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Höhere Transparenz gefordert - Umsetzung jedoch fraglich

Linden Lab will dubiose Banken aus Second Life löschen

10.01.2008
Von pte pte
Die virtuelle Online-Welt Second Life wird bald ohne viele bereits angesiedelte Finanzdienstleister und Banken auskommen müssen. Wie der US-amerikanische Betreiber Linden Labkürzlich bekannt gab, will man vor dem Hintergrund erneut aufgetretener Missbrauchsfälle im Finanzsektor nun die Konsequenzen ziehen und härter als zuvor durchgreifen. So plant das Unternehmen ab dem 22. Januar eine neue Policy zu verfolgen, die Finanz- und Investmentdienstleister nur dann zulässt, wenn diese über eine entsprechende Lizenz im "realen Leben" verfügen und ein Nachweis über die Zulassung der Bank bei amtlichen Registrierungsbehörden vorliegt.

"Vom Prinzip her ist der gewählte Ansatz Linden Labs, seine Policy bei Finanzdienstleistern zu konkretisieren, der richtige. Fallen die Vorgaben in ihrer Umsetzung jedoch zu restriktiv aus, stellt sich damit die Grundsatzfrage, inwieweit die angepriesene Intention Second Lifes, für Unternehmen unbegrenzt kreativ zu sein, noch gewahrt werden kann", so Deutsche Bank Research Economic Advisor Stefan Heng im Gespräch mit pressetext. Laut dem Analysten stellt sich zudem die Frage danach, ob es Linden Lab als Start-up-Unternehmen tatsächlich schafft, die rigorose Beseitigung schwarzer Schafe allein effizient zu bewerkstelligen. Auch sei noch völlig unklar, welche regionalen Banken-Konzessionen man akzeptiere.

Die in Second Life vertretene deutsche Wirecard Bank sieht der Ankündigung Linden Labs hingegen gelassen entgegen und verweist auf staatliche Kontrolle und Second Life als werbebezogene Plattform für Finanzprodukte. "Die virtuelle Bank-Filiale der Wirecard Bank in Second Life dient ausschließlich der Kundenberatung und -Information. Es werden keine Bankgeschäfte getätigt. Von daher betrifft uns die Entscheidung der Linden Lab nicht. Des Weiteren ist die Wirecard Bank - ebenso wie andere reale und unter staatlicher Aufsicht stehende, in Second Life vertretene Vollbanken - in keinster Weise mit den anderen betroffenen Unternehmungen vergleichbar", betont Wirecard-Bank-Sprecherin Iris Stöckl auf Nachfrage von pressetext.

Mit der Policy reagieren die Second-Life-Macher auf vermehrte Beschwerden von Mitgliedern, die ihr Geld leichgläubig schlagzeilenträchtigen Second-Life-Banken wie Ginko Financial anvertraut hatten. Im Fall Ginko konnten die Einlagen der Kontoinhaber nicht mehr ausbezahlt werden, worauf rund 200 Mio. Linden Dollars, der Second-Life-Währung, im Gegenwert von fast 750.000 echten Dollar (540.000 Euro) verloren gingen. Obwohl viele Ginko-Kunden noch rechtzeitig ihre Konten räumen konnten, bevor der Bank das Geld ausging, endete das Projekt für viele Kunden verlustreich. Dieses prominente Beispiel dürfte Linden Lab dazu bewogen haben, künftig restriktiver im Umgang mit Banken zu werden, vermuten Brancheninsider.

Linden Lab hingegen strebt mit den Vorsichtsmaßnahmen hinsichtlich der Bankenniederlassungen an, Second Life für Mitglieder sicherer und in Finanzbelangen transparenter zu gestalten. Zudem soll der Glaube an eine funktionierende Second-Life-Wirtschaft aufrechterhalten werden, heißt es seitens des Unternehmens. Dennoch scheint der Vorstoß für Analysten nicht von ungefähr zu kommen. So verbannte Linden Lab bereits vor weniger als einem Jahr Casinos von der Online-Welt-Oberfläche, da Insider immer wieder darauf aufmerksam gemacht haben, dass Unternehmen in Second Life in einer quasi abgekoppelten Sphäre agieren und zudem von keiner Regierung reguliert und überwacht werden. (pte)