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Nach der Übernahme im zweiten Anlauf

Gartner: Oracle will von Bea nur Marktanteile

17.01.2008
Mit der Übernahme von Bea Systems geht es Oracle weniger um die Technik des Konkurrenten sondern schlicht um Marktmacht, kommentiert das Marktforschungs- und Beratungshaus Gartner.

Wenn der Deal wie geplant Mitte des Jahres abgeschlossen ist, steht Oracle als zweitgrößter Middleware-, Portal- und Prozess-Management-Anbieter hinter Marktführer IBM da, rechnet Gartner-Analyst Massimo Pezzini vor. Im Java-zentrierten Middlewaremarkt könne es dann kaum ein anderes Softwarehaus mit den beiden Schwergewichten aufnehmen. Auch gegenüber Microsoft, das mit seiner Middleware rund um das .NET-Framework ebenfalls eine starke Position innehat, ergebe sich ein deutlicher Vorsprung. Nach dem ersten gescheiterten Übernahmeversuch im vergangenen Jahr hatte Oracle gestern angekündigt, Bea Systems für rund 8,5 Milliarden Dollar zu kaufen.

Pezzini sieht Oracles Hauptmotiv für den Zukauf denn auch in marktstrategischen Überlegungen. Zugleich verweist er auf erhebliche Überlappungen der Oracle Fusion Middleware mit dem Portfolio von Bea, die es zu bereinigen gelte. Einige von Beas Kernprodukten, darunter der Transaktionsmonitor Tuxedo oder der J2EE-Application Server WebLogic, bescherten dem Unternehmen stabile Wartungseinnahmen. Es liege deshalb im Interesse Oracles, diese Systeme weiter zu pflegen, auch wenn sie künftig nicht als strategische Fusion-Komponenten gelten.

Andere Bea-Produkte hingegen könnten das Fusion-Angebot ergänzen. Pezzini sieht hier unter anderem AquaLogic BPM, JRockit, AquaLogic PEP oder das AquaLogic Enterprise Repository für SOA-Umgebungen. Angesichts der hohen Qualität der Bea-Produkte stelle sich die Frage, welche von Oracles eigenen Produkten in Zukunft vorrangig behandelt würden. Dies hänge auch von den Anforderungen ab, die sich mit den SOA-basierenden Fusion Applications ergäben. Die nächste Version der Fusion Middleware wird nach Einschätzung des Gartner-Experten einige Produkte beider Hersteller beinhalten. Weniger strategische Komponenten könnte Oracle als Legacy betrachten, aber dennoch weiter unterstützen.

Bis die Übernahme von den Behörden abgesegnet ist, wachse die Unsicherheit unter Beas bestehenden und künftigen Kunden, warnt Pezzini. Dies könne die Geschäfte von Bea Systems negativ beeinflussen. Zwar habe Oracle versprochen, die Investitionen von Bea-Kunden zu schützen. Eine klare Roadmap zur Zusammenführung der Produktportfolios stehe aber noch aus. Probleme sieht der Gartner-Analyst auch für Oracle selbst. IT-Käufer könnten ihre Entscheidungen für Oracle-Produkte zurückstellen, deren Zukunft nach der Übernahme ungewiss erscheint. Kurzfristig ergäben sich aus dieser Situation Geschäftschancen für Oracles ärgste Konkurrenten, darunter neben IBM die Darmstädter Software AG, Tibco, Progress und Red Hat.

Nicht nur Gartner geht nach dem milliardenschweren Deal von einer weiteren Konsolidierung im Middleware-Markt aus. Einige Marktbeobachter handeln beispielsweise Tibco Software als nächsten Übernahmekandidaten. Mit einer vergleichsweise niedrigen Marktkapitalisierung von knapp 1,5 Milliarden Dollar wäre der amerikanische Anbieter eine leichte Beute für Hewlett-Packard (HP) oder Microsoft. (wh)

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