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Interview: Oracle verteidigt seine Fusion-Strategie

18.07.2007
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Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Im Wettstreit mit dem Erzrivalen SAP setzt Oracle langfristig auf seine Middleware-Plattform "Fusion". Andrew Sutherland, Vice President Technology für die Region Emea, erklärt im Interview mit CW-Redakteur Wolfgang Herrmann, wie Oracle den Kampf gewinnen will.

CW: Mit "Fusion Applications" plant Oracle ein Set integrierter Services, die Komponenten aus diversen Anwendungen wie Siebel oder der E-Business Suite nutzen. Dahinter steht das Konzept einer Service-orientierten Architektur (SOA). Wie weit sind Sie damit?

Sutherland: Es gibt zwei Aspekte von Fusion. Einer dreht sich um Business-Services. Davon stammen einige beispielsweise aus Siebel- oder Peoplesoft-Anwendungen, andere aus unserer E-Business Suite. Manche Unternehmen werden auch Komponenten aus SAP-Anwendungen nutzen. Bei diesen Services geht es um Geschäftslogik und damit verbundene Prozesse. Der zweite Aspekt bezieht sich auf die Infrastruktur, sprich Fusion als Middleware. Diese Infrastruktur ist kein Commodity-Produkt; sie muss sich mit den gestiegenen Anforderungen an Services und Prozesse verändern.

CW: Inwiefern? Zum Aufbau einer SOA gibt es bereits eine große Menge an Infrastrukturprodukten, beispielsweise Registries, BPEL-Engines oder diverse ESB-Angebote (ESB= Enterprise Service Bus).

Andrew Sutherland, Vice President Technology, Oracle Emea
Andrew Sutherland, Vice President Technology, Oracle Emea

Sutherland: Unser Ziel ist ein umfassendes Portfolio an Werkzeugen. Dazu entwickeln wir eigene Software und kaufen interessante Produkte zu. Kunden bestätigen uns, dass wir die meisten Anforderungen mit unseren Infrastrukturprodukten schon heute abdecken.

CW: Das mag sein. Aber wie weit ist Oracle mit Fusion Applications? Wie sieht die Roadmap aus, wann wollen Sie fertig sein?

Sutherland: Für uns geht es zunächst um die Frage, inwieweit wir die bestehenden Anwendungen weiterentwickeln und wie viele Web-Services wir daraus generieren. Es gibt bereits zahlreiche Funktionen, die als Web-Services zur Verfügung stehen und in einer SOA genutzt werden können. So gesehen könnte man sagen, wir sind fertig. Nun folgt die nächste Phase: Wir entwickeln neue Module, branchenspezifische Pakete und vieles mehr. Das ist eine fortlaufende Aufgabe, die im Grunde niemals beendet ist.

CW: Ihr Konkurrent SAP hat eine klare Roadmap für seine Enterprise-SOA-Strategie auf den Tisch gelegt. Warum schafft Oracle das nicht?

Sutherland: Unsere Antwort ist: Wir sind schon jetzt fertig. Alle unsere Anwendungen stellen Funktionen in Form von Web-Services zur Verfügung.

CW: Aber das ist nicht die Idee, die hinter Fusion Applications steckt. Nach Ihren eigenen Ankündigungen geht es dabei doch um ein integriertes Set aus Services.

Sutherland: Richtig. Die Idee ist, diese Services auf eine neue Infrastruktur-Plattform zu stellen, die den gestiegenen Anforderungen an Flexibilität und Anpassbarkeit gerecht wird. Das wird für die diversen Module zu verschiedenen Zeitpunkten geschehen. Ich habe dafür keine Roadmap in der Tasche, die genau beschreibt, welches Modul zu welchem Datum verfügbar sein wird. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass schon heute alle unsere Anwendungen SOA-fähig sind.

CW: Heute arbeitet Oracle im Wesentlichen mit Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen den Anwendungen.

Sutherland: Das kann man so nicht sagen. Alle Anwendungen sind für Web-Services vorbereitet. Sie können beispielsweise eine BPEL-Engine benutzen, um Services aus unterschiedlichen Programmen zu orchestrieren (BPEL = Business Process Execution Language).

CW: Aus jeder alten Cobol-Anwendung lassen sich Web-Services kapseln und mit einer WSDL-Datei beschreiben (WSDL = Web Services Description Language). Wo ist der Unterschied zu ihrem Konzept?

Sutherland: Was sie beschreiben, ist zwar theoretisch möglich, in der Praxis aber mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden. Wir stellen heute eine große Zahl von populären Anwendungen in Form von Web-Services zur Verfügung. Im nächsten Schritt werden wir Fusion Applications bauen.

CW: Wie wird das Oracle-Anwendungsportfolio in zwei bis drei Jahren aussehen? Wird es noch immer Bestandteile aus Siebel- und Peoplesoft-Produkten geben oder nur noch eine Menge Services, die Kunden nach Bedarf orchestrieren können?

Sutherland: Diese Frage möchte ich nicht beantworten; das müssten unsere Applications-Verantwortlichen tun. Mein Fachgebiet ist die Infrastruktur. Und da ist die grundlegende Strategie klar: Wir schälen bestehende Funktionen in Form von Services heraus und entwickeln gleichzeitig neue Fusion-Anwendungen.

CW: Im Markt für Infrastruktur-Software hat es Oracle mit mächtigen Konkurrenten zu tun, darunter auch IBM. Wie positionieren Sie ihre Middleware Produkte in diesem Umfeld?

Sutherland: Für unsere Kunden ist wichtig, dass wir sowohl hinsichtlich der Anwendungen als auch mit unseren Infrastrukturprodukten offen sind. Beispielsweise können Unternehmen unsere BPEL-Engine auch auf einem "WebSphere" Application Server ablaufen lassen. Wir haben eine Menge Kunden mit Plattformen von Bea oder IBM, die zugleich mehrere unserer Middleware-Komponenten nutzen. Sie können unsere Produkte ausprobieren und bei Bedarf mehr davon einsetzen, ohne gleich auf die komplette Plattform umsteigen zu müssen. Hier liegt der Hauptvorteil gegenüber IBM. Ein anderer ist die Vollständigkeit unseres Stacks.

CW: IBM besitzt eines der größten Infrastruktur-Portfolios im Softwaremarkt.

Sutherland: Natürlich bemüht sich auch IBM, so viele Teile wie möglich zusammenzutragen. Unsere Kunden bestätigen uns aber, dass wir mit der Integration der unterschiedlichen Systeme schneller vorankommen. Es mag simpel klingen, aber Installation, Konfiguration und Setup gehen mit unserem Softwareportfolio einfacher und schneller. Praxiserfahrungen zeigen immer wieder, dass IBM immense Probleme hat, die vielen verschiedenen Komponenten gemeinsam zum Laufen zu bringen.

CW: Das mag daran liegen, dass IBM eine Menge Softwarehersteller übernommen hat. Doch das Gleiche gilt für Oracle.

Sutherland: Wir haben viel Zeit in die Integration der Produkte gesteckt und werden das auch weiterhin tun. Darin unterscheiden wir uns grundlegend von IBM, die ihre Kunden nach dem Motto bedient: Sucht Euch die Komponenten aus unserem Portfolio heraus, die ihr haben wollt. Zwar bieten auch wir diese Auswahl. Aber wenn ein Kunde ein komplettes Paket kauft, garantieren wir, dass alle Teile reibungslos zusammenspielen.

CW: Sie wollen mit Fusion auch klassische SAP-Anwender locken. Warum sollte ein Unternehmen mit "Mysap" oder R/3-Anwendungen Oracle-Middleware einsetzen?

Sutherland: Viele SAP-Kunden, die zu uns kommen, sind nicht glücklich mit der Netweaver-Plattform, beispielsweise wenn es um Identity Management geht. Mit Fusion füllen wir Lücken in Netweaver auf. Die meisten SAP-Anwender nutzen bereits unsere Datenbank und respektieren Oracle aus diesem Grund. Die enge Integration unserer Middleware mit der Datenbank ist für sie ein klarer Vorteil.

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