Citrix treibt Virtualisierung auf die Spitze

09.11.2006
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Wolfgang Miedl arbeitet Autor und Berater mit Schwerpunkt IT und Business. Daneben publiziert er auf der Website Sharepoint360.de regelmäßig rund um Microsoft SharePoint, Office und Social Collaboration.
Auf der Kundenkonferenz Iforum stellte Citrix sein Konzept "Dynamic Desktop" vor: Dank mehrerer Virtualisierungstechniken sollen damit endlich die Unzulänglichkeiten von Thin Clients verschwinden.

Citrix-Chef Mark Templeton ist eigentlich ein eher dezenter Typ, der mehr zu guten Argumenten neigt als zum branchenüblichen Marketing-Getöse. Sein schelmisches Lächeln konnte er aber während seiner Keynote-Ansprache zur diesjährigen Kundenkonferenz Iforum in Orlando, Florida, nicht verbergen, als er den 3500 Teilnehmern vorführte, wie eine wirklich schnelle Migration von Windows Vista vonstatten gehen kann: "Wir zeigen Ihnen, wie Sie ei- nen XP-Desktop in 30 Sekunden auf Vista migrieren", kündigte der Citrix-CEO an, um anschließend tatsächlich einen kompletten Systemwechsel im Eiltempo zu demonstrieren. Der Showeffekt gelang, und Templeton schob sogleich die triumphierende Kernbotschaft nach: "Microsoft braucht Citrix, um den anstehenden Vista-Rollout in großen Organisationen zu meistern."

Hinter dieser Vorführung steckt das Projekt "Trinity" - es handelt sich dabei um eine von mehreren Neuerungen, die für eine technische Neuausrichtung von Citrix stehen. Vereinfacht gesagt bedeutet Trinity die Dreieinigkeit unterschiedlicher Desktop-Bereitstellungstechniken. Die erste davon basiert auf dem altbekannten Citrix-Prinzip der Server-basierenden Windows-Desktops und -Anwendungen.

Desktop-Delivery

Linux-Themen fehlten auf dem diesjährigen Citrix-Iforum.
Linux-Themen fehlten auf dem diesjährigen Citrix-Iforum.

Citrix nennt das neuerdings auch Virtualisierung und fragt - nicht ganz zu unrecht: "Wer hat’s erfunden?" Die beiden neuen Varianten des "Desktop-Delivery" markieren einen historischen Schnitt: Anstelle eines Terminal-Servers, den sich bis zu 500 Benutzer teilen müssen, führt man nun individuelle Systeminstanzen ein, die jedem Benutzer einen eigenständigen, aber gehosteten Windows-PC zur Verfügung stellen. Der Bedarf danach dürfte groß sein, denn bei klassischen Büroanwendern gilt der Terminal-Server bis heute als Spaßbremse.

Citrix verspricht mit Trinity eine skalierbare Client-Umgebung, die sich den Leistungsanforderungen des Benutzers anpasst, indem dieser beim Login je nach Bedarf auf eine von drei Bereitstellungstechniken geschaltet wird. Im Fall von Lowend-Ansprüchen wie etwa in Call-Centern verteilt wie gehabt der "Presentation Server" die Desktop-Software an die Arbeitsplätze.

Terminalprinzip bleibt gewahrt

Die mittlere Variante beruht hingegen auf virtueller Maschinentechnik (wahlweise VMware, Xensource oder Virtual PC). Auf einem Server lässt sich so eine größere Zahl an eigenständigen Windows-XP-Instanzen installieren. Sind die Leistungsansprüche noch höher, kommen in der Highend-Ausführung exklusiv Blade-PCs im Server-Rack zum Einsatz. Das Terminal-Grundprinzip bleibt in beiden Szenarien gewahrt, wobei aber anstelle des integrierten Remote-Desktop-Features von Windows XP das Citrix-eigene, effizientere ICA-Protokoll verwendet wird. Die Kernkomponente von Trinity ist der "Desktop Broker", der für das Routing der Benutzer sowie das Management der Multi-Client-Umgebung zuständig ist. Citrix spricht in diesem Zusammenhang auch von lose gekoppelten Systemen, da der Benutzer je nach Arbeitssituation und Bedarf sein individuelles Windows aus einer der drei Server-Umgebungen beziehen kann.

Der von Templeton vorgeführte Vista-"Migrationszauber" ist vor diesem Hintergrund schnell erklärt: Der Anwender arbeitet in einem mittels VMware bereitgestellten XP-Image. Anwendungen, Daten und Einstellungen sind vom System entkoppelt, indem unter anderem die Citrix-eigene Virtualisierungstechnik "Tarpon" benutzt wird.

Was ist ein Thin Client?

Thin Clients galten lange Zeit als Antipoden des Fat-Client-PC mit Windows: Ein minimales, wartungsfreies Embedded-System steuert an Industrie- und Büro-Arbeitsplätzen ein Terminal, wobei der Desktop und die Anwendungen aus der sprichwörtlichen (LAN-)Steckdose kommen. Mittlerweile verschmelzen jedoch Thin-Client- und PC-Technik immer mehr. Auf dem Iforum stellte die Firma VXL beispielsweise einen Hybrid-Client vor, der mit einem lüfterlosen VIA C7-Prozessor mit einem Megahertz Taktrate ausgestattet ist und in seinem Flash-ROM-Speicher das Windows-Derivat Windows XP Embedded beherbergt. Unternehmen können auf diese Weise leistungshungrige Anwendungen lokal bereitstellen, während sich geschäftskritische Software vom Terminal-Server aus über ein Citrix-Fenster publizieren lässt.