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GPS, Galileo, Compass, Glonass

Satelliten-Navigation: Wettlauf um den letzten Meter

22.02.2008
Von Handelsblatt 
Das Wettrennen um die metergenaue Standortbestimmung hat begonnen: Für das kommende Jahrzehnt planen alle fünf großen Wirtschaftsblöcke der Welt eigene Satellitennavigationssysteme. Auch der Neustart des europäischen Galileo-Projektes nimmt Fahrt auf, bis Jahresende sollen die Verträge für den Galileo-Aufbau vergeben werden.

MÜNCHEN. Neben den USA mit dem bestehenden System GPS und Europa mit Galileo starten auch Russland, Japan und China eigene Positionssysteme. Satellitenbauer, Telekommunikationskonzerne und Gerätehersteller versprechen sich ein Milliardengeschäft.

Der Neustart des europäischen Galileo-Projektes nimmt Fahrt auf. "Ich will bis Jahresende die Verträge für den Galileo-Aufbau vergeben", sagte EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot am Donnerstag in München auf dem "Munich Satellite Navigation Summit". Die europäische Kommission baut mit der Weltraumagentur ESA das ambitionierte Satellitenprojekt gemeinsam auf, nachdem im vergangenen Jahr ein Industriekonsortium an der Aufgabe gescheitert ist. 3,4 Milliarden Euro soll der Bau der Satelliten, deren Start und die Bodeninfrastruktur kosten. "2013 wird das System einsatzbereit sein", verspricht Barrot.

Favorit für den Bau der Bodeninfrastruktur ist der französische Thales-Konzern, in Deutschland zeichnet sich ein Bieterwettkampf zwischen der EADS-Tochter Astrium und dem Bremer Technik-Konzern OHB ab. Beide reklamieren den Auftrag für den Bau der 30 Positionssatelliten für sich, das Volumen wird auf eine Milliarde Euro geschätzt.

Die potentiellen Nutznießer der europäischen Milliardeninvestition drängen auf Fortschritte. Denn die im Weltraum kreisenden Atomuhren sollen die Industrie unabhängig machen vom derzeitigen Monopolisten, dem amerikanischen GPS-System. "Niemand wartet auf Galileo, aber es ist gut, wenn es kommt", sagt Herbert Blaser, Marketingchef der Schweizer U-Blox, einem Chipdesigner für Navigationsgeräte. "Was wir brauchen", fordert er, "sind zuverlässige Aussagen über die geplanten Galileo-Dienste und wofür wir zahlen sollen. Sonst können wir nicht investieren". Die Industrie will Chips entwickeln, die Galileo- und GPS-Signale kombinieren und somit eine Positionsgenauigkeit deutlich unter einem Meter erreichen.

"Wir können bald Handys mit Satellitennavigation für 200 Euro anbieten, das ist dann der Durchbruch zum Massenmarkt", sagt Frank van Diggelen, technischer Direktor von Broadcom. Der kalifornische Chipdesigner liefert bereits jetzt Prozessoren für GPS-basierte Handys, wie sie Sony Ericson vertreibt. Handy und Navigationssysteme verschmelzen in Zukunft zu einem Gerät, sagt van Diggelen. "Galileo wird helfen, vor allem in Städten ein deutlich verbessertes Signal zu empfangen", sagt der Amerikaner.

Noch sieht das europäische Modell die Einführung kostenpflichtiger Signale vor, denn sie sollen verlässlicher und genauer sein als das bisherige GPS-Signal. Doch weder die EU, noch die von ihr mit dem Galileo-Aufbau beauftragte Weltraumagentur ESA haben bislang ein Konzept für das angestrebte privat betriebene Konzessionsmodell. Und so ist völlig offen, ob überhaupt jemals jemand für Galileo-Dienste zahlen wird.

Hinzu kommt, dass auch GPS aufgerüstet wird. Das 1995 in Betrieb genommene System steht es nach wie vor unter der Kontrolle der US-Militärs, auch wenn das Signal rund um den Globus kostenfrei genutzt wird. Das soll auch so bleiben: Derzeit starten die Amerikaner die dritte GPS-Satellitengeneration, um vor dem Galileo-Start 2013 am Himmel zu sein. "Die neue Generation kann den Globus zu 100 Prozent abdecken", sagt Colonel Harold Martin, von der US-Luftwaffe.

Schiffe, Flugzeuge und Panzer unabhängig von amerikanischen Signalen zu steuern, ist vor allem das Interesse Russlands. Im Mai 2007 hat Präsident Wladimir Putin den Ausbau des bereits bestehenden Satellitensystems Glonass angekündigt. "Ende diesen Jahres sind bereits 18 Satelliten verfügbar", sagte Sergej Revnivykh, Chef des russischen Kontrollzentrums in Moskau. "Jeder wird unsere Signale kostenlos nutzen können", verspricht auch Revnivykh in München.

Auch Japan, Südkorea und Indien arbeiten an eigenen Systemen. China, das bislang mit den Europäern bei der Entwicklung von Galileo kooperiert hatte, ist mit der eigenen Entwicklung Compass schon sehr weit. Im April 2007 haben die Chinesen bereits einen ersten Satelliten gestartet. Das System soll im Jahre 2010 fertig sein und aus 25 Satelliten bestehen, doch noch ist der Anspruch regional. Obwohl Compass weltweit zu empfangen sein wird, liegt die Genauigkeit des Systems nur im asiatisch-pazifischen Raum bei einem Meter. In allen übrigen Weltregionen müssen sich die Nutzer mit 20 Metern begnügen.

Die Nutzer

  • Handyhersteller: Fallende Chippreise eröffnen den Massenmarkt: Nokia will in diesem Jahr aus dem Stand 35 Millionen Handys mit Satellitennavigation ausstatten; das ist fast jedes zehnte Gerät. Experten gehen davon aus, das ab 2010 praktisch jedes Mobiltelefon einen GPS-Empfänger hat.

  • Logistikunternehmen: Das europäische Galileo-System will eine Garantie für den Empfang des Signals geben. Lastwagen, Schiffe und später auch Flugzeuge sollen per Satellit navigiert werden können. Damit soll die Infrastruktur wie Häfen, Straßen und Luftrouten in Europa deutlich besser ausgelastet werden.

  • Militärs: Obwohl zivil konzipiert, soll Galileo wie das amerikanische GPS auch militärisch genutzt werden. Für die europäische Rüstungsindustrie ist Galileo überlebenswichtig. Nur mit einem eigenem, europäischen Signal werden europäische Schiffe und Flugzeuge exportfähig bleiben.