Verbände

LIVE und LiSoG beklagen schleichende Abkehr von offenen Standards

08.04.2010
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
Mit Sorge beobachten der LIVE Linux-Verband und die LiSoG e.V. nach eigenem Bekunden einen unübersehbaren Trend in der IT-Politik der Bundesrepublik und in der EU, sich von offenen Standards abzuwenden und proprietäre sowie patentbehaftete Elemente zu erlauben.

Diese Ausrichtung werde, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung, zum einen die Interoperabilität der IT-Systeme und die elektronische Kommunikation zwischen Bürgern und öffentlichen Verwaltungen erschweren. Zum anderen kämen dadurch auf die Steuerzahler höhere Kosten zu.

Seit dem 1. April dieses Jahres ist in der Bundesrepublik Deutschland der IT-Staatsvertrag in Kraft. In seiner Folge wird ein IT-Planungsrat aus Vertretern von Bund und Ländern zusammentreten, der auf Grundlage der vom Bundestag verabschiedeten Leitlinien künftig die IT-Politik Deutschlands bestimmen wird. In diesen Grundsätzen sei unter anderem vorgeschrieben, der Planungsrat solle die "vorrangige Verwendung bestehender Marktstandards" in der IT der deutschen öffentlichen Verwaltung vorantreiben, so LIVE und LiSoG.

Auf europäischer Ebene arbeite wiederum die EU-Kommission an einer neuen Version des "European Interoperability Framework" (EIF), das seit 2004 die Interoperabilität der IT-Systeme verschiedener Behörden vereinfachen soll. Im November letzten und im März dieses Jahres sind Entwürfe für eine zweite Version an die Öffentlichkeit gelangt, die aus Sicht beider Verbände eher eine Verschlechterung als eine Verbesserung der ersten EIF-Version erwarten lassen. Trotz offenbar heftigen Widerspruchs bringe auch das aktuelle Dokument "Draft 03/2010" keine auch nur ansatzweise akzeptable Definition, was offene Standards ausmacht. Vielmehr solle alles als offen und akzeptabel gelten, was Marktrealitäten und Budgetbedingungen der Behörden entspreche.

Nach Ansicht von LiSoG und LIVE lässt sich der Begriff "offene Standards" aber sehr wohl eindeutig festlegen. Nach den sogenannten AEIOU-Kriterien sind offene Standards etwa

  • aufbauend auf anderen offenen Standards;

  • existierend in mehreren Umsetzungen;

  • implementierbar ohne rechtliche oder technische Hindernisse;

  • offengelegt und daher für alle verfügbar sowie

  • unabhängig von einem einzelnen Unternehmen.

"'Marktstandards' zu fordern heißt nichts anderes, als bestehende Monopole im IT-Bereich zu festigen", kritisiert der LIVE-Vorsitzende Elmar Geese. Schwammige Formulierungen wie die im EIF-Entwurf bewirkten das exakte Gegenteil einer Standardisierung. Es sei den Bürgern nicht zuzumuten, dass sie möglicherweise bestimmte proprietäre Software kaufen müssten, um mit Ämtern elektronischen Datenaustausch zu betreiben. Unter solchen Vorzeichen würde e-Government ad absurdum geführt, so Geese weiter. Große Teile der Gesellschaft könnten daran nicht teilhaben. Thomas Uhl, stellvertretender Vorsitzender der LiSoG, ergänzt: "Offene Standards sind die Grundlage für Interoperabilität und einen fairen Wettbewerb".