Vom Netzwerker zum Serverproduzent

Ciscos Griff nach dem Rechenzentrum

16.02.2009
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Die Branche spekuliert über eine Neuorientierung des Netzspezialisten. Gerüchten zufolge arbeitet Cisco an einem eigenen Blade-Server und könnte damit langjährige Partner wie IBM und HP verärgern.
Auf der Suche nach neuen Wachstumsmärkten hat Cisco das RZ im Visier.
Auf der Suche nach neuen Wachstumsmärkten hat Cisco das RZ im Visier.
Foto: IBM

Der US-amerikanischen IT-Industrie stehen möglicherweise größere Umwälzungen ins Haus. Nein, diesmal ist nicht von der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise die Rede. Es geht vielmehr darum, dass die 40-Milliarden-Dollar-Company Cisco (gerundeter Umsatz im Geschäftsjahr 2008), getrieben von den Wachstumserwartungen der Finanzanalysten, zum Sprung in das Rechenzentrum (RZ) ansetzt. Über Jahrzehnte im Router- und Switch-Geschäft zu Hause, verspricht sich das Unternehmen vom RZ-Business neue Wachstumsfelder, auf denen sich die Umsatzerwartungen erfüllen lassen. Cisco muss etwas tun, denn das Geschäft mit Kommunikationstechnik - wie die jüngsten Entwicklungen bei Alcatel-Lucent oder Nortel Networks zeigen - lahmt, auch wenn bei de Unternehmen einen Gutteil ihrer Schwierigkeiten selbst zu verantworten haben.

Dass Cisco über eine gut gefüllte Kasse von rund 27 Milliarden Dollar verfügt, trägt nicht unbedingt zur Beruhigung von Konkurrenten und Partnern wie IBM und Hewlett-Packard bei, mit denen der Netzausrüster in der Vergangenheit in einer Art Symbiose lebte: HP und IBM lieferten die Rechenpower, Cisco die Netzinfrastruktur. Nun scheint aber Cisco seinen Partnern unter dem Schlagwort "Unified Computing" die angestammten Claims im Rechenzentrum streitig machen zu wollen. Dass Padmasree Warrior, Chief Technology Officer (CTO) von Cisco, auf dem Weg zu den Inaugurationsfeiern von Präsident Barack Obama in ihrem Twitter-Blog unkommentiert auf einen Artikel der "New York Times" mit der Überschrift "Cisco Plans Big Push Into Server Market" verwies, beruhigte nicht unbedingt die Nerven der anderen IT-Hersteller. Auch im Interview mit der Computerwoche, trug Warrior, die als heiße Kandidatin für den Job als erste CTO der Vereinigten Staaten gehandelt wird, wenig zur Entspannung der Situation bei. Ciscos Technikchefin erwies sich vielmehr als Meisterin im Abbrennen von Nebelkerzen mit Andeutungen wie, dass man an der Virtualisierung der Rechenzentren arbeite und dabei keine Me-too-Strategie fahren werde. Gerüchten über einen möglichen Blade-Server von Cisco erteilte sie keine klare Absage.

HP hat bereits reagiert

Noch halten sich IBM und Sun mit öffentlichen Aussagen oder gar Kritik zurück. IBM verbannte lediglich Ende Januar laut US-Berichten die Gigabit-Ethernet-Switch-Module von Cisco aus dem Produktkatalog für die eigenen Bladecenter-Server. HP dagegen überlässt Cisco den Markt nicht kampflos. Aus unternehmensnahen Kreisen ist zu hören, dass die Company bei Projekten nicht mehr Cisco als OEM-Partner für die Netzausstattung empfiehlt, sondern inzwischen ganz auf die eigene Netz-Division HP Procurve setzt. Und Letztere hat bereits mit dem "Open Networks Ecosystem" (One) im Kampf um die Vorherrschaft im Rechenzentrum eine Gegeninitiative entwickelt.

Auf der Suche nach neuen Wachstumsmärkten ist das RZ-Business für Cisco interessant. Allein der Server-Markt wird 2009 für Umsätze von 50 bis 60 Milliarden Dollar gut sein. Ganz zu schweigen von dem Geschäft mit Management-Software oder den notwendigen Storage-Systemen.