vista Ultimate).

Windows Vista soll den PC sicher machen - Ärger mit den Spezialisten

"Windows Vista ist von Grund auf sicher." Ray Ozzie, der neue Chef-Softwarearchitekt von Microsoft, zeigt auf den ersten Blick keinerlei Zweifel, wenn er auf mögliche Sicherheitslücken im neuen Betriebssystem angesprochen wird. In einer ruhigen Minute räumt aber selbst der Nachfolger von Bill Gates auf dem Posten ein, dass es sich bei Windows Vista natürlich um eine Software handele, in der Fehler auftauchen könnten. Doch auch unabhängige Experten sehen Microsoft auf dem richtigen Weg.

"Windows Vista macht in Sachen Sicherheit einen Schritt in die richtige Richtung", sagt Axel Vahldiek, Vista-Fachmann der Computerzeitschrift "c't". "Ob sich die Sicherheitsfeatures in der Praxis bewähren, bleibt aber abzuwarten." "Es besteht kein Zweifel, dass Vista Microsofts sicherstes Betriebssystem ist", urteilt Natalie Lambert, Analystin des Marktforschungsunternehmens Forrester. "Aber 'am sichersten' ist nicht gleichbedeutend mit sicher."

Windows XP und die älteren Versionen von Windows waren vor allem gegenüber Attacken aus dem Internet extrem anfällig. Erst mit dem Service Pack 2 (SP2) für Windows XP stopften die Microsoft- Programmierer die größten Löcher. Doch auch das SP2 konnte nicht verhindern, dass weltweit hunderttausende unzureichend geschützte Windows-Rechner von Internet-Kriminellen ausgespäht und als infizierte "Zombies" für Netzwerkattacken oder das Versenden von unerwünschten Werbemails (Spam) missbraucht wurden.

Damit soll bei Windows Vista nun Schluss sein. Das System achtet zum einen viel präziser darauf, dass möglichst nur zugelassene Software auf dem Rechner installiert wird. Eine runderneuerte Firewall kontrolliert den ein- und ausgehenden Netzverkehr und blockiert verdächtige Datenbewegungen ab. Außerdem soll der "Windows Defender" so genannte Spyware entlarven, mit der dubiose Werbetreibende im Internet und Kriminelle versuchen, die Internet-Anwender auszuspähen.

Ein wichtiger Baustein in der Schutzwand muss aber von den Microsoft-Kunden hinzugekauft werden, denn Windows Vista wird ohne einen dauerhaften Virenschutz ausgeliefert. In diesem Markt dominieren bislang Anbieter wie Symantec, McAfee und Kaspersky. Mit "Windows Live OneCare" steigt Microsoft nun selbst in das Geschäft ein und löste bei den Wettbewerbern im vergangenen Herbst eine Welle der Beschwerden aus.

Vor allem Symantec und McAfee warfen dem Softwaregiganten mangelnde Kooperation vor. Informationen zu bestimmten Schnittstellen (APIs) und dem Kernel von Vista benötigen die Hersteller, um ihre Schutzsoftware optimal an das neue Betriebssystem anzupassen und ihre Software weiterzuentwickeln. Diese Informationen halte Microsoft jedoch bewusst zurück, warfen die Wettbewerber dem Redmonder Riesen vor.

"Die großen Hersteller haben jahrelange Erfahrungen mit Sicherheitssoftware, die Microsoft überhaupt nicht besitzt", sagte George Heron, Chefwissenschaftler von McAfee. Man begrüße Microsofts Initiativen im Sicherheitsbereich durchaus. "Aber wir erwarten, dass sie fair spielen." Nach wiederholten massiven Beschwerden auch vor der EU-Kommission hat sich die Lage inzwischen zumindest teilweise entspannt. Rechtzeitig zum Verkaufsstart von Vista am 30. Januar haben alle großen Hersteller ihre neuen Antiviren-Pakete für Vista auf dem Markt.

Geschichte: Das Betriebssystem Windows

Mit seiner Windows-Familie blickt Microsoft auf eine lange Erfolgsgeschichte zurück. Die erste Version 1.0 des Betriebssystems kam im Jahr 1985 auf den Markt. Damit bot Microsoft auch Besitzern von so genannten IBM-kompatiblen Personal Computern erstmals eine grafische Benutzeroberfläche. Zuvor war die einfache Navigation mit der Maus und die Darstellung von Dateien als Icons auf der Bildschirmoberfläche Nutzern von Apple-Computern oder Rechnern wie Atari und Commodore Amiga vorbehalten.

