Web

US-Medien

Geschäftsmodell verzweifelt gesucht

11.08.2009

Hoffnungen ruhen auf "Freemium" und Micropayments

Die meisten Hoffnungen ruhen auf dem Web, wo der Erfolg kaum Schritt hält mit den Erlösen. Viel erwägen nun mit Micropayments - also Kleinstgebühren für einzelne Beiträge oder Videos - die Einnahmen zu erhöhen. Das neue Zauberwort der US-Branche heißt "Freemium" und bedeutet eine Mischung aus einem reichhaltigen kostenlosen Angebot und einem kleinen Teil hochwertigen "Premium"-Materials, das bestimmte Zielgruppen im Auge hat - und das etwas kostet.

Das Freemium-System garantiert zwar, dass noch viele User die kostenlosen Web-Portale besuchen und damit auch die Werbeerlöse einigermaßen hoch gehalten werden können. Gleichzeitig hat es kostenpflichtige Edel-Nischen, in denen zusätzlich Geld verdient wird. Der Chefredakteur des Magazins "Wired", Chris Anderson, meinte zwar, dass sich Freemium nur Qualitätsmedien leisten könnten. Aber auch Regionalblätter diskutieren Möglichkeiten, exklusives oder besonders begehrtes Material (beispielsweise aus dem Regionalsport) als "Premium"-Produkt zu offerieren.

Die Verunsicherung der Branche ist offensichtlich. Medien-Tycoon Rupert Murdoch, der 2006 noch spöttisch US-Verlegern vorgehalten hatte, "die Internet-Revolution verschlafen" zu haben und "Nischenblätter für Senioren" zu produzieren, wirkt nun selbst ratlos. Als er 2007 das "Wall Street Journal" erwarb, wollte er die kostenpflichtige Online-Nutzung der Zeitung trotz des ungewöhnlichen Erfolgs mit einer Million Abonnenten künftig umsonst anbieten. Nun hat er - angesichts herber Verluste - verkündet, dass in seinem gesamten Medienimperium auch im Netz für Inhalte bezahlt werden soll. "Qualitätsjournalismus ist nicht billig", konzediert Murdoch.

Die US-Verleger schauen besonders auf die altehrwürdige "New York Times", oft als "beste Zeitung der Welt" gerühmt. Auch sie kämpft ums Überleben, was aber nicht nur mit der Krise, sondern auch mit manch hausgemachter Fehlentscheidung zu tun zu haben scheint. Fieberhaft sucht der Verlag jetzt nach neuen Erlösquellen. Nur wenige glauben, dass das kürzlich vorgestellte, auch für Zeitungen gedachte digitale Lesegerät "Kindle DX" des weltgrößten Online-Einzelhändlers Amazon.com wirklich nennenswerten Markterfolg bringen kann.

Vor allem im Internet will das Traditionshaus mehr verdienen - obwohl schon zwei Versuche kostenpflichtiger Angebote gescheitert sind. Noch wird nach der richtigen Marketing-Strategie gesucht. Zunächst offeriert die "New York Times" ein "Mini-Abo" für fünfzehn Dollar monatlich, für die man täglich die Zeitung auf den Computer herunterladen kann. Wie tief der Pessimismus der Branche sitzt, zeigen Überlegungen des geschäftsführenden "NYT"-Redakteurs Craig Whitney, der glaubt, Mäzene oder Stiftungen könnten vielleicht den aufwendigen Journalismus des Blattes finanzieren, das noch immer rund 1400 Journalisten unter Vertrag hat.

Inzwischen gibt es im Land der Mäzene, ohne die viele Universitäten, Museen und Wohlfahrtsorganisationen gar nicht leben könnten, auch im Medienbereich marktfremde Finanzierung. Die von der reichen Sandler-Familie finanzierte, gemeinnützige "ProPublica.org" ist mit einem Angebot an hintergründigen und investigativen Berichten erfolgreich. Und auf der neuen Webseite "Spot.Us" werben US-Journalisten um Spenden, um Geschichten und Recherchen finanzieren zu können.

Das widersprüchliche Stimmengewirr von Medienmanagern und Verlegern über Wege aus der Krise belegt, dass es noch keine schlüssige Antwort auf den dramatischen Strukturwandel gibt. Viele fürchten, dass es nicht nur um einen der üblichen und schmerzhaften Markt-Anpassungen einer Branche geht, wie das in den vergangenen 250 Jahren Kapitalismus immer wieder der Fall war. Die Sorge wächst, dass die Krise der Zeitungen auch den seriösen Journalismus bedroht - und damit die Kontrollfunktion der "vierten Gewalt" in der Demokratie in Frage stellt. CBS-Legende Dan Rather forderte jetzt sogar, dass Präsident Barack Obama eine Kommission zur Rettung des Journalismus in den USA einsetzen solle.