Rund 150 Jahre, nachdem Johann Philipp Reis im Rahmen eines Vortrags "Über die Fortpflanzung von Tönen auf beliebige Entfernungen durch Vermittlung des galvanischen Stroms" das erste funktionierende "Telephon" vorführte, scheinen dessen Tage gezählt zu sein. Vorbei die Zeiten, in denen die Bedeutung eines Mitarbeiters an der Zahl und Breite der Zusatzmodule seines Tischtelefons abgelesen werden konnte. Denn wenn die Telefonie in nicht allzu ferner Zukunft als eine App unter vielen aus der Cloud kommt, reicht theoretisch ein Headset auf dem Schreibtisch. Oder eines der immer beliebteren Smartphones ersetzt den Telefonapparat.
Während die Veränderungen auf dem Schreibtisch in Form neuer Geräte sofort ersichtlich sind, zeigen sich fast noch gravierendere Umwälzungen im Backend erst im Arbeitsalltag: Egal ob Telefonat, Videokonferenz, CRM-Abfrage, Powerpoint-Präsentation oder E-Mail - der moderne Benutzer benötigt für alle diese Anwendungen nur noch ein Endgerät. Damit scheint die mit VoIP propagierte Verschmelzung von IT- und TK-Welt endlich Realität zu werden.
Revolution der Kommunikation
Stand anfangs nur das Zusammenwachsen von Daten- und Sprachnetz auf der Agenda, verschmelzen nun die Anwendungen miteinander. Dabei führen die Kommunika-tionsterminals nun echte Anwendungen - neudeutsch Apps - aus und listen nicht nur Web-Inhalte auf wie die seit längerem gebräuchlichen XML-fähigen Telefone. Für Alcatel-Lucent-Manager René Princz-Schelter stehen Anwender und TK-Anbieter vor großen Umwälzungen, wenn intelligente Kommunikationsterminals Einzug halten und etwa mit Hilfe von Apps die Stimmlage während eines Telefonats darauf analysieren, ob der Sprecher freundlich, interessiert, verärgert oder gelangweilt klingt - und dies per Icon auf dem Multitouch-Display mitteilen.
Ist das nur Phantasie oder eine unumkehrbare Entwicklung, wie manche Hersteller behaupten? "Die Tage des klassischen Telefons sind bereits seit langem gezählt - auch wenn es auf den Büroschreibtischen und dem heimischen Nachtschrank sicher noch einige Jahre überdauern wird", sagt etwa Christian Dietl, Head of Products bei BT Germany. "Aber technisch gesehen sind wir längst so weit, dass das klassische Tischtelefon gar nicht mehr notwendig ist." Und Franco Messori, Chief Strategist beim IP-Service-Monitoring-Spezialisten Empirix, ist überzeugt, "dass es keine Frage ist, ob Softphones und Smartphones die klassischen Telefone ablösen, sondern nur wann". Ein Wandel, der im Hintergrund noch durch eine andere Entwicklung begünstigt wird. Die traditionellen Telekommunikationsprotokolle wie PSTN oder ISDN, mit denen, vereinfacht ausgedrückt, unsere klassischen Telefone arbeiten, werden immer mehr von IP-Protokollen wie SIP verdrängt. "Der Markt bewegt sich hin zu IP-basierten Diensten wie VoIP oder Videoservices", weiß Jörg Pauli, Head of Network Solutions bei Interoute Germany, aus seinem Berufsalltag. Dem pflichtet Empirix-Stratege Messori bei, zumal "Video für jede Form der Interaktion eine Bereicherung" sei.