Microsoft schürt Rätselraten um den Erscheinungstermin von Vista

02.12.2005
Nachdem im Oktober der Zeitplan für das kommende Microsoft-Betriebssystem noch klar vorgezeichnet schien, zeichnen sich nun Verzögerungen und Unsicherheiten an.

Anfang Oktober hatten die Microsoft-Verantwortlichen noch klare Vorstellungen darüber, wann der Windows-XP-Nachfolger "Vista" in die Läden kommen und wie die Roadmap der weiteren Beta-Versionen aussehen soll. In einer Präsentation von Maurice Martin, Leiter der Developer and Platform Group von Microsoft in Irland, hieß es gegenüber Partnern noch, Vista Beta 2 werde im Dezember 2005 herauskommen. Der Start des "Final Release" sei für Sommer 2006 geplant.

Nun hören sich die Aussagen der Microsoft-Verantwortlichen dagegen deutlich vorsichtiger an. Zunächst teilte der Konzern mit, die Beta-2-Version werde Anfang kommenden Jahres erscheinen (siehe auch: Vollständige Beta von Windows Vista steht vor der Tür). Amitabh Srivastava, Vice President in Microsofts Windows-Sparte, behauptete darauf anlässlich einer Telefonkonferenz Ende November, Microsoft könne sich nicht festlegen, wann die Beta-2-Version von Vista freigegeben werde. Anfang kommenden Jahres werde das Unternehmen sagen können, wann die zweite Beta-Variante des kommenden Windows-Systems zu erwarten sei. Die endgültige Fassung von Vista werde voraussichtlich in der zweiten Hälfte 2006 herauskommen, kündigte Srivastava an, und relativierte damit die Prognose zum Sommer des kommenden Jahres.

Experten mutmaßen bereits, die Entwicklung von Vista sei in den letzten Runden ins Stolpern gekommen. Beleg dafür seien Unregelmäßigkeiten in der Herausgabe von Community Technology Previews (CTP). Mit diesem im September von Microsoft aufgelegten Programm will der Softwarehersteller Feedback von Beta-Testern über den Entwicklungsstatus von Vista sammeln (siehe auch: Microsoft gibt bei Testversionen Gas). Im Rahmen des CTP-Programms sollte ursprünglich jeden Monat ein neues überarbeitetes Code-Release herauskommen. Doch schon die November-Version fiel aus. Ein Release für Dezember sei geplant, versicherte Srivastava. Welche zusätzlichen Features dies enthalten werde, vermochte er jedoch nicht zu sagen. Die Entwicklung werde von Qualitätsansprüchen getrieben und nicht vom Kalender, wischte der Microsoft-Manager jede Kritik an den veränderten Plänen beiseite.

"Es ist eigentlich zu spät im Entwicklungsprozess, als dass es noch Unsicherheiten bezüglich der Erscheinungstermine geben dürfte", moniert indes Joe Wilcox, Analyst von Jupiter Research. Gerade Partner, die Software und Rechner entwickelten, müssten über den Status des künftigen Microsoft-Systems Bescheid wissen, um die eigenen Entwicklungspläne danach auszurichten. Die jüngsten Aussagen aus der Konzernzentrale in Redmond hätten jedoch einige Unsicherheit über den aktuellen Stand von Vista im Markt geschürt.

Neben den Partnern drängen auch die Kunden auf definitive Aussagen zum künftigen Zeitplan, berichtet Wilcox. Bei vielen Anwendern stünden aufgrund der Upgrade-Zyklen derzeit Investitionsentscheidungen an. Eine Beta-2-Version von Vista im Dezember wäre ein positives Signal gewesen. Verzögerungen könnten dafür sorgen, dass Anwender Investitionen und Upgrades erst einmal auf Eis legten.

Auch wenn der Großteil der Unternehmensnutzer in aller Regel nicht sofort auf ein neues Betriebssystem migriert, sondern zunächst das erste Service-Pack abwartet, benötigen diese Firmen nichtsdestotrotz einen belastbaren Zeitplan für ihre Investitionsvorhaben, die meist Monate im voraus beantragt und abgesegnet werden müssen (siehe auch: Windows Vista nicht vor 2008 einführen). Mit den Unsicherheiten dürfte der Ärger mancher Microsoft-Kunden noch größer werden. Viele Unternehmenskunden, die in der Vergangenheit einen Software-Assurance-Vertrag mit Microsoft geschlossen hatten, hätten während der dreijährigen Laufzeit kein einziges Upgrade als Gegenleistung erhalten, berichtet David Bradshaw, Analyst von Ovum (siehe auch: Mit Software Assurance oft teurer als ohne). Eine Reihe von Kunden hätten daraufhin schon ihre Verträge mit Microsoft gekündigt beziehungsweise nicht verlängert, weil sie keinen Wert darin gesehen hätten, ergänzt sein Analysten-Kollege Michael Silver von Gartner. (ba)