Business-SLAs bleiben eine Herausforderung

15.05.2007
Das Alignment von IT- und Geschäftsstrategie bereitet im Detail oft Schwierigkeiten.

Die IT-Abteilungen haben in den vergangenen Jahren intensiv daran gearbeitet, in der Definition, Beschreibung und Qualitätsmessung auf die Sprache und Anforderungen der Geschäftseinheiten einzugehen. Doch all ihre Bemühungen werden nicht goutiert, solange die Kosten nicht stimmen: "Den Fachabteilungen ist egal, wie die Services erbracht werden. Sie interessiert nur der Preis", sprach Peter Dassow, IT Senior Consultant bei der Schott AG, auf dem SLM Forum 2007 in Mainz vielen IT-Verantwortlichen im Auditorium aus dem Herzen: Die Kosten sind wie eh und je das wichtigste Kriterium, an dem sich die IT messen lassen muss. Qualität wird erst zum Thema, wenn sie schwindet.

Hier lesen Sie ...

  • wie interne IT-Abteilungen die Anwenderbetreuung verbessern;

  • warum es ihnen so schwerfällt, geschäftsorientierte IT-Services zu definieren;

  • welche Controlling-Verfahren sie eingeführt haben,

  • wie sich eine transparente Abrechnung von IT-Services gestalten lässt.

Der von IIR Deutschland Anfang Mai 2007 veranstaltete Branchentreff für Anwender, Berater und Produktanbieter hat gezeigt, dass sehr viele Unternehmen weiterhin an der Definition, dem Reporting und der Messung von SLAs (Services Level Agreements) feilen, sich dabei aber in sehr unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden. Einige beginnen erst damit, ihre Betriebs- und Betreuungsabläufe zu überarbeiten und SLAs etwa für den Helpdesk zu formulieren. Andere arbeiten an – möglichst Web-basierenden - Servicekatalogen, um den Anwendern Leistungs- und Preistransparenz zu bieten. Im Service-Level-Management erfahrene IT-Organisationen wiederum beschäftigen sich damit, ihre Dienste enger an den Anforderungen der Geschäftsbereiche zu orientieren. Schwierigkeiten bereitet jedoch allen, neben Preis- auch die Kostentransparenz herzustellen.

Mangelnder Workflow und unzufriedene Anwender

An den Praxisbeiträgen zur Konferenz ließ sich ein einheitliches Muster zum Start jedes Verbesserungsprojekts ablesen. Helpdesk- und Supporteinrichtungen gibt es in allen Unternehmen, doch es hapert am Workflow und der Servicebeschreibung, vor allem aber an der Kundenzufriedenheit. "Der Informationsfluss war schlecht, weil verschiedene Tools eingesetzt wurden", schilderte Christian Dichtl, der als freier Consultant den Maschinenbauer Lurgi AG in Frankfurt am Main berät, die Ausgangssituation im Helpdesk. Weil auch noch die Ansprechpartner für jeden Hilfesuchenden im Lauf der Problemlösung wechselten und Berichte nicht einheitlich verfasst wurden, häuften sich Missverständnisse, Fehlinterpretationen und Nacharbeiten. Das Ergebnis: Im Helpdesk mussten völlig überlastete Mitarbeiter sich den unzufriedenen Anwendern stellen.

Der Wertbeitrag, den die IT laut Selbsteinschätzung dem Kerngeschäft bereit stellt, ist verbesserungswürdig.
Der Wertbeitrag, den die IT laut Selbsteinschätzung dem Kerngeschäft bereit stellt, ist verbesserungswürdig.
Foto: Gartner

Innerhalb von vier Monaten hat Lurgi einen Incident- und Request-Workflow auf Basis der On-Demand-Lösung "SD²" von Solvedirekt implementiert. Der Helpdesk für 1200 Anwender und 4500 Geräten wird nun von Computacenter betrieben. Dem Dienstleister obliegt auch die Pflege des Berichtswesens, der Lösungsdatenbank und des Inventars. Wichtig war den Lurgi-Verantwortlichen die Flexibilität, sowohl auf Tool- als auch auf Dienstleisterseite. So wollte man die Helpdesk-Lösung selbst administrieren, um bei Anpassungen und Änderungen nicht immer einen Change-Prozess anstoßen zu müssen. Die ersten Erfahrungen sind gut. "Die Anwender fühlen sich besser betreut, weil sie über den aktuellen Ticket-Status informiert sind", berichtete Dichtl.

Das Services-Management ist eine dauerhafte Aufgabe, warnte Ulf Großmann, Head of Service & Risk Management bei Airbus: "Wichtig dabei ist vor allem eine kontinuierliche Kommunikation." Seine internen Kunden haben ihn beim Wort genommen und ihre Unzufriedenheit mit den Messgrößen und Qualitätsparametern in der IT vorgebracht. Die waren nämlich allesamt sehr techniknah, doch Angaben zur Server-Uptime, Mainframe-Leistung und Bandbreite sind den meisten Anwendern fremd. "Die Fachbereiche wollen kundenorientierte End-to-end-Angaben", schilderte Großmann das Interesse der Anwender etwa an Verfügbarkeitsdaten ihrer Applikation.

Airbus entwickelt einen Servicekatalog

Dieser sinnvolle Anspruch ist schnell formuliert, aber schwer umzusetzen. Die geschäftsorientierten Services beim Flugzeughersteller (etwa Betrieb des Intranet-Service "Airbus People") bedienen sich unterschiedlicher Ressourcen, die von mehreren Providern bereitgestellt werden. Die mit den zumeist externen Betreibern abgeschlossenen OLA-Verträge (Operational Level Agreement) sehen Angaben etwa zur Server-Verfügbarkeit oder –Antwortzeit vor. Diese Vereinbarungen auf geschäftsbezogene SLAs umzulegen ist eine enorme Herausforderung, bilanziert Großmann. Ziel des Verbesserungsprojekts bei Airbus war es, Servicekatalog und SLA-Prozess so zu gestalten, dass sich tatsächlich die gewünschten und nicht die machbaren Dienste betreiben lassen. Zudem sollten neue oder angepasste SLAs und OLAs schnell implementiert werden können. Darüber hinaus formulierte Airbus den Anspruch, mit Hilfe der Datenauswertung und des Service-Monitorings die Zeit für die Betriebsüberwachung zu reduzieren.

Obwohl auch mehrere interne Airbus-Abteilungen in den Lieferprozessen involviert sind, behält sich das Großmann-Team die Hoheit über den mittlerweile erstellten Servicekatalog vor. Der Liste liegen umfangreiche Verflechtungen zwischen den von vielen Providern erbrachten IT-Leistungen und den dem Kunden zur Verfügung gestellten IT-Dienste zugrunde. Der Fachabteilung bleibt die komplizierte Umsetzung indes verborgen. Sie kann sich im Intranet auf das Studium der Leistungsbeschreibung und SLAs konzentrieren. Obwohl die Airbus-IT das Leistungsspektrum einfach gestalten wollte, umfasst der aktuelle Servicekatalog immer noch 47 Produktlinien bestehend aus 180 Kundenpaketen und knapp 1900 Komponenten.

DHL konsolidiert rund 1000 IT-Services

Die Verknüpfung der technischen OLAs der Provider mit den geschäftsorientierten SLAs, die die interne IT an ihre Kunden weiterreicht, hat auch Martin Roth und Martin Frevert von DHL Express beschäftigt. Die interne IT-Abteilung der Deutsche-Post-Tochter verantwortet beispielsweise den IT-Service "Packstation", der die komplette IT-Unterstützung der gelben, stationären Paketannahme- und -ausgabeautomaten umfasst, von denen die Post mittlerweile deutschlandweit mehr als 1000 installiert hat. Dazu gehören unter anderem Komponenten wie Helpdesk, Applikations- und Datenbank-Server, SMS-Gateway (zur Benachrichtigung der Post-Kunden), Homepage und Netzwerk. Sämtliche Dienste sind ausgelagert. "Das Outsourcing hat uns einen enormen Vorteil verschafft, so konnten wir uns auf das Wesentliche konzentrieren ", beschrieb Martin Frevert, Head of Financial Management bei DHL Express Deutschland.

SLM-Tools bleiben vieles schuldig

Für IT-Organisationen entwickelt sich das IT-Service-Management zu einