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100 Tage Siemens-Chef: Vom Unbekannten zum Umgestalter

05.10.2007
Peter Löscher, Nachfolger von Klaus Kleinfeld an der Spitze von Siemens, hat seine ersten 100 Tage absolviert. Er will das hohe Tempo der Anfangsphase halten, ohne den Konzern aus der Bahn zu tragen.

In seinen ersten 100 Tagen hat der neue Siemens-Chef Peter Löscher ein atemberaubendes Tempo vorgelegt. "Ich war in Deutschland, in Österreich, in den USA, zweimal in Indien, zweimal in Japan und gehe in den nächsten Wochen nach Russland", sagt der 50-Jährige. "Ich habe praktisch alle operativen Einheiten besucht." Nebenher verkaufte der neue Chef für gut elf Milliarden Euro den Autozulieferer VDO und erwarb für rund fünf Milliarden Euro die US-Medizintechnikfirma Dade Behring. Löscher schuf ein neues Vorstandsressort für Korruptionsbekämpfung und akzeptierte im Schmiergeldskandal eine rekordverdächtige Geldbuße von 201 Millionen Euro. In den nächsten Monaten will der neue Vorstandschef nicht vom Gas gehen und den Konzern insgesamt neu strukturieren. "Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist", kommentiert ein intimer Kenner des Unternehmens den Start des neuen Manns an der Spitze.

Als erster Externer an der Siemens-Spitze hatte sich Löscher 100 Tage Zeit erbeten, um sich einen Überblick zu verschaffen und erste Vorschläge für eine neue Struktur ausarbeiten zu können. Die Frist schöpfte der frühere Merck-Manager nun nicht einmal voll aus: Am kommenden Montag (8. Oktober) sind seine ersten 100 Tage um, am Donnerstagabend nun ließ er schon einmal durchblicken, wohin die Reise geht. Auf den Säulen Energie, Medizintechnik und Infrastruktur soll der Konzern künftig stehen. Ein schlankerer Zentralvorstand soll die Geschäfte führen, die zuweilen eigenmächtigen Siemens-Landesgesellschaften werden an die kürzere Leine genommen.

Auch wenn der Österreicher Löscher mit seiner kommunikativen Art im Unternehmen gut ankommt, weiß er, dass er das Traditionsunternehmen mit seinen rund 475.000 Mitarbeitern auch nicht überfordern darf. Darum betont er: "Siemens war, ist und bleibt ein integrierter Technologiekonzern." Er wolle keinesfalls wild Konzernteile verkaufen und neue hinzukaufen. Nach den vielen Zukäufen in den vergangenen Jahren werde erst einmal das organische Wachstum im Vordergrund stehen.

Als Löscher im Juni zum Nachfolger von Klaus Kleinfeld ernannt wurde, der im Zuge der Schmiergeldaffäre gehen musste, war er für viele der große Unbekannte. Auch Vorgänger Kleinfeld hatte noch nicht von ihm gehört. Der gebürtige Villacher Löscher hatte seine Karriere bei der Beratungsfirma Kienbaum begonnen. Seine Laufbahn führte ihn unter anderem für Hoechst in die USA, für Aventis nach Japan, für General Electric nach Großbritannien und schließlich zu Merck in die USA. Insofern weiß Löscher, wie Kapitalmärkte ticken, und gilt als nicht weniger renditeorientiert als sein nicht unumstrittener Vorgänger Kleinfeld. So hat Löscher denn auch intensiv bei Investoren um Vertrauen geworben. In den vergangenen Wochen reiste er dazu nach Frankfurt, London und New York.

So dürften denn auch weitere Einschnitte folgen, wenn Konzernbereiche auf Dauer die Erwartungen nicht erfüllen. Zwar gab Löscher in seiner ersten Bilanz ein klares Bekenntnis zu den ertragsstarken Töchtern Osram und Bosch Siemens Hausgeräte ab. Auch die Verkehrstechnik soll trotz ärgerlicher Qualitätsprobleme dabeiblieben. Bei dem Telekom-Ausrüster Nokia Siemens Networks und beim PC-Hersteller Fujitsu Siemens hat Löscher aber nicht mehr viel Geduld. Hier dürfte eine Trennung momentan primär daran scheitern, dass Siemens in den Gemeinschaftsunternehmen bei den Partnern vertraglich in der Pflicht steht. (dpa/ajf)