Der RoI sagt nur die halbe Wahrheit

08.12.2005
Von Johannes  Lorenz
Um den Deckungsbeitrag eines Projekts zu ermitteln, sind unterschiedliche Berechnungsmethoden notwendig.

Wer kennt sie nicht, die "Return-on-Investment"-Studien, mit denen IT-Verantwortliche heutzutage bombardiert werden? Im Internet sind sie gleich dutzendweise zu finden. Dass diese Studien meist eine hohe Rentabilität in kurzer Zeit reklamieren, überrascht kaum. Auch die internen IT-Abteilungen mögen versucht sein, RoI-Analysen so anzuwenden, dass Budgets für Projekte oder neue Technologien genehmigt werden.

Hier lesen Sie …

  • wo der Begriff RoI herkommt;

  • woran die RoI-Berechnungen kranken;

  • was Switching-Costs und Opportunity-Costs aussagen;

  • welche Fehler bei der NPV-Ermittlung gern gemacht werden;

  • warum die IRR-Methode nicht für sich allein betrachtet werden sollte.

Wer wissen will, ob sich ein Projekt auszahlt, muss mehr als einmal rechnen.
Wer wissen will, ob sich ein Projekt auszahlt, muss mehr als einmal rechnen.
Foto: Getty Images

Dementsprechend kritisch sind diese Zahlenwerke zu sehen. Was macht diese Analysen auf der einen Seite so attraktiv, auf der anderen Seite aber auch so problematisch? Welche Fallstricke sind zu berücksichtigen, wo sind die Grenzen dieser Methode, und welche Techniken bieten sich ergänzend an, um IT-Investitionen besser beurteilen zu können?

Die Return-on-Investment-Berechnungen gehen zurück auf Donaldson Brown, einen Ingenieur bei der Chemiefirma Dupont in Wilmington, Delaware. Er hat bereits im Jahr 1919 Formeln für das Unternehmens-Controlling entwickelte. 2002 definierte David Pearce im "MIT Dictionary of Modern Economics" den RoI als einen "allgemeinen Ansatz, um die Erträge von Kapitalinvestitionen anzugeben, wobei der Gewinn als prozentualer Anteil an der Investitionssumme ausgedrückt wird."

Immer dann, wenn Kosten und Ertrag einer Investition eindeutig zugeordnet sind, darf mit dieser Formel gerechnet werden. Sie ist sehr einfach, und sie liefert leicht zu interpretierende Prozentwerte. Deshalb wird sie so gern benutzt. Doch sobald verschiedene Projektalterna- tiven beurteilt werden sollen, hören die Vorteile dieser Berechnungsmethode auf. Ist das Projekt mit dem höheren RoI tatsächlich die bessere Investition? Nur dann, wenn alle Randbe- dingungen gleich bleiben! Aber diese Voraussetzung ist bei komplexen Entscheidungen kaum zu erfüllen. Eine Projektinvestition läuft in der Regel über ei- nen längeren Zeitraum. Die RoI-Formel enthält jedoch per se keinen Zeithorizont. Dass diese Dimension für das Ergebnis der Rentabilitätsberechnung erheblich ist, zeigt das nachstehende Beispiel in Tabellenform:

Die zeitliche Dimension verändert den RoI-Wert

Jahr 0

Jahr 1

Jahr 2

Jahr 3

Kosten

100.000 €

25.000 €

25.000 €

25.000 €

Ertrag

0 €

200.000 €

200.000 €

200.000 €

Aufgelaufene Kosten

100.000 €

125.000 €

150.000 €

175.000 €

kumulierter Netto-Ertrag

-100.000 €

75.000 €

250.000 €

425.000 €

ROI

60,00 %

166,67 %

242,86 %

Für eine korrekte Interpretation des RoI muss folglich der betrachtete Zeithorizont angegeben werden. Darüber hinaus berücksichtigt die RoI-Berechnung nur die direkten Kosten. Diese Investitionskosten sind in der IT aber höchstens die halbe Miete. In komplexen und langfristig angelegten Projekten fällt es jedoch schwer, die direkten und indirekten Kosten exakt zu erfassen. Deshalb - und um das Risiko zu berücksichtigen - arbeitet die IT hier zumeist mit konservativ angesetzten Zahlen (höheren Kosten, geringere Gewinnerwartung). Gegenüber kleineren, überschaubaren Projekten, deren Zahlen sich präzise erheben lassen, sind Großprojekte bei einer reinen RoI-Betrachtung deshalb per se benachteiligt.

Weitere Kritik am RoI entzündet sich daran, dass er nichts über das Investitionsrisiko aussagt. Ein Projekt mit einem RoI von 500 Prozent mag auf den ersten Blick lukrativ erscheinen. Die Frage ist jedoch, ob hier 10.000 Euro oder ein Million zu investieren beziehungsweise zu riskieren sind. Die Antwort darauf rückt den RoI-Wert unter Umständen in ein völlig anderes Licht - ganz davon abgesehen, dass sich in dem nackten Wert auch kein Hinweis darauf findet, wie lange es dauern wird, bis die Kapitalrückflüsse die Investition ausgeglichen haben.

Aus diesen Gründen ist es dringend notwendig, die RoI-Ermittlung durch andere Formen der Rentabilitätsberechnung zu ergänzen.