Analyse

Nokia Siemens Networks sucht Rettung in radikaler Schrumpfkur

24.11.2011
Am Ende blieb Nokia Siemens Networks (NSN) nur noch eine radikale Schrumpfkur: Rund 17.000 Jobs will der angeschlagene Netzwerkausrüster weltweit streichen.

Eine Milliarde Euro jährlich soll eingespart werden und ganze Geschäftsbereiche eingedampft. Entsprechend entsetzt reagieren die bereits leidgeprüften Mitarbeiter am Mittwoch auf die neuen Hiobsbotschaften aus der finnischen Zentrale des Unternehmens, das seinen Müttern Nokia und Siemens noch nie so richtig Freude machte. Erst jüngst hatten die beiden Konzerne eine Milliarde Euro in das Sorgenkind gepumpt. Und die Zeit läuft, bis 2013 soll NSN fit sein.

Was die Pläne für die deutschen NSN-Mitarbeiter bedeuten werden, ist offiziell noch nicht klar. Er könne zu einzelnen Ländern noch nichts sagen, erklärte Konzernchef Rajeev Suri immer wieder in einer Telefonkonferenz aus dem finnischen Espoo. Doch klar scheint: Es wird viele tausend Mitarbeiter in Deutschland treffen, damit rechnet die IG Metall, aber auch Branchenbeobachter. Dabei ist die Belegschaft Kummer gewohnt. "Seit dem Start von NSN im April 2007 wurden in Deutschland mehr als 5000 Arbeitsplätze abgebaut", sagt der deutsche Gesamtbetriebsratschef Georg Nassauer. Weltweit hat NSN rund 74.000 Mitarbeiter. Die Kürzungsstrategie hält er für falsch: Neuausrichtung, Kürzungen, all dies führe in die Irre.

Suri sieht das anders. Er hält sein Unternehmen für stark, will den Konzern gesundschrumpfen und auf komplette Angebote für die Infrastruktur von Mobilfunknetzen konzentrieren - und dabei vor allem auf mobile Breitbandverbindungen. Neben Kürzungen und Stellenabbau komme auch der Verkauf von Bereichen in Betracht. Aus Sicht von Nassauer führt Suri den Konzern eher wie eine "Resterampe". Angesichts der Märkte sei eine Verschlankung des Angebots genau der falsche Weg. "Schuld ist eine Führung, die es nicht geschafft hat, Kunden zu halten und zu binden, vernünftige Entscheidungs- und Arbeitsstrukturen zu schaffen und die richtigen und zukunftsweisenden Produkte, Lösungen und Services bereitzustellen", sagt Nassauer.

Tatsächlich kommt NSN seit Jahren auf keinen grünen Zweig. Der Netzwerk-Ausrüster leidet unter einem harten Preiskampf und der scharfen Konkurrenz. Und was haben Nokia und Siemens nicht schon alles ausprobiert. Doch weder die Suche nach Käufern noch Pläne für einen Börsengang haben etwas geholfen. "Dabei hatten wir immer Angst, dass die beiden Partner an einen Finanzinvestor verkaufen", sagt Nassauer. Und nun greife das eigene Management härter durch, als man das von einem Investor befürchtet hätte. Die Arbeitnehmer hoffen nun auf Schützenhilfe aus der Siemens-Zentrale in München. "Ich gehe mal davon aus, die Messe ist noch nicht gelesen", sagt Nassauer.

Die Geduld des Elektroriesen mit der ungeliebten Beteiligung dürfte aber weitgehend aufgebraucht sein. Erst im Sommer entschieden beide Partner, der Tochter doch auf die Beine zu helfen. Je 500 Millionen Euro pumpten die beiden Anteilseigner in das chronisch schwächelnden Joint Venture. Doch damit wird das Finanzloch noch lange nicht gestopft sein. Siemens-Finanzchef Josef Kaeser rechnet mit weiteren Belastungen und hat schon mal eine Summe im mittleren dreistelligen Millionenbereich eingeplant. Der Vertrag mit Nokia endet 2013, bis dahin muss NSN die Kurve kriegen. Auch für Nokia ist NSN eine Belastung. Der Handy-Riese hat selbst genügend Baustellen.

In den vergangenen Jahren hat NSN seinen Müttern viel Kummer gemacht und Verluste in Milliardenhöhe angehäuft. Allein 2010 schrieben die beiden Konzerne eine Milliarde Euro auf das Problemkind ab. Dafür, dass es auch finanziell besser läuft, ist ein Deutscher verantwortlich. Anfang des Jahres verpflichtete NSN mit Marco Schröter einen krisenerfahrenen Manager als Finanzvorstand. Schröter hatte sich zuvor beim ebenfalls lange Jahre problemgeplagten Halbleiterspezialisten Infineon Technologies einen guten Ruf erarbeitet und gilt als Architekt des Neuanfangs. Inwiefern das ihm und dem übrigen Management nun bei NSN auch gelingt, muss sich erst noch zeigen. (dpa/tc)