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Zensur umgehen

Instant Messaging erlebt Hochblüte in China

26.05.2008
Von pte pte
Instant Messaging (IM) zählt in China zu den beliebtesten Aktivitäten im Internet.

Anders als in westlichen Ländern machen chinesische Nutzer kaum Gebrauch von E-Mails, sondern tauschen lieber IM-Nummern aus, um miteinander zu kommunizieren. Von den rund 210 Millionen Internetnutzern in China gelten etwa 60 Millionen als aktive Instant-Messaging-User, so eine Erhebung von CCID Consulting. Viele sind bei mehreren IM-Diensten parallel angemeldet und nutzen diese für unterschiedliche Gruppen von privaten oder geschäftlichen Kontakten. Anders als bei E-Mail-Konten erfordert die Registrierung bei einem Instant Messenger in China meist keine Angabe des realen Namens, was den Nutzern aufgrund der herrschenden Internetzensur entgegenkommt.

IM-Services sind hierzulande vor allem bei der Jugend sehr beliebt. Wie eine Untersuchung des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) von Februar dieses Jahres gezeigt hat, gilt Instant Messaging als bevorzugtes Internet-Kommunikationsmittel bei jungen Nutzern. Etwa drei Viertel der befragten Jugendlichen im Alter von zwölf bis 19 Jahren nutzen regelmäßig einen IM-Dienst. Die hohe Nutzung wird laut BIKTOM durch steigende Breitband-Penetration, Flatrate-Angebote und Services, die auf junge Nutzer zugeschnitten sind, vorangetrieben.

Chinesischer Marktführer unter den IM-Diensten ist derzeit QQ, ein Service von Tencent Holdings. QQ zählt rund 315 Millionen aktive Nutzerprofile, was nicht zuletzt auf den Trend zur Mehrfach-Registrierung zurückzuführen ist. Der Marktanteil liegt bei 79,6 Prozent. Der stärkste Mitbewerber des heimischen Dienstes ist Microsoft mit seinem Instant Messenger, der insbesondere Business-Nutzer anspricht. Microsoft schafft es in China auf rund 16,5 Millionen aktive Nutzerprofile. Außerdem vertreten - allerdings mit deutlich geringerem Marktanteil - sind unter anderem Google Talk und Baidu Hi, ein Service von Chinas beliebtester Suchmaschine, der erst in diesem Jahr an den Start ging.

Das rasante Wachstum der chinesischen Internetgemeinde, die von 2006 auf 2007 um 53 Prozent zugelegt hat, zieht immer mehr westliche Unternehmen an, darunter auch viele Social-Networking-Plattformen wie MySpace oder Facebook. Allerdings sind die ausländischen Firmen in China mit einem Markt konfrontiert, der sich deutlich von westlichen Märkten unterscheidet. Während zum Beispiel 70 Prozent der User in den USA über 30 Jahre alt sind, sind in China 70 Prozent der Nutzer unter 30 Jahren. US-Nutzer verbringen sehr viel Zeit mit E-Mailverkehr und Informationssuche, wohingegen chinesische User lieber Videos und Musik auf ihre Handys oder MP3-Player herunterladen und in Online-Foren diskutieren.

Diese Gewohnheiten haben auch das Instant Messaging in China zu einem Social-Networking-Medium gemacht. Die meisten etablierten sozialen Netzwerke erfordern ähnlich wie E-Mail-Dienste eine Registrierung mit vollem Namen. Weil Chinesen im Internet lieber anonym unterwegs sind und ständig mit der Zensur im Rücken leben, bevorzugen sie auch in diesem Punkt die Nutzung von IM-Services. MySpace bemüht sich in China deshalb um eine "echte, gleichberechtigte, freie und tolerante" Internetatmosphäre, so die MySpace-Sprecherin Julia Zhu. Darüber hinaus betreibe das Unternehmen einen separaten Instant Messenger, damit direkte Kommunikation zwischen den Usern möglich ist. (pte)