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Oracle-Peoplesoft: Analysten ziehen gemischte Jahresbilanz

12.01.2006
Oracle hat sich mit der Akquisition von Peoplesoft keinen Fehltritt erlaubt, so die einhellige Meinung der Analysten. Für eine endgültige Bilanz des Milliarden-Deals sei es jedoch noch zu früh.

Auch ein Jahr nach der Übernahme von Peoplesoft durch Oracle ließen sich die Folgen des Mergers nicht exakt ermessen, meint Bruce Richardson, Analyst von AMR Research. Zwar profitiere der Datenbankspezialist von Kosteneinsparungen und habe seine Umsätze im Applikationsgeschäft gesteigert. Allerdings müsse man sich fragen, welchen Nutzen der US-amerikanische Softwarehersteller darüber hinaus aus der Akquisition ziehen könne, wenn sich der Staub erst einmal gelegt hat.

Die Oracle-Verantwortlichen ziehen - wie nicht anders zu erwarten - eine positive Bilanz der Übernahme. Es sei gelungen, den Merger zügig und ohne große Reibungsverluste über die Bühne zu bringen. Zudem hätten sich rund 95 Prozent der Peoplesoft-Anwender dazu entschlossen, an ihrer Lösung festzuhalten und weiter dem von Oracle übernommenen Support zu vertrauen, berichtete Jeb Dasteel, Leiter für den Kundenbereich bei Oracle. Damit habe der Konzern seine selbst gesteckten Ziele erreicht.

Lange Zeit hatte es nicht danach ausgesehen. Nachdem Oracle-Chef Lawrence Ellison kurz nach Bekanntgabe seiner Übernahmeabsichten mit markigen Worten tönte, er werde die Peoplesoft-Produkte einstampfen, sorgte der Datenbankspezialist zunächst für große Unsicherheit unter den Peoplesoft-Anwendern. Erst beharrliche Zusicherungen, die Produkte weiter zu entwickeln, und langfristige Support-Versprechen beruhigten die aufgebrachten Kunden.

Für zusätzlich Unruhe sorgen Oracles Pläne in Sachen "Project Fusion" (siehe auch: Großbaustelle Oracle). Der Datenbankspezialist will damit eine neue service-orientierte Anwendungsgeneration entwickeln. Darin sollen die jeweils besten Entwicklungen aus der eigenen "E-Business Suite" sowie der zusammengekauften Softwarelösungen beispielsweise von Peoplesoft, J.D Edwards beziehungsweise Siebel Systems zusammenfließen. Kunden bemängelten zuletzt, Oracle gebe zu wenige Informationen über die Entwicklungen, den aktuellen Status und die Ziele des Vorhabens heraus (siehe auch: Anwender mahnen Oracle an Support-Versprechen)

Erste Ergebnisse aus dem Projekt Fusion werden für 2008 erwartet. Allerdings sei nicht zu erwarten, dass die Anwender sofort und in Scharen auf die neue Business-Software-Generation setzen werden, prognostiziert AMR-Experte Richardson. Vielmehr würden sich die Kunden die neue Architektur erst einmal genau ansehen und prüfen. Das könne durchaus einige Jahre dauern. Zunächst gehe es den Anwendern primär darum, ihre bestehenden Investitionen zu schützen.

Bis dahin werden Wettbewerber wie SAP weiter versuchen, verunsicherte Oracle-Kunden abzuwerben. Der weltweite Branchenprimus in Sachen Business-Software hat dazu sein "Safe-Passage"-Programm aufgelegt, das umsteigewilligen Oracle-Anwendern finanzielle Anreize bietet (siehe auch: SAP weitet Safe Passage auf Siebel-Kunden aus). Beispielsweise werden bestehende Lizenzen der Konkurrenz auf die neu zu erwerbenden Lizenzkosten teilweise angerechnet. Zudem bietet SAP über die im vergangenen Jahr zugekaufte US-Firma TomorrowNow Support-Leistungen für Peoplesoft- und J.D.-Edwards-Lösungen an (siehe auch: TomorrowNow expandiert in Europa).

Der Erfolg dieser Maßnahmen hält sich allerdings noch in Grenzen. Rund 40 Kunden hätten SAP-Angaben zufolge das Safe-Passage-Programm in Anspruch genommen. TomorrowNow könne etwa 100 Kunden vorweisen. Man habe nicht mit einer Flut von abtrünnigen Oracle-Kunden gerechnet, weist SAP-Sprecher Bill Wohl Vorwürfe zurück, man habe die Ziele verfehlt. Diese Entscheidungen bräuchten ihre Zeit. Oracle versuchte den SAP-Vorstoß mit seiner "SAP-Off"-Initiative zu kontern (siehe auch: OFF SAP: Oracle will SAP-Kunden abwerben). Es gebe einige Unternehmen, die zu Oracle gewechselt und ihre Plattform standardisiert hätten. Genaue Zahlen halten die Verantwortlichen bei Oracle allerdings zurück.

In Oracles Bilanzen schlägt sich die Übernahme in steigenden Applikationsumsätzen und -gewinnen nieder (siehe auch: Oracle verliert gegenüber SAP an Boden). Im zurückliegenden zweiten Quartal des Geschäftsjahres wiesen die Finanzverantwortlichen einen Produktumsatz der Anwendungssparte von 870 Millionen Dollar aus, 85 Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahresquartal. Dabei legten die Wartungs- und Support-Einnahmen um 138 Prozent auf 604 Millionen Dollar, und die Lizenzumsätze um 24 Prozent auf 266 Millionen Dollar zu. Auf den ersten Blick wirkten diese Zahlen beeindruckend, meinte zuletzt Brent Thill, Analyst der Prudential Equitiy Group. Rechnet man jedoch die Zahlen von Oracle und Peoplesoft aus den vergangenen Jahren zusammen, so liegen die gegenwärtigen Umsätze um rund ein Drittel darunter. Damit scheint sich die Regel bei Mergern in der IT-Branche wieder einmal zu beweisen. Eins und Eins ergibt nicht zwangsläufig zwei. (ba)