Bei der EU-Kommission

Microsoft reicht Kartellbeschwerde gegen Google ein

31.03.2011
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
Bislang saß Microsoft in Kartellangelegenheiten immer auf der Anklagebank. Nun reicht der Konzern selbst seine erste Beschwerde ein - gegen Google.

Das berichtet die "New York Times" in ihrer Online-Ausgabe. Microsoft will seine formale Beschwerde demnach heute bei der EU-Kommission in Brüssel vorlegen und hofft dabei auch, dass sich die Kartellwächter in den USA ebenfalls des Themas annehmen.

Microsoft schließt sich damit direkt Beschwerden von bislang nur kleineren Internet-Firmen (die allerdings teilweise direkt oder indirekt mit dem Konzern verbandelt sind) an. Diese werfen Google vor, in seinen Suchergebnissen in unfairer Weise eigene Dienste wie den Preisvergleich "Produktsuche" gegenüber Wettbewerbern zu bevorzugen.

Michael Cusumano, Professor an der Sloan School of Management am Bostoner MIT, wertet Microsofts Schritt als Verzweiflungstat angesichts der Tatsache, dass Energie, Investitionen und steigende Aktienkurse derzeit in Marktsegmenten wie Internet und Smartphones stattfinden, die Microsoft teilweise verschlafen hat. "Der Konzern, der einmal der 800-Pfund-Gorilla war, zieht sich jetzt auf Antitrust zurück. Dort ist es immer so, dass die Mitläufer die Gewinner verklagen", sagt Cusumano, der sich intensiv mit Microsoft beschäftigt hat.

Die Beschwerde sei überdies ein Hinweis darauf, wie schnell sich in schnelldrehenden Branchen wie High-Tech die Machtverhältnisse ändern könnten. "Das passiert nicht über Nacht, aber schneller als in den meisten Branchen", so Professor Cusumano weiter. "Google hat ungefähr zehn Jahre gebraucht, um den Spieß gegen Microsoft umzudrehen."

Microsoft beschwert sich bei der EU-Kommission primär darüber, dass Wettbewerber im Bereich der Internet-Suche - und Microsofts Bing ist der einzig ernstzunehmende, der da noch übriggeblieben ist - von Google kontrollierte Informationen wie den Videodienst YouTube nicht genau so untersuchen und indexieren können wie Google selbst.

An sich spreche ja nichts gegen Googles hehres Ziel, "die Informationen der Welt zu organisieren, universell zugänglich und nutzbar zu machen", sagte Microsofts Generaljustiziar Brad Smith der "New York Times". "Es sieht aber danach aus, als ob Google andere daran hindern würde, das Gleiche zu tun. Das ist ungesetzlich und erzeugt ernste kartellrechtliche Probleme." Googles Strategie sei es, so der General Counsel weiter, "Content so abzuschotten, dass Mitbewerber ihn nicht crawlen und durchsuchen können".

Was den Bereich Smartphones betrifft, wirft Microsoft Google außerdem vor, wichtige technische Informationen zurückzuhalten, die Microsoft für einen richtig gelungenen YouTube-Client für sein Windows Phone 7 bräuchte. Die entsprechenden Spezifikationen stünden nicht nur dem Android-Projekt zur Verfügung, sondern auch Apple (die entsprechende Kooperation stammt noch aus der Zeit, als Google-Chef Eric Schmidt im Board von Apple saß; 2009 gab der Google-CEO den Sitz aufgrund von Interessenkonflikten auf).

Google-Sprecher Adam Kovacevich wies natürlich alle Vorwürfe zurück. Man sperre Microsoft nicht von Googles Technologie und Content aus, so der Sprecher. Und beim mobilen YouTube habe Google vor rund zwei Jahren entschieden, eine geräteunabhängige mobil-optimierte Version anzubieten und nicht mehr für jeden Device-Hersteller eine eigene App zu basteln.