Reaktionen auf das EuGH-Urteil

"Kauf und Verkauf gebrauchter Software sind legal. Punkt!"

13.07.2012
Von 
Christoph Witte arbeitet als Publizist, Sprecher und Berater. 2009 gründete er mit Wittcomm eine Agentur für IT /Publishing/Kommunikation. Dort bündelt er seine Aktivitäten als Autor, Blogger, Sprecher, PR- und Kommunikationsberater. Witte hat zwei Bücher zu strategischen IT-Themen veröffentlicht und schreibt regelmäßig Beiträge für die IT- und Wirtschaftspresse. Davor arbeitete er als Chefredakteur und Herausgeber für die Computerwoche. Außerdem ist Witte Mitbegründer des CIO Magazins, als dessen Herausgeber er bis 2006 ebenfalls fungierte.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Foto: Gerichtshof der Europäischen Union

Zur Entscheidung vor dem EuGH ist es auf Bitte des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) gekommen. Dieser hatte letztinstanzlich über eine Klage des US-Softwareherstellers Oracle gegen Usedsoft zu entscheiden. Dabei ging es um die Frage, ob Usedsoft Oracle-Programme auch dann verkaufen darf, wenn sie nicht auf einer CD oder DVD gespeichert sind, sondern per Lizenzschlüssel direkt von den Oracle-Servern heruntergeladen werden. Juristisch war zu klären, ob der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz auch gilt, wenn eine online bezogene Software weiterverkauft wird.

Der Erschöpfungsgrundsatz besagt, dass sich die Rechte eines Verkäufers an dem verkauften Gut mit dem Verkauf erschöpfen, also erlöschen beziehungsweise auf den Käufer übertragen werden.
Die Softwarehersteller hatten das in der Vergangenheit vor allem für den Online-Lizenz-Verkauf immer bestritten. Sie vertraten die Auffassung, dass sie dem Käufer nur bestimmte Nutzungsrechte einräumen, aber der Weiterverkauf ohne die Zustimmung des Urhebers nicht legal ist. Der BGH hatte das Europagericht ersucht, „die Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen in diesem Kontext auszulegen“ (Zitat aus der Pressemeldung des EuGH). Entschieden werden musste also, ob die Richtlinie auch für den Download-Verkauf gilt.

Ja, der Erschöpfungsgrundsatz gilt auch für über das Internet verbreitete Software, entschied die große Kammer des EUGH am 3. Juli. Der Verkäufer der Lizenz muss allerdings seine Kopie des Programms nach der Weitergabe an einen Dritten vernichten. In der Pressemitteilung des Gerichts liest sich das so: „Der Gerichtshof führt in seinem Urteil aus, dass der Grundsatz der Erschöpfung des Verbreitungsrechts nicht nur dann gilt, wenn der Urheberrechtsinhaber die Kopien seiner Software auf einem Datenträger (CD-ROM oder DVD) vermarktet, sondern auch dann, wenn er sie durch Herunterladen von seiner Internetseite verbreitet.

Stellt der Urheberrechtsinhaber seinem Kunden nämlich eine – körperliche oder nichtkörperliche – Kopie zur Verfügung, und schließt er gleichzeitig gegen Zahlung eines Entgelts einen Lizenzvertrag, durch den der Kunde das unbefristete Nutzungsrecht an dieser Kopie erhält, so verkauft er diese Kopie an den Kunden und erschöpft damit sein ausschließliches Verbreitungsrecht. Durch ein solches Geschäft wird nämlich das Eigentum an dieser Kopie übertragen. Somit kann sich der Rechtsinhaber, selbst wenn der Lizenzvertrag eine spätere Veräußerung untersagt, dem Weiterverkauf dieser Kopie nicht mehr widersetzen.“

Diese Auslegung des EuGH wird der Bundesgerichtshof nun nutzten, um im Fall Oracle vs Usedsoft ein letztinstanzliches Urteil zu fällen. Es ist gängige Praxis, dass sich der BGH der EuGH-Auslegung anschließt, zumal er ja darum ersucht hat.

Eine Unsicherheit besteht noch bezüglich des Aufspaltungsgebots von Lizenzen. Der Europäische Gerichtshof weist ausdrücklich darauf hin, dass „die Erschöpfung des Verbreitungsrechts den Ersterwerber nicht dazu berechtigt, die Lizenz aufzuspalten und teilweise weiterzuverkaufen, falls die von ihm erworbene Lizenz für eine seinen Bedarf übersteigende Zahl von Nutzern gilt“.

Das eine Lager, um die Hersteller herum, interpretiert diese Aussage nun als Verbot, Volumenlizenzen aufzusplitten und einzeln weiter zu verkaufen. Für die andere Partei, Usedsoft und Befürworter des Handels mit gebrauchter Software, bezieht sich diese EuGH-Aussage nur auf Client-Server-Lizenzen, auf die jeweils eine bestimmte Anzahl Nutzer zugreifen dürfen. Klarheit darüber könnte das demnächst zu erwartende BGH-Urteil bringen.

Die großen Softwarehersteller allen voran Microsoft und Oracle sind natürlich enttäuscht über die Entscheidung des europäischen Gerichts. Usedsoft spürt dagegen Oberwasser und fühlt sich als Sieger in diesem langjährigen Streit.