Nennenswerten Erfolg erzielte Microsoft allerdings erst mit der Version 3.0 von Windows, die 1990 veröffentlicht wurde. Mit Windows 95 baute der Softwaregigant schließlich 1995 seine starke Marktposition aus und untermauerte sein inzwischen entstandenes Quasi-Monopol. Für Unternehmenskunden kam zuvor (1993) erstmals eine Windows-NT-Version auf den Markt, die Microsoft ursprünglich gemeinsam mit IBM entwickelt hatte. Nach einem Streit vermarktete IBM seine Betriebssystem-Variante unter dem Namen OS/2, hatte damit allerdings weit weniger Erfolg als Microsoft mit Windows NT.

Heute läuft Microsofts Betriebssystem Windows auf weit über 90 Prozent aller Personal Computer weltweit. Auch Alternativen wie etwa das freie Betriebssystem Linux hatten bislang an der überwältigenden Markstellung von Windows nichts ändern können. Nur im Server-Markt spielt Linux eine nennenswerte Rolle.

Für die Entwicklung des neuen Windows Vista hatte sich das Unternehmen die längste Entwicklungszeit in der Firmengeschichte geleistet. Zwischenzeitlich musste Microsoft große Sicherheitslücken in Windows XP stopfen. Nach mehr als fünf Jahren löst am 30. Januar das unter dem Codenamen "Longhorn" entwickelte Betriebssystem Windows Vista seinen Vorgänger nun ab.

Konkurrenzangebote zu Windows Vista

Windows dominiert mit einem Anteil von über 90 Prozent den Markt der Personal Computer. Doch konkurrenzlos ist das Microsoft-Flaggschiff damit nicht. Insbesondere das freie Betriebssystem Linux und das Apple-System Mac OS werden von zahlreichen Computeranwendern als Alternative eingesetzt und geschätzt.

Das vom Finnen Linus Torvalds ins Leben gerufene offene System Linux macht Microsoft im Serverbereich inzwischen ernsthafte Konkurrenz. Bei den üblichen Desktop-PCs spielt das System mit dem Pinguin-Maskottchen aber bislang nur eine kleine Außenseiterrolle. "Wer mit E-Mail, Browser und einem Office-Paket zufrieden ist, kann problemlos unter Linux glücklich werden", schreibt Chris Schläger, einer der Entwickler der Linux-Oberfläche KDE. Allerdings seien bestimmte Spiele, Multimedia-Anwendungen und andere Programme aus der Windows-Welt unter Linux nicht verfügbar, räumt Schläger ein. Außerdem machten etliche Hardwarehersteller den Linux-Anwendern das Leben schwer, da die notwendigen Treiber nicht mitgeliefert würden.

Probleme mit Hardware-Treibern oder Multimedia-Programmen spielen beim Mac OS von Apple kaum eine Rolle, denn die Macintosh-Rechner bieten vor allem beim "Digital Lifestyle" eine echte Alternative zu Windows. Beim Look and Feel von Windows Vista haben sich die Microsoft-Entwickler sogar weitgehend am Vorbild Mac OS orientiert. Nur bei Computerspielen und einigen Spezialprogrammen hinkt das Apple-System hinter Windows her. Der Erfolg des Musikplayers iPod von Apple hat in den vergangenen Monaten viele Windows-Anwender zum Umstieg auf einen Macintosh-Rechner bewegt. Da Apple bei der Aufholjagd jedoch von einem sehr niedrigen Ausgangsniveau gestartet ist, hat Mac OS noch nicht die Schwelle von fünf Prozent Marktanteil weltweit genommen.

Der hartnäckigste Konkurrent von Microsoft kommt aus dem eigenen Haus. Unzählige Windows-Anwender sind mit ihrem alten System eigentlich ganz zufrieden und befürchten, dass bei einem Umstieg auf das neue Windows Vista bestimmte Programme nicht mehr laufen, die bislang gut funktionieren. Daher wird sich Microsoft vermutlich in der Werbung für Vista darauf konzentrieren, die Verbesserungen gegenüber den Vorgängerversionen herauszuarbeiten. (dpa/tc)