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45 Milliarden Dollar

Milliarden-Offerte: Microsoft setzt Yahoo und Google unter Druck

01.02.2008
Der Windows-Hersteller Microsoft will den Internet-Konzern Yahoo kaufen. Das Angebot beläuft sich auf 45 Milliarden Dollar, rund 30 Milliarden Euro, und ist eine Kampfansage an Google. Yahoo will die Offerte sorgfältig prüfen.

Der weltgrößte Softwarekonzern Microsoft will den Internet-Konzern Yahoo schlucken und damit einen Frontalangriff auf den Suchmaschinen-Primus Google starten. Der Wert der Transaktion liege bei 44,6 Milliarden Dollar, teilte Microsoft am Freitag in Redmond mit. Umgerechnet sind das 30 Milliarden Euro. Pro Yahoo-Aktie will der Software-Konzern 31 Dollar zahlen, ein Aufschlag von 62 Prozent auf den Schlusskurs vom Donnerstag.

Yahoo kündigte in einer ersten Reaktion lediglich eine rasche und sorgfältige Prüfung der "unaufgeforderten" Offerte an. Konkurrent Google könne wegen seines Marktanteils von 75 Prozent bei der weltweiten Online-Suche aus Wettbewerbsgründen kein Angebot abgeben, hieß es in einer Microsoft-Telefonkonferenz. Der Windows-Hersteller und Yahoo hatten bereits vor gut einem Jahr über eine Zusammenarbeit bis hin zu einer möglichen Fusion gesprochen. Yahoo gab dem Softwareriesen damals aber letztlich einen Korb. "Wir glauben jetzt mehr denn je an die Vorteile", sagte Microsoft-Chef Steve Ballmer.

Mit der offiziellen Offerte setzt Ballmer nun den ohnehin mit Problemen kämpfenden Internet-Konzern unter Druck. Yahoo hatte erst am Dienstag nach einem erneuten Gewinneinbruch den Abbau von rund 1000 Stellen angekündigt. Zum Handelsstart am Freitag schoss der Yahoo-Kurs um rund 49,11 Prozent auf 28,60 Dollar in die Höhe. Microsoft-Papiere fielen dagegen um knapp fünf Prozent auf 31,00 Dollar. Aktien von Google standen deutlich unter Druck, nachdem das Unternehmen die Börse am Vorabend auch noch mit den Quartalszahlen enttäuscht hatte.

So billig wie vor dem Übernahmeangebot war die Aktie von Yahoo schon lange nicht mehr. Während im Januar 2000 noch knapp 120 Dollar für das Yahoo-Papier bezahlt wurden, dümpelte die Aktie in dieser Woche in New York deutlich unter 20 Dollar, so wie zuletzt im Oktober 2003. Der günstige Kurs des Internet-Pioniers dürfte nun für Microsoft-Chef Steve Ballmer den letzten Ausschlag gegeben haben, Yahoo in das Imperium des Softwaregiganten einverleiben zu wollen. Microsoft will damit vor allem eine gigantische Reichweite der Yahoo-Dienste im Internet einkaufen, die dazu beitragen soll, dem bisherigen Online-Marktführer Google besser Paroli bieten zu können.

Die Online-Aktivitäten von Microsoft stehen seit vielen Jahren unter keinem guten Stern. Anfang der 90er Jahre setzten Microsoft-Mitbegründer Bill Gates und Steve Ballmer mit dem Microsoft Network (MSN) noch auf geschlossene Online-Dienste und verpassten völlig den Einstieg ins offene Internet. Mit einem brutal geführten Wettbewerb rang Microsoft dann den Konkurrenten Netscape nieder und verwickelte sich in Kartellstreitigkeiten. Den "Browserkrieg" gegen Netscape konnte Microsoft zwar gewinnen, gleichzeitig versäumte der Konzern aber erneut den Einstieg in eine Schlüsseltechnologie, die Internet-Suche. Und so eroberte Google den Milliarden-Markt der Online-Werbung, ohne dass Microsoft dem bislang ein adäquates Konzept entgegen setzen konnte.

Microsoft bietet nun für den angeschlagenen Internet-Riesen knapp 45 Milliarden Dollar, der immerhin hinter Google einen stabilen zweiten Platz im Online-Markt innehält. Allerdings macht Google nach wie vor mehr als doppelt soviel Umsatz wie sein Verfolger. Zu Yahoo gehören auch aktive Community-Sites wie der Fotoservice Flickr, die Suchmaschinen Altavista und Alltheweb oder der Lesezeichen-Dienst del.icio.us. Die Reichweite der Dienste verschaffte Yahoo allerdings nicht die geschäftlichen Erfolge, die Google immer wieder melden konnte.

Seit gut einem halben Jahr führt Yahoo-Mitbegründer Jerry Yang wieder das operative Geschäft, konnte aber bislang die Finanzmärkte nicht überzeugen, dass Yahoo die Kehrtwende schafft. Insbesondere die ­ mittlerweile überwundenen - Schwierigkeiten bei der Einführung der Werbe-Plattform "Panama", mit der Yahoo die Lücke zu Google schließen wollte, enttäuschten die Anleger.

Dass Steve Ballmer mit der Übernahme trotz der akuten Schwierigkeiten bei Yahoo ein Schnäppchenkauf gelingen könnte, belegen Einschätzungen verschiedener Analysten aus dieser Woche. "(Yahoo) macht strategisch gesehen die richtigen Dinge, aber es dauert einige Zeit, bis Ergebnisse sichtbar werden", sagte Ned May von der Marktforschungsfirma Outsell. "Das Unternehmen erscheint derzeit völlig unterbewertet." Auch Felix Narhi, Analyst bei Odlum Brown Ltd., empfahl Anfang der Woche die Yahoo-Aktie, weil sie derzeit so billig zu haben sei. Mit einem Plus von 61 Prozent im Vergleich zum aktuellen Aktienkurs dürfte Microsoft auch die große Mehrheit der Yahoo-Aktionäre zufriedenstellen.

Ob sich das Investment von Microsoft in Yahoo tatsächlich lohnen wird, kann man derzeit kaum abschätzen. Neben der gigantischen Reichweite im Web bringt Yahoo interessante Produkte und Technologien mit, beispielsweise die in Hamburg unter Führung von Marco Boerries entwickelte Mobilplattform Yahoo Go. Auf der anderen Seite ist unklar, ob und wie lange Führungspersönlichkeiten aus der kalifornischen Yahoo-Zentrale wie Jerry Yang oder die Flickr-Mitbegründer Caterina Fake und ihr Ehemann Stewart Butterfield bei Yahoo an Bord bleiben, wenn die Strategiebeschlüsse künftig im Microsoft-Hauptquartier in Redmond gefällt werden.

Außerdem stellen sich inzwischen manche Beobachter die Frage, ob die Erwartungen an die auf Werbung basierende Online-Wirtschaft nicht ohnehin überzogen seien. So musste auch Marktführer Google einräumen, dass die Zuwachsraten im Werbemarkt nicht ständig nach oben geschraubt werden können. Im vierten Quartal 2007 konnte der Suchmaschinengigant zwar noch einmal seinen Umsatz um 51 Prozent und seinen Gewinn um 17 Prozent steigern. Gleichzeitig dämpfte Google-Chef Eric Schmidt die Erwartungen an die kommenden Quartale.

Die wachsende Dominanz von Google im lukrativen Internet-Werbemarkt macht Microsoft und Yahoo schon seit geraumer Zeit zu schaffen. Microsoft hatte vor Jahren selbst zugegeben, die Entwicklung des Internet zunächst verschlafen zu haben. Doch auch mit zahlreichen Anstrengungen und Werbe-Werkzeugen wie "AdCenter" gelang es dem Software-Giganten in der Zwischenzeit nicht, den mächtigen Vorsprung des Suchmaschinenspezialisten spürbar einzuholen. Zu wenig Verkehr auf den eigenen Seiten wie MSN Search oder Live Search ist das Problem, sagen Marktbeobachter. Im vergangenen Jahr machte Microsoft nach Branchenschätzungen gerade einmal ein Sechstel des Online-Werbe-Umsatzes seines großen Rivalen.

Bei der Internet-Suche - einem zentralen Faktor für die erfolgreiche Online-Anzeigen-Vermarktung - konnte Google den Vorsprung vor seinen Verfolgern in der Vergangenheit weiter ausbauen. Nach Zahlen des Marktforschungsunternehmens ComScore versammelte das Unternehmen zuletzt im Dezember im amerikanischen Markt mit 58 Prozent den mit Abstand größten Teil der Suchanfragen auf sich. An zweiter Stelle rangiert demnach mit 22,9 Prozent Yahoo und lässt Microsoft mit 9,8 Prozent noch einmal deutlich hinter sich.

Die Konkurrenzsituation der drei Rivalen hatte sich zuletzt im vergangenen Frühjahr noch einmal verschärft. Im April hatte Google sowohl Yahoo als auch Microsoft im Bieterkampf um den Online-Werbevermarkter DoubleClick ausgestochen und damit seine Position für gezielte Werbung mit Bildern und Videos gestärkt. Mit einem Kaufpreis von 3,1 Milliarden Dollar überbot der Suchmaschinenspezialist die Konkurrenz, brachte aber auch Bedenken von Wettbewerbshütern auf den Plan. Nach Angaben des Microsoft-Juristen Brad Smith entfielen bei einem Zusammengehen von Google und DoubleClick mehr als 80 Prozent der Werbung im Internet auf die Partner.

Microsoft will den Kauf von Yahoo im zweiten Halbjahr abschließen. Die Wettbewerbsbehörden müssen dem Deal allerdings zustimmen, und auch die Yahoo-Aktionäre müssen das Angebot annehmen. Die Kosteneinsparungen sollen bei mindestens einer Milliarde Dollar jährlich liegen, teilte Microsoft mit. Die Yahoo-Aktionäre sollen zwischen einer Barauszahlung und Microsoft-Aktien wählen können. Insgesamt soll der Kaufpreis je zur Hälfte in bar und in Aktien bezahlt werden. (dpa/ajf)