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Kritische Stimmen zu Google und Android

Mobilfunk-Einstieg von Google schockt die Konkurrenz nicht

07.11.2007
Während Google mit seiner neu gebildeten Open Handset Alliance (OHA) und der Softwareplattform Android den Mobilfunkmarkt im Sturm erobern will, sind Marktbeobachter skeptischer. "Was soll's - ein weiteres Betriebssystem", lautet das lapidare Urteil.

Google hat – wie immer – große Ambitionen: Eine einheitliche, von möglichst vielen Handy- und Softwareanbietern unterstützte Plattform, bestehend aus Betriebssystem, Middleware, Benutzeroberfläche und Anwendungen, soll es Entwicklern leicht machen Software zu schreiben, die auf jedem Handy läuft. Doch für Google ist der Mobilfunk-Markt Neuland. Die Strukturen sind gefestigt, die Claims abgesteckt. Das Interesse, ausgerechnet Google mit seinem erfolgreichen Internet-Werbemodell Zugang zu den Mobilfunkkunden zu gewähren, ist offenbar nicht besonders groß. (Siehe auch unser Dossier zu Googles Mobilfunk-Ambitionen)

Entsprechend sehen die Hersteller von Geräten und die Netzbetreiber in der Linux-basierenden Android-Plattform lediglich ein weiteres System, das sie zusätzlich zu den bereits etablierten bedienen wollen. Bei Google-Partner Motorola etwa, einem der wichtigsten Verfechter mobiler Linux-Systeme, heißt es, Android werde dem bestehenden Angebot von Handys hinzugefügt. "Wir haben Abkommen mit Carriern und anderen Anbietern, die verschiedenste Produkte betreffen”, sagte Ed Zander, Chairman und CEO von Motorola. "Daran werden wir uns halten." Konzernsprecher Paul Alfieri bekräftigte, Motorola werde nicht von einem bestehenden Betriebssystem-Partner zu einem anderen wechseln. "Android ist ein Bestandteil unseres Arsenals", saget Alfieri. Derzeit nutzt Motorola auf seinen Handys allerdings ein Linux-System von MontaVista.

Ähnlich klingen die Pläne von Handybauer HTC, dem für Microsoft vielleicht wichtigsten Windows-Mobile-Partner aus Taiwan. "An unserem Commitment zu anderen Betriebssystemen ändert sich gar nichts", sagte Peter Chou, CEO des Hardwarelieferanten.

Google hofft auf Linux-Entwickler

Unterdessen hofft das Google-Management, Betriebssystem-Spezialisten aus anderen Lagern auf seine Seite ziehen zu können. "Die Tatsache, dass Android frei benutzt und verändert werden kann, bedeutet, dass sich vielleicht auch Spezialisten aus anderen Lagern damit beschäftigen und es schließlich als Basis für ihre Entwicklungsarbeit nutzen", sagte Eric Schmidt, Googles CEO und Chairman. Erste Reaktionen von Handyherstellern lassen indes nicht darauf schließen. Der weltgrößte Handybauer Nokia, der auf Symbian und seine eigene Entwicklungsplattform "Series 60" setzt, denkt offenbar nicht daran, Android zu unterstützen. Zumindest äußerte sich US-Manager Bill Plummer entsprechend.

Plummer sagte, im Markt gebe es genügend Platz für verschiedene Plattformen. Nokia heiße "offene Ansätze”, wie sie mit Android verfolgt würden, willkommen. Allerdings betonte Plummer mit Blick auf Googles Open Handset Alliance, dass es mit der Open Mobile Alliance bereits eine große Organisation gebe, die die Interoperabilität der verschiedenen Plattformen anstrebe. Diese Gruppe, in der die Finnen Gründungsmitglied sind, war entstanden, um Standards zu schaffen, damit Anwendungen über verschiedene Plattformen hinweg laufen können. Tatsächlich existieren bereits eine Reihe solcher Standards – allerdings laufen die meisten Anwendungen nach wie vor nicht plattformübergreifend.

CW-TV: Microsoft-CEO Steve Ballmer lästert über Google Android (Video: 3:03 Min.)
CW-TV: Microsoft-CEO Steve Ballmer lästert über Google Android (Video: 3:03 Min.)

Naturgemäß äußerte sich auch Microsoft skeptisch zu Googles Mobilfunk-Vorstoß. "Das ist nichts Neues oder Revolutionäres”, sagte Scott Rockfeld, Produkt-Manager für Microsofts Windows-Mobile-System. In den vergangenen fünf Jahren habe sich eine Partner-Community rund um Windows Mobile herausgebildet, die über Android weit hinausgehe. Rund 50 Hardwarehersteller mit 140 unterschiedlichen Formfaktoren unterstützten das Microsoft-System – und das bereits seit Jahren. Hinzu komme, dass die unzähligen Entwickler, die für die Windows-Plattform schreiben, ihr Know-how sehr einfach für das Entwickeln von Windows-Mobile-Anwendungen nutzen könnten.

Wind River als Linux-Lieferant?

Während Google zwar bestätigt hatte, die Android-Plattform basiere auf einem Linux-System, beantwortete das Unternehmen nicht die Frage, aus welcher Quelle es stammen soll. Handelt es sich um eine komplett neue Entwicklung oder um ein bereits bestehendes System? Wind River, ein Mitglied der um Google neu gebildeten OHA, deutet an, dass Wind River das Basissystem liefern werde. Marketing-Chef John Bruggeman nannte keine Details, sagte aber: "Schauen Sie sich die Liste der OHA-Mitglieder an: Wind River ist der einzige Linux-Anbieter in diesem Kreis."

Linux-Anbieter MontaVista dagegen, ein Lieferant für zahlreiche Handyhersteller, gehört noch nicht zur OHA-Allianz. Jim Ready, Chief Technology Officer (CTO) und Gründer von MontaVista, bekundete jedoch seine Absicht einzutreten. Er gehe davon aus, dass Android auf mehreren Betriebssystemkernen aufsetzen könne. "Wenn es ein offenes System ist, glauben Sie, dass sich Google dann auf ein einziges Kernsystem festlegen wird? Das widerspricht jeglicher Logik", sagte Ready. (hv)