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Verhandlungen über Telekom-Umbau abgebrochen – Streik droht

27.04.2007
Die Deutsche Telekom steuert auf die größte Auseinandersetzung seit der Privatisierung 1995 zu. Die Verhandlungen zwischen der Konzernführung und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di über die geplante Auslagerung von rund 50.000 Mitarbeitern sind gescheitert.

Die Gewerkschaft ver.di lehnte am Donnerstag in Mayschoß (Rheinland-Pfalz) auch ein nachgebessertes Angebot der Konzernführung ab und kündigte eine Ausweitung der Protestaktionen an. "Ein Streik ist definitiv nicht mehr abzuwenden", sagte ver.di- Verhandlungsführer Lothar Schröder nach dem Abbruch der fünften Verhandlungsrunde der dpa.

Am Freitag kommender Woche soll die Große Tarifkommission von ver.di über die Durchführung einer Urabstimmung entscheiden, die einen konzernweiten Arbeitskampf nach sich ziehen könnte. "Ich bin mir sicher, dass wir die dazu nötige Mehrheit von 75 Prozent erreichen werden", sagte Schröder. Die Verärgerung der Belegschaft über den geplanten Umbau sei "sehr groß".

In Hamburg kam es am Donnerstag zum Eklat zwischen erzürnten Arbeitnehmern und dem Vorstandsvorsitzenden René Obermann. Telekom-Beschäftigte stürmten eine T-Systems-Betriebsversammlung, an der im Theater "Schmidts Tivoli" im Stadtteil St. Pauli auch der Vorstandschef teilnahm. Es kam zu Rangeleien der Beschäftigten mit den Sicherheitskräften. Obermann signalisierte schließlich Gesprächsbereitschaft, ließ später aber mitteilen, es sei nur sinnvoll, mit einer Delegaton zu verhandeln. Auf dem angrenzenden Spielbudenplatz demonstrierten rund 2000 Telekom-Mitarbeiter lautstark gegen die geplante Auslagerung von Arbeitsplätzen.

Ver.di will die Warnstreiks auch an diesem Freitag fortsetzen. In Rheinland-Pfalz seien 300 Beschäftigte der Telekom-Standorte Ludwigshafen, Neustadt und Kaiserslautern dazu aufgerufen worden, kündigte die Gewerkschaft am Donnerstag an. Im Saarland sollen erneut 200 Telekom-Mitarbeiter an einem Warnstreik teilnehmen.

Der kommissarische Telekom-Personalvorstand Karl-Gerhard Eick hofft indes immer noch auf eine gütliche Einigung. Das Angebot des Konzerns werde bis zum 2. Mai aufrechterhalten. Zwei Tage später findet die Hauptversammlung in Köln statt. "Das Angebot macht deutlich, dass wir nach wie vor eine gemeinsame Lösung mit ver.di anstreben", sagte Eick. Ver.di-Verhandlungsführer Schröder, der auch im Telekom-Aufsichtsrat sitzt, sieht hingegen "wenige Chancen" für eine Einigung. "Inhaltlich sind wir weit von einer Verständigung entfernt."

Auch die fünfte Verhandlungsrunde wurde von bundesweiten Warnstreiks begleitet, an denen sich laut Gewerkschaft rund 11.000 Mitarbeiter beteiligten. Eick kündigte an, dass die Telekom gegen die Protestaktionen juristische Mittel prüfen werde. Einknicken will das Unternehmen nicht: "Wenn der Streik sein muss, dann muss er sein", sagte Eick. Die Telekom kann den Konzernumbau auch ohne die Zustimmung von ver.di im Alleingang umsetzten.

Das Unternehmen will die betroffenen Mitarbeiter in drei Gesellschaften unter dem Dachnamen T-Service auslagern und damit seine Kosten senken. Eick, der auch Finanzvorstand ist, bekräftigte, dass T-Service wie geplant zum 1. Juli gegründet wird. Die Beschäftigten sollen laut dem nachgebesserten Angebot neun Prozent weniger Lohn erhalten und mindestens 38 Stunden in der Woche arbeiten. Die Absenkung der Löhne soll stufenweise über die kommenden 30 Monate geschehen. Im Gegenzug will das Unternehmen den Kündigungsschutz um drei Jahre bis Ende 2011 verlängern.

Die Gesellschaft steht vor allem auf ihrem Heimatmarkt massiv unter Druck. So kündigten im vergangenen Jahr zwei Millionen Kunden ihren Festnetzanschluss bei der Telekom. Der Marktführer musste daher im Januar zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr senken. Die Aktie notiert seitdem unter der Marke von 14 Euro. Telekom-Chef Obermann hält angesichts des niedrigen Aktienkurses eine Übernahme der Telekom grundsätzlich für denkbar. "Ich halte es nicht für ausgeschlossen, Gegenstand von Übernahmeszenarien zu werden, wenn es uns nicht gelingt, in den nächsten Jahren die Unternehmensbewertung zu steigern", hatte er am Mittwochabend in Berlin gesagt.

Obermann verwies auf das Beispiel der Deutschen Börse, die von Finanzinvestoren zu einem Strategiewechsel gezwungen worden war. Dies könnte auch bei der Telekom geschehen. "Aktive" Aktionäre könnten dazu in direkte Auseinandersetzung mit dem Vorstand der Telekom treten. Eine Zerschlagung hält er dann für denkbar. An der Telekom ist der Finanzinvestor Blackstone mit 4,5 Prozent beteiligt. (dpa/tc)