CeBIT

Guttenberg-Rücktritt verfolgt Merkel auf der Messe

01.03.2011
Von wegen Routine: Gerade wollte Angela Merkel sich wie jedes Jahr auf ihren Weg durch die CeBIT-Hallen machen, da ereilte sie die Nachricht vom Rücktritt des Verteidigungsministers.

Von da an stand die Kanzlerin merklich neben der Spur. Es wurde kein CeBIT-Rundgang wie jeder andere: Ein "wichtiges Telefonat" verpatzte Angela Merkel den üblichen Streifzug über die weltgrößte Computermesse. Nach dem telefonischen Krisenmanagement um den Rücktritt von Verteidigungsminister Karl- Theodor zu Guttenberg absolviert die Kanzlerin zwar gewohnt professionell die Blitztour über das weitläufige Messegelände. Man sieht ihr aber an, dass ihre Gedanken immer wieder nach Berlin schweifen.

Freundlich lächelnd lässt sich Merkel ein neues Notfall- Kommunikations-System beim türkischen Aussteller Aselsan zeigen. Ob sie darüber nachdenkt, wie dringend sie selbst ein solches 112- Notruf-System jetzt gebrauchen könnte, kann man ihrem Gesicht nicht ablesen. Das nervöse Tuscheln der Journalistenmassen ignoriert sie gekonnt.

Am Stand von IBM zeigt sich die Kanzlerin dann ein wenig neben der Spur, als sie von IBM-Chef Sam Palmisano den Prototyp eines von IBM entwickelten 3D-Chips mit Wasserkühlung gezeigt bekommt. "Das ist ein Rechenzentrum auf einem Chip. Er benötigt 90 Prozent weniger Strom als gegenwärtige Technik." Merkel fragt: "Sie haben das von Intel übernommen?" Die Masse lacht und Palmisano antwortet: "Nein, dieser hat viel mehr Vorteile." Hauptsache, er verbrauche weniger Strom, rettet sich die Kanzlerin. Auf ein Duell mit IBMs Supercomputer "Watson" will sie sich dann nicht mehr einlassen.

Der Tross rollt weiter durch die CeBIT-Hallen und schaut zu, wie Merkel bei der Group Business Software (GBS) Hände schüttelt und fleißig nachfragt, als ihr über die Neuheiten im Cloud Computing berichtet wird - dem Top-Thema der Messe. Weiter geht es im Akkord, den neuen Tablet-PC bei Fujitsu und intelligente Stromzähler der Software AG bewundern. Überall ist es das gleiche Spiel: Freundlich lächeln, interessiert gucken und bloß schnell weiter. Die Körpersprache der Kanzlerin zeigt ihre Anspannung deutlich. Die Schultern sind hochgezogen, der Blick schweift häufig beinahe sehnsüchtig gen Ausgang.

Bei SAP spricht wieder jemand von Katastrophenmanagement. Das Thema begleitet die Kanzlerin wie ein Schatten über die IT-Messe. SAP-Vorstandssprecher Jim Hagemann Snabe zeigt, wie Bedrohungen in Echtzeit - beispielsweise Paketbomben - analysiert werden können. Angela Merkel darf gleich selbst ein knallrotes, "gefährliches" Paket einscannen. Prompt blinkt das Alarmsystem im SAP-Computer auf. "Aber bevor der Alarm hier in der Halle gleich losgeht, sind wir schon wieder weg", sagt die Kanzlerin und verschwindet zur Tür hinaus.

Ein paar nette Worte werden noch an Microsoft gerichtet, die Merkel zu ihren "tollen Projekten" für junge Menschen beglückwünscht. Telekom-Chef René Obermann zeigt der Kanzlerin den neuen "digitalen Kiosk, in dem es alle Zeitschriften aus einer Hand gibt". Merkel zeigt sich positiv beeindruckt - die Schlagzeilen von Morgen kann sie dort ja glücklicherweise noch nicht lesen.

Pünktlich auf die Minute beendet Angela Merkel ihren Presse- Rundgang am Stand von Siemens Enterprise Communications. Mit wenigen Worten bedankte sie sich für den "interessanten" Rundgang. Die CeBIT zeichne sich in diesem Jahr dadurch aus, dass man sich mehr auf Anwendungen konzentriere, die das praktische und tägliche Leben berührten. Mit keinem Wort reagiert die Kanzlerin auf Nachfragen zu dem am späten Vormittag schon offiziellen Rücktritt des Verteidigungsministers. Auf direktem Weg wird sie von ihren Bodyguards zu ihrer Dienstlimousine begleitet. Wahrscheinlich geht es nach Berlin - dort hat Merkel an diesem Dienstag sicher noch einiges zu regeln. (dpa/tc)