Per Femtocell zur fixed mobile convergence

Mobile World: Sind Dual Phones schon überholt?

13.02.2008
Glaubt man einigen Ausstellern des Mobile World Congress, dann gehören Dect- und WLAN-Telefone bald zum alten Eisen. Der moderne User telefoniert künftig in den eigenen vier Wänden dank Femtocell mit seinem normalen Handy.

Der Gedanke hat etwas für sich: Eine Minimobilfunkzelle – die sogenannte Femtocell – soll in den eigenen vier Wänden künftig eine problemlose Handynutzung erlauben. Mit den Femtocells sollen die Zeiten endlich vorbei seien, in denen in manchem europäischen Massivhaus gerade mal am Fenster an einen vernünftigen Handyempfang zu denken. Nützlicher Nebeneffekt der rund 50 Quadratmeter großen Funkzellen ist, dass die Handys mit deutlich weniger Leistung senden und empfangen können, also zumindest auf dem Papier den Elektrosmog reduzieren. Und last but not least, für die neue Technik kann der Benutzer sein vorhandenes Handy weiterverwenden und braucht kein Dual-Mode-Telefon. Dies ist nämlich erforderlich, wenn die fixed mobile convergence per WLAN realisiert wird und innerhalb von Gebäuden per Voice over IP over WLAN telefoniert wird. Zu guter letzt lockt die neue Technik die Mobilfunkbetreiber noch mit Einsparungen, die laut Sandip Mukerjee, Vice President der Wireless Business Group bei Alcatel-Lucent, im hohen zweistelligen Prozentbereich liegen. Denn die Netzbetreiber müssten ihre Funkzellen nicht mehr so dicht ausbauen und könnten zudem im Betrieb die Sendeleistung herunterfahren, wenn die Inhouse-Abdeckung – angeblich werden 70 Prozent aller Handy-Telefonate innerhalb eines Gebäudes geführt - per Femtocells gewährleistet ist.

Angesichts dieser Vorteile verwundert es nicht weiter, dass Hersteller wie Netgear, NEC, Motorola oder Alcatel-Lucent auf dem Mobile World Congress entsprechende Produkte im Gepäck hatten. Und Alcatel-Lucent-Manager Mukerjee schwärmt bereits davon, dass dank der Femtocells in naher Zukunft auch MP3-Player, Kameras und andere Conusmer-Geräte mit Mobilfunksendern zum Datenaustausch ausgerüstet werden. Da die Femtocell zur Weiterleitung der Handy-Telefonate über DSL oder TV-Kabel zum Mobilfunkanbieter sowieso mit dem eigenen Router verbunden werden muss, könnten die Geräte so per Funk zum Bestandteil des eigenen Netzes im digitalen Heim werden. Folgt man den Worten Mukerjees weiter, könnte es in Sachen Femtocells noch in diesem Jahr losgehen. Seinen Worten zufolge testen auch in Europa bereits etliche große Carrier die Technik, so dass im zweiten Halbjahr ein kommerzieller Rollout vorstellbar sei. Anfangs, so seine Überzeugung, würden die Kunden das Femtocell-Equipment von den Mobilfunkanbietern bekommen, später sie aber eine ähnliche Entwicklung wie bei den DSL-Modems denkbar, die jetzt einfach im Laden verkauft werden.

Diesen Optimismus teilt allerdings Ken Kolderup, Vice President bei Kineto Wireless, nicht. Sein Unternehmen produziert Network Controller, die im Backend sowohl die Anbindung der Dual-Mode-Handys im WLAN als auch der Femtocells an die Netze der Mobilfunkanbieter übernehmen. Kolderup ist davon überzeugt, dass die Femtocell-Protagonisten von der technischen Reife ihrer Produkte heute dort stehen, wo das Dual-Mode-Lager vor zwei bis drei Jahren stand. "Was passiert etwa, wenn der Benutzer in einer Ecke ein stärkeres Mobilfunksignal hat als von seiner Femotcell", legt Kolderup den Finger in die Wunde, "telefoniert er dann zum teuren Mobilfunktarif oder zum günstigeren Homezone-Preis?" Ebenso fehlt noch der praktische Beweis, dass ein seamless handover zwischen zwei Femtocells ausserhalb des Labors unter rauhen Alltagsbedingungen funktioniert. Dann könnte ein Benutzer nämlich, so Mukerjee, in einem Gebäude über die Femtocell seines Nachbarn telefonieren. Eine andere Vision ist, dass mit den kleinen Femtocells etwa Messehallen ausgerüstet werden, um so in Spitzenzeiten den Ansturm an Handy-Telefoniern zu bewältigen. Dann müssten nicht ,wie in Barcelona das Gerücht kursierte, extra zum Mobile World Congress zusätzliche Mobilfunk-Basisstationen auf LKWs installiert werden, um den Andrang zu bewältigen.

Was Mukerjee als Vorteil betrachtet, sieht Kolderup wiederum eher skeptisch. "Glauben sie wirklich, dass die Femtocell-Benutzer begeistert sein werden, wenn Fremde über ihre Zelle telefonieren", hinterfragt er. Zudem fehlen nach seiner Meinung noch die Mechanismen, die regeln in welche Femtocell sich ein Handy einbucht, wenn etwa in einem Appartmenthaus gleich 20 oder mehr der Kleinstzellen vorhanden sind. Letztlich eröffnen die Dual-Mode-Phones für Kolderup dem User zudem mehr Freiheitsgrade: "Egal wo ich bin, mit ein Dual-Mode-Gerät kann ich in einem Hotspot günstig per VoIP über das WLAN telefonieren." Das Einsatzgebiet der Femtocells sieht der Manager dagegen eher auf die heimischen vier Wände begrenzt. Des Weiteren sticht für den Kineto-Manager das Argument der größeren Endgeräte-Unterstützung bei den Femtocells nicht, "denn bei vielen Femtocell-Geräten benötigen sie ein 3G-Telefon". Zudem sie die Verfügbarkeit an Dual-Mode-Handys auch kein Problem mehr, das große Hersteller wie Nokia, Samsung, LG etc. entsprechende Modelle im Programm hätten.

Das Kostenargument sticht wiederum laut Mukerjee nur bedingt, "denn es steht dem Netzbetreiber ja frei, wie er Telefonate in einer Femtocell tarifiert". Warum sollte ein Netzbetreiber seinen Kunden beispielsweise in ihrer eigenen Femtocell Gespräche nicht umsonst anbieten und beispielsweise auf Messen mit Sondertarifen locken, blickt der Manager in die Glaskugel.

Unabhängig davon, wer von den beiden Experten letztlich Recht behält, der Wirbel um die Femtocells auf der Messe verdeutlicht zumindest eines: Die Schlacht um den Endkunden zuhause geht in die nächste Runde – oder wie es Kolderup formuliert, "the battle for Homezone 2.0" hat gerade begonnen. Dabei geht es darum, ob es den Mobilfunkern gelingt den Festnetzbetreibern genügend Kunden abzujagen und ihre Spachminuten in die Mobilfunknetze zu transferieren. Auch wenn die Branche angesichtes von Mobile Internet, Web 2.0 etc. nicht gerne darüber spricht, aber noch verdienen die Mobilfunker das Gros ihres Geldes mit simplen Handytelefonaten. Allerdings halten die Festnetzbetreiber einen unschätzbarenTrumpf in der Hand: Ihre Datentarife für DSL, Glasfaser und Kabel-TV sind im Gegensatz zu den Mobilfunkern bezahlbar.(hi)