Drei Thesen zum Führungsverhalten

Was Mitarbeiter von ihrem Chef erwarten

08.12.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
In den unterschiedlichsten Situationen stellt sich die Frage, welcher Chef besser für die Firma ist: der angenehme Kumpel oder der unsympathische Manager-Typ?

In der betriebswirtschaftlichen Theorie und auch in der Unternehmenspraxis gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie sich ein Vorgesetzter verhalten sollte. Die Diskussion darüber lässt sich in folgenden drei Thesen zusammenfassen:

These 1: Führungskräfte müssen nicht nett sein

Ihr Chef ist auch menschlich ein Gewinn? Glück gehabt.
Ihr Chef ist auch menschlich ein Gewinn? Glück gehabt.
Foto: Günter Menzl, Fotolia.com

Schlechtes Führungsverhalten der oberen Manager wird oft wissentlich von der Geschäftsleitung geduldet. Solange das operative Ergebnis stimmt, können die Abteilungschefs schalten und walten, wie sie möchten.

Carsten Steinert, BWL-Professor an der Fachhochschule Osnabrück, hat in einer Studie herausgefunden, dass zwar mehr als 85 Prozent der befragten Unternehmen Führungsverhalten als einen expliziten Bestandteil von Personalpolitik sehen. Dennoch sei die Toleranz gegenüber Schwächen hoch ausgeprägt, sofern das von den Führungskräften zu verantwortende operative Ergebnis stimmt.

Dem operativen Ergebnis wird zu 90 Prozent ein "sehr hoher" oder "bedeutender" Stellenwert beimessen. Führungsverhalten ist nur für 45 Prozent der befragten Unternehmer wichtig. Auf die Frage nach den Hauptgründen für Trennungen von Führungskräften gaben 82 Prozent der Firmen an, dass schlechtes Führungsverhalten für sie kein Anlass für eine Trennung ist.

Die Hauptgründe, warum Führungskräfte gehen müssen, werden von fast 50 Prozent in "persönlichen Gründen" oder in einem "schlechten operativen Ergebnis" gesehen. Letzteres ist für 42 Prozent Anlass für eine Trennung. " Die Untersuchung zeigt zwei Dinge: Schlechtes Führungsverhalten wird in der Regel nicht sanktioniert, sofern und solange das operative Ergebnis stimmt. Gutes Führungsverhalten wird nicht belohnt, was sich daran zeigt, dass das Thema "Führung" als Komponente von Zielvereinbarungen eine eher untergeordnete Rolle spielt", sagt Steinert.

These 2: Narzissten sind schlechte Chefs

Narzissten führen Arbeitsteams zu schlechten Ergebnissen. Das haben Forscher in der Zeitschrift "Psychological Science" bewiesen. "Menschen glauben, dass Narzissten aufgrund ihres Selbstwertes, Selbstvertrauens und Dominanz gute Führungskräfte sind. Doch genau das Gegenteil ist der Fall", so Studienleiterin Barbora Nevicka von der Universität Amsterdam.

150 Versuchspersonen mussten in Dreiergruppen über die Anstellung fiktiver Bewerber entscheiden. Jeder sollte mitbestimmen, wobei einer nach dem Zufallsprinzip zum Gruppenleiter bestimmt wurde und die Verantwortung für den Entscheidungsprozess trug. Einige der insgesamt 45 Informationen zu jedem Kandidaten wurden teils allen in der Gruppe mitgeteilt, einige nur jeweils einem Mitglied. Um den optimalen Kandidaten zu finden, war die gesamte Information nötig.

Das Ergebnis: Narzisstische Gruppenleiter wurden als besonders erfolgreich bewertet, lieferten aber die schlechtesten Lösungen. "Narzissten wirken sich schlecht auf die Leistung eines Teams aus. Durch ihre Ego-Zentriertheit und Dominanz verhindern sie die Kommunikation", so die Forscher.

Dazu der Therapeut und Unternehmens-Coach Werner Berschneider: " Narzissten sprechen lange, predigen gerne und meiden es, Fragen zu stellen oder gar anderen zuzuhören. Sie reagieren allergisch auf Kritik und Vorbehalte. Lässt man ihrem Größenwahn freien Lauf, kann das zu Katastrophen führen, wie das Beispiel der Hypo Real Estate zeigt."

These 3: Chefs loben zu wenig

Vorgesetzte loben nur selten ihre Mitarbeiter. Das ist nicht nur menschlich gesehen schade, sondern auch kontraproduktiv, denn Angestellte und Arbeiter, die von ihren Führungskräften gut informiert werden und Anerkennung erfahren, haben weniger gesundheitliche Beschwerden und identifizieren sich häufiger mit der Firma. Dies zeigt der Fehlzeiten-Report 2011, der vom Wissenschaftlichen Institut der AOK in Kooperation mit der Universität Bielefeld und der Beuth Hochschule für Technik Berlin publiziert wurde. "Leider ist die Lobkultur in unserer Gesellschaft nicht sonderlich ausgeprägt", so Antje Ducki von der Beuth Hochschule gegenüber pressetext.

Mehr Feedback und öfter mal ein Lob für gute Arbeit erhöhen auch den Unternehmenserfolg. Selbst kleine Selbstverständlichkeiten, wie eine Anerkennung bei guter Leistung, erhalten laut Studie mehr als die Hälfte der Mitarbeiter nicht von ihrem Chef. 54,5 Prozent der befragten Mitarbeiter nehmen Lob von ihrem Vorgesetzten nur selten beziehungsweise nie wahr. 41,5 Prozent sagen aus, dass ihre Meinung vom Vorgesetzten bei wichtigen Entscheidungen nicht beachtet wird.

"Dabei reicht nicht nur ein Schulterklopfen, sondern es bedarf differenzierterer Worte, damit das Lob auch wirkt", betont Ducki. Leider herrsche in vielen Betrieben immer noch die Ansicht "Nicht kritisiert ist genug gelobt." Bereits die BWL-Studenten erhielten während des Studiums oft keine ausreichende Qualifikation in guter Mitarbeiterführung. Hier müsse beruflich nachqualifiziert werden."

Fazit

Ein Chef sollte für seinen Führungsjob von allem ein wenig mitbringen: Er sollte freundschaftlich mit seinen Mitarbeitern umgehen, aber trotzdem eine gewisse Distanz üben. Und auch ein gesundes Selbstvertrauen darf er durchaus aufweisen.

Kontakt: Dr. Renate Oettinger, Diplom-Kauffrau