Android

Nach Apple-Triumph rückt Google ins Visier

27.08.2012
Das harte Urteil der neun Geschworenen im Patentkrieg zwischen Apple und Samsung am vergangenen Freitag war für die Führung des südkoreanischen Elektronikkonzerns schon ein harter Schlag.

1,05 Milliarden Dollar Schadensersatz sprach die Jury Apple zu - eine Summe, die von Richterin Lucy Koh sogar noch verdreifacht werden könnte. Am Montag musste Lee Kun-hee, der Chairman von Samsung Electronics, einen weiteren Nackenschlag einstecken: An der Börse brach die Aktie von Samsung um knapp acht Prozent ein; das Unternehmen verlor damit rund zehn Milliarden Euro an Wert.

Samsung wurde jetzt sprichwörtlich vom Erstschlag des "thermonuklearen Kriegs" getroffen, den Apple-Chef Steve Jobs im Sommer 2010 angekündigt hatte. Allerdings hatte damals nicht Samsung den Wutausbruch von Jobs provoziert, sondern Google als Hersteller des Smartphone-Systems Android. "Wenn es sein muss, werde ich meinen letzten Atemzug dafür verwenden, und jeden Penny von Apples 40 Milliarden Dollar bei der Bank, um dieses Unrecht zu korrigieren. Ich werde Android vernichten, weil es ein gestohlenes Produkt ist", zitiert Jobs-Biograf Walter Isaacson den ehemaligen Apple-Chef in seinem Buch. "Ich werde einen Atomkrieg dagegen führen."

Jobs fühlte sich damals vor allem vom damaligen Google-Chef Eric Schmidt persönlich hintergangen, der als Mitglied des Apple-Aufsichtsrates zu einem sehr frühen Zeitpunkt in die streng geheime Entwicklung des iPhones eingeweiht war. Schmidt verließ erst im August 2009 - zweieinhalb Jahre nach der Vorstellung des iPhone - das Apple-Board, nachdem der Interessenkonflikt zwischen Apple und Google nicht mehr zu übersehen war.

In der Abwehrstrategie gegen Android verzichtete Apple dann allerdings auf einen Frontalangriff gegen Google, sondern suchte sich die Produzenten der Android-Handys als weichere Angriffsziele aus. In besonders krassen Fällen wie dem Klonen des iPhone durch das Samsung Galaxy S konnten die Apple-Anwälte vor Gericht viel leichter eine auch für Laien nachvollziehbare Geschichte vom großen Ideenklau vortragen als bei komplizierten Software-Prozessen. So war Oracle vor einem kalifornischen Gericht mit dem Versuch gescheitert, Google wegen der Android-Software Verstöße gegen das Patenrecht nachzuweisen.

In der Google-Zentrale hatte man Unheil für Samsung schon im Februar 2010 kommen sehen. Aus Dokumenten, die in dem Verfahren in San Jose vorgelegt wurden, geht hervor, dass Google an Samsung appelliert hatte, seine Tablets deutlicher vom Aussehen des iPad abzuheben. Zudem sollen weitere Designer die Südkoreaner deutlich davor gewarnt haben, dass das Galaxy S so aussehe, als würde es "das iPhone zu sehr kopieren". Später bedauerten auch hauseigene Designer von Samsung, dass das Smartphone wie ältere iPhone-Modelle aussehe. Diese Bedenken hinderten die Samsung-Führung allerdings zu keinem Zeitpunkt daran, mit iPhone-ähnlichen Geräten auf den Markt zu gehen.

Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass sich Google nach dem Milliarden-Urteil der kalifornischen Jury nicht mit breiten Schultern vor den schwer getroffenen Android-Partner Samsung stellt. Die meisten betroffenen Patente und Designmuster hätten keine Verbindung zum Kern des Android-Systems, hieß es in Mountain View. Mit strittigen Punkten wie der Verpackung der Produkte habe Google ohnehin nichts zu tun. Und einige der in San Jose erfolgreich ins Spiel gebrachten Patente würden zudem von der US-Patentbehörde auf den Prüfstand gestellt. Außerdem werde Samsung das Urteil juristisch anfechten.

Nun fragen sich die Branchenbeobachter, wie die Hersteller von Android-Geräten nun auf die lauwarme Verteidigung von Google reagieren werden. Sie müssen sich im Tagesgeschäft mit Vorwürfen auseinandersetzen, dass Android laut Gerichtsentscheidungen rund um den Globus je nach Zählweise bis zu 15 Patente von Apple und anderen verletzt. Und nicht jeder Google-Partner hat so eine große Kriegskasse wie Samsung.

Von der Verunsicherung in der Android-Szene könnte nicht nur Apple, sondern auch Microsoft profitieren. Der weltgrößte Software-Konzern hat mit Windows Phone ein Betriebssystem im Programm, das zwar bislang am Markt nur mäßig erfolgreich ist. Windows Phone kann aber nicht mit dem iPhone verwechselt werden und ist außerdem durch rechtliche Vereinbarungen mit Apple vor Patentklagen weitgehend geschützt. Außerdem bekam die Software auch von etlichen Produkttestern gute Noten und gilt in einigen Bereichen als innovativ.

Bill Cox, der in der Microsoft-Zentrale in Redmond die Marketing-Kommunikation für das Mobilsystem verantwortet, konnte seine Schadenfreude nach dem Urteil in San Jose jedenfalls nicht verkneifen: "Windows Phone sieht gerade richtig guuuuuut aus", verkündete Cox im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Die positive Stimmung für Windows Phone färbte am Montag auch auf Nokia ab. Die Aktie des finnischen Mobilfunkherstellers, der inzwischen fast vollständig auf das Microsoft-System setzt, legte an der Börse um knapp zehn Prozent zu. (dpa/tc)