Freie Exchange-Alternativen im Vergleich

31.01.2007
Von 
Andrej Radonic ist Experte für Virtualisierung, Cloud-Technologien und Open Source Anwendungen. Der Fachbuchautor ist Vorstand der interSales AG und entwickelt für mittelständische Unternehmen anspruchsvolle E-Commerce Lösungen.
Der Markt für Mail-Systeme wird zwar von Microsoft und IBM dominiert, aber für Linux bieten sich Alternativen. Open-Xchange, Scalix und Zimbra gehören zu den interessantesten.

Der Phalanx proprietärer Mail- und Groupware-Systeme aus den Häusern Microsoft, IBM/Lotus und Novell erwächst eine neue Konkurrenz: Leistungsfähige und teils freie Produkte aus dem Linux-Lager attackieren die über Jahre gewachsene Monokultur.

Hier lesen Sie ...

  • welche Vor- und Nachteile die quelloffenen Mail-Systeme Scalix, Open-Xchange und Zimbra aufweisen;

  • wie gut die Systeme Outlook anbinden;

  • dass die Anbieter für wichtige Komponenten Geld verlangen;

  • was Firmen bei der Wahl eines Mail-Systems dieser Kategorie beachten sollten.

Besonders die Ajax-Clients von Scalix und Zimbra bildet Outlook im Client weitgehend nach.
Besonders die Ajax-Clients von Scalix und Zimbra bildet Outlook im Client weitgehend nach.

Nicht nur die Lizenzkosten für die Messaging-Systeme spielen beim Nachdenken über Alternativen eine Rolle. Gerade bei Microsoft wirkt sich die Herstellerabhängigkeit gleich mehrfach aus: Will man den ganzen Funktionsumfang von Exchange nutzen, ist man nicht nur auf Outlook als Client, sondern zusätzlich auf Windows als Betriebssystem festgelegt. Außerdem setzen immer noch viele Anwender Exchange 5.x ein. Sie wären bei einem Wechsel auf eine neuere Version gezwungen, auch auf Active Directory zu migrieren - ein sehr aufwändiger Schritt mit Risiken gerade für kleinere und mittelständische Unternehmen.

Was bei Mail- und Kalenderlösungen an Leistungsfähigkeit und Funktionsumfang bisher der Windows-Welt vorbehalten blieb, machen zunehmend Linux-basierende Produkte wie Open-Xchange (OeX), Scalix und Zimbra wett. Sie begnügen sich mit einem anwendungsspezifischen Verzeichnis wie ehedem Exchange 5.x.

Die Outlook-Hürde

Jeder Neuankömmling auf dem Markt für Mail- und Kalendersysteme muss sich daran messen lassen, wie gut er den am weitesten verbreiteten Client Outlook unterstützt. Rund 70 Prozent der Mail-User in Unternehmen arbeiten mit dieser Software. Microsoft macht es der Konkurrenz durch die Verwendung des geschlossenen MAPI-Protokolls für die Kommunikation mit Exchange aber nicht gerade einfach. Wenn Hersteller für ihre Systeme eine Outlook-Anbindung reklamieren, dann empfiehlt sich genaueres Hinsehen. Neben dem Zugriff auf das Postfach sollte etwa auch die Terminplanung inklusive der Gruppenfunktionen klappen.

Diese Anforderung gilt auch dann noch, wenn die Anbieter konkurrierender Lösungen Web-Frontends ausliefern, die Microsofts Desktop-Client in puncto Bedienerfreundlichkeit kaum nachstehen. Gerade bei der Ablösung älterer Exchange-Installationen durch eine Linux-Alternative sollte die Umstellung für den Endbenutzer möglichst unbemerkt vonstatten gehen.

Eigenschaften der quelloffenen E-Mail-Systeme

Einen Überblick über die wichtigen Eigenschaften quelloffener E-Mail-Systeme finden Sie in diesem PDF-Dokument.

Alle drei hier vorgestellten Linux-Lösungen schenken der Bedienbarkeit große Aufmerksamkeit. Sie sind nicht nur in der Lage, Outlook funktional durch einen Web-Client weitgehend zu ersetzen, sondern können das Microsoft-Programm im Browser auch optisch fast komplett nachbilden. Zimbra und Scalix bieten durch moderne Ajax-Oberflächen beinahe das Ansprechverhalten einer Desktop-Software.

Die Anforderungen an Mail- und Groupware-Systeme sind in den letzten Jahren stark gewachsen. Sie müssen skalierbar sein, den häufigen Viren- und Spam-Attacken trotzen und gute Verwaltungs-Tools bieten. Außerdem sollen sie den steigenden Ansprüchen der Anwender genügen, die durch gute Web-Mailer und Online-Kalender aus dem Consumer-Bereich verwöhnt sind. Darüber hinaus nutzen viele von ihnen mobile Geräte oder wollen vom Home Office auf ihr Postfach zugreifen. Eine Enterprise-Lösung soll in dieser Hinsicht nicht enttäuschen.

Gefragt ist zunehmend auch Unterstützung für Arbeiten in Gruppen ("Collaboration"): Kalender, Termin- und Aufgabenverwaltung sowie Adressbücher. Zusätzlich wünschen sich moderne Arbeitsnomaden den Zugriff auf ihre Daten unabhängig vom Standort, und das bei hohen Sicherheitsanforderungen. Dabei muss ein Messaging-System der wachsenden Zahl mobiler Endgeräte Rechnung tragen. Schließlich sei noch erwähnt, dass der Umgang mit Mails gesetzlichen Vorgaben gehorchen muss und daher Archivlösungen zur Verfügung stehen sollten. Der Trend zu Unified Messaging führt dazu, dass sich viele Anwender ein Fax-Gateway und die Integration von Voice-Mail wünschen. Bei Systemen mit geringer Verbreitung herrscht oft ein Mangel an solchen Add-ons von Drittanbietern. Im Vergleich zu den Marktführern bieten die drei Linux-Programme eine bescheidene Auswahl.

Weitere Mail- Systeme für Linux

Open-Source-Produkte

Kommerzielle Linux-Produkte

Univention Groupware Server: http://www.univention.de;

Zarafa: http://www.zarafaserver.de;

Kerio Mailserver: http://www.kerio-mailserver.de

Exchange-Mimikry

Auf dem Server sprechen die alternativen Mail- und Groupware-Systeme alle heute benötigten Protokolle und gaukeln damit den Clients einen Exchange-Server vor. Die Benutzer- und Konfigurationsdaten können sie nicht nur in einem LDAP-, sondern problemlos auch in einem Active Directory speichern. Der Anwender von Smartphones, PDAs und Palm-Geräten wird durch Techniken wie Activesync (Microsoft) oder den offenen Standard SyncML angebunden. Die Push-Fähigkeiten von Zimbra und Scalix können im Zusammenspiel mit bestimmten Handys und PDAs teure Blackberry-Lösungen ersetzen.

Eingeschränkte Gratislösung

Sämtliche Microsoft-bezogenen Schnittstellen sowie alle mobilen Komponenten sind zumeist den kostenpflichtigen Versionen vorbehalten (die dann in aller Regel auch nicht Open Source sind) - der Outlook-Connector wird lediglich von Scalix bei Installationen bis 25 Benutzer kostenlos mitgeliefert. Die Anwender der Gratisvarianten müssen denn auch mit einigen weiteren Einschränkungen leben, so spart Open-Xchange bei der Community-Version die Installationsroutine und auch die Administrationsoberfläche aus - hier muss der Administrator also selbst Hand anlegen und dabei mit einem Compiler umgehen können wie auch gute LDAP-Kenntnisse und viel Zeit mitbringen.

Suchmaschinen

Vieles haben die Exchange-Alternativen gemeinsam: Sie sind prinzipiell in einer freien sowie mindestens einer kommerziellen Version verfügbar, welche jeweils deutlich mehr Funktionen bietet. Sie greifen auf zentrale, bewährte Infrastrukturkomponenten wie den Apache Webserver, Apache Tomcat, die Datenbanken PostgreSQL oder MySQL, OpenLDAP sowie andere freie Pakete wie Sendmail und CyrusIMAP zurück.

Open-Xchange

Sehr umfassende Groupware-Suite, ursprünglich aus dem Hause Suse, mit konsequenter Open-Source-Ausrichtung und großer Community.

Vorteile

  • großer Funktionsumfang mit Webmail, Kalender, Aufgaben, Projektverwaltung, Foren, schwarzem Brett, Knowledgebase, Verwaltung für Dokumente und Bookmarks sowie Adressen.

Nachteile

  • lückenhafte Dokumentation, einfache HTML-Ober- fläche, Installation teils schwierig, nur wenige mobile Clients, bei der kommerziellen Version nur zwei Server-Betriebssysteme zur Auswahl.

Zimbra

Die Firma des ehemaligen Bea-CTO Scott Dietzen bietet eines der jüngsten Produkte in diesem Feld und ist gleichzeitig Pionier bei Ajax-Oberflächen für den Enterprise-Einsatz. Eine Besonderheit von Zimbra sind "Zimlets", kleine Plug-ins, mit denen man die Funktionen des Systems erweitern kann.

Vorteile

hervorragender Web-Client, gute Administrations-Tools, einfache Installation, umfangreiche Integrationsmöglichkeiten, Unterstützung vieler mobiler Clients; Erweiterbarkeit durch Zimlets.

Nachteile

Outlook-Funktion nicht ganz vollständig.

Scalix

Dieses auf Mail und Calendaring fokussierte Produkt gibt es erst seit kurzem in einer Open-Source-Ausführung, wobei die Module nach und nach unter der GNU Public Licence veröffentlicht werden.

Vorteile

nahezu vollständige Outlook-Integration, gut bedienbarer, stark an Outlook orientierter Ajax-Web-Client, Unterstützung vieler mobiler Clients.

Nachteile

keine.

Alle Systeme bieten erwartungsgemäß eine leistungsfähige Suchmaschine, die angesichts der zunehmenden Datenflut unverzichtbar geworden ist. Scalix bedient sich hierfür Apaches "Lucene". Zimbra und Open-Xchange bringen auch eine einfache Dokumentenverwaltung mit, wobei Letztere sogar kompatibel mit der freien CIFS-Implementierung Samba ist.

Hier hören die Gemeinsamkeiten jedoch fast schon auf, werden doch sehr unterschiedliche Ansätze und Konzepte gewählt, beispielsweise für die Integration mit der Microsoft-Welt. Zimbra und Scalix bin- den sich über eine MAPI-Implementierung an, Open-Xchange per WebDAV/XML-Schnittstelle, was zu funktionalen Einbußen führt.

Zimbra

Auch die Philosophien sind unterschiedlich: Scalix und Zimbra bringen eigene (Open-Source-) Programme für POP 3, IMAP, SMTP und LDAP-Services mit - Open-Xchange verlässt sich hingegen komplett auf durch die jeweilige Distribution vorinstallierte Komponenten, was die Installation sowie das Update aufgrund von Versionskonflikten erschweren kann.

Fazit

Interessant dürften die hier vorgestellten Produkte derzeit vornehmlich für kleinere und mittlere Firmen sein. Es gibt aber auch schon Erfolgsgeschichten aus großen Unternehmen und Einrichtungen, so dass auch in diesem Umfeld der Druck auf das Establishment zunehmen dürfte - zumal die Produkte für das Enterprise-Umfeld durchaus gerüstet sind: Sie bieten gute Skalierbarkeit, umfassende Backup-Methoden, die Möglichkeit zur Aufgliederung der Dienste auf mehrere Server sowie Cluster-Optionen.

Scalix

Die hier vorgestellten Produkte überzeugen durch ihre Fähigkeit, Outlook zumindest in den entscheidenden Punkten zu ersetzen, mobile und Web-Anwender zu bedienen sowie die heute üblichen Groupware-Funktionen wie Kalender, Aufgaben- und Kontaktverwaltung. Wer mit einer Open-Source-Version liebäugelt, sollte genau prüfen, ob sie den Anforderungen genügt, da wesentliche Bausteine den kommerziellen Ausführungen vorbehalten bleiben.

Für gehobene Ansprüche dürfte derzeit Scalix die Nase vorn haben. Trotz relativ komfortabler Administrationswerkzeuge sollten Systemverwalter bei allen drei Produkten gute Linux- und Netzkenntnisse mitbringen. Neben Open-Xchange, Scalix und Zimbra, alle derzeit viel beachtet, gibt es dabei eine ganze Reihe weiterer interessanter Open-Source-Produkte.