CIO trifft CEO

"Auch für Dienstleister gelten die Menschenrechte"

08.04.2010
Von  und
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Christoph Witte arbeitet als Publizist, Sprecher und Berater. 2009 gründete er mit Wittcomm eine Agentur für IT /Publishing/Kommunikation. Dort bündelt er seine Aktivitäten als Autor, Blogger, Sprecher, PR- und Kommunikationsberater. Witte hat zwei Bücher zu strategischen IT-Themen veröffentlicht und schreibt regelmäßig Beiträge für die IT- und Wirtschaftspresse. Davor arbeitete er als Chefredakteur und Herausgeber für die Computerwoche. Außerdem ist Witte Mitbegründer des CIO Magazins, als dessen Herausgeber er bis 2006 ebenfalls fungierte.
Welche Rolle spielen CIO und Dienstleister im Cloud-Zeitalter? Hans-Joachim Popp, CIO des DLR, und Reinhard Clemens, CEO der T-Systems, haben dazu ganz eigene Ansichten, die sie im COMPUTERWOCHE -Gipfelgespräch diskutieren.

CW: Herr Popp, Sie haben gerade einen großen Outsourcing-Vertrag mit T-Systems verlängert. Hatten Sie bei der großen Abhängigkeit vom Dienstleister überhaupt Spielraum, um ein besseres Ergebnis für das DLR zu erzielen?

POPP: Wir sind als Organisation der öffentlichen Hand zur öffentlichen Ausschreibung verpflichtet und können Verträge gar nicht automatisch verlängern. Ein solcher turnusmäßiger Reset gibt uns die Möglichkeit, die Beziehung zum Dienstleister an die neuen Anforderungen anzupassen. In den fünf Jahren unserer Zusammenarbeit hat sich schließlich einiges verändert. Die enge Bindung an T-Systems lässt sich natürlich nicht wegdiskutieren, aber wir arbeiten ständig daran, sie nicht zu groß werden zu lassen. Wir haben eine sehr gute vertragliche Grundlage geschaffen, die uns auch einen Wechsel des Providers erlaubt. Das wäre zwar nicht einfach, aber die Hürde ist für uns durchaus nehmbar.

CW: Herr Clemens, ist es für Sie einfacher, einen solchen Kunden neu zu gewinnen oder ihn zu halten?

CLEMENS: Wir haben Klauseln vereinbart, zum Beispiel regelmäßige Benchmarks, die es dem Kunden erlauben, Druck zu machen, wenn Leistungen zu teuer sind, die Preise der Konkurrenz niedriger liegen oder SLAs nicht eingehalten werden. Vor 15 Jahren sah das noch anders aus. Da hätte kein Dienstleister Benchmarking-Klauseln akzeptiert, die Verträge waren geschlossene Gebilde. Heute sind sie viel offener. Das heißt, es kostet heute mehr Anstrengung, einen Kunden zu halten. Aber wenn wir im ersten Turnus gute Arbeit geleistet haben, fällt die Verlängerung immer noch leichter, als einen neuen Kunden in einer solchen Größenordnung zu gewinnen.Ich halte es übrigens für falsch, zu glauben, dass Outsourcing zwangsläufig eine große Abhängigkeit vom Dienstleister nach sich zieht. Ein Outsourcer muss immer billiger sein als die hausinterne IT eines Unternehmens. Das funktioniert nur, wenn der Outsourcer es schafft, über mehrere Kunden hinweg zu standardisieren. Und je mehr Standards es gibt, desto austauschbarer wird der Dienstleister.

POPP: Natürlich kennt T-Systems unsere Organisation inzwischen sehr viel besser als die meisten Mitbewerber. Allerdings treten immer wieder Konkurrenten mit neuen Ideen an uns heran, die wir bisher nicht umgesetzt haben. So bleibt das ganze Verhältnis zum Dienstleister in einer Balance, die uns sehr viel mehr Bewegungsfreiheit erlaubt als gemeinhin angenommen.

Standardisiert gleich austauschbar

CW: Stimmen Sie der Aussage von Herrn Clemens zu, wonach inzwischen so viel standardisiert ist, das der Outsourcer relativ leicht ausgetauscht werden kann?

Popp: Bei einem Teil der Aufgaben ist das sicher so …

CW:… Aber sie wollen dennoch von ihrem Anbieter ein sehr stark auf ihre Organisation zugeschnittenes Paket.

POPP: Wir wollen genau da auf uns zugeschnittene Services, wo das Wissen des Dienstleisters über unsere besonderen Anforderungen essenziell ist. Wo wir ganz normale Anforderungen haben, wollen wir auch die am höchsten skalierbaren Services. Wir brauchen also beides - Maßanzug und Standards.

CLEMENS: Das ist ein ständiger Spagat, der uns auch in der Cloud-Diskussion immer wieder beschäftigt. Auf der einen Seite hochstandardisierte Services, auf der anderen aber die individuellen Anforderungen einer Organisation - zum Beispiel in Bezug auf Sicherheit oder Endbenutzereffizienz. Da muss man abwägen: Wie stark kann man eine Organisation an den Standard heranführen, ohne das Geschäftsmodell zu gefährden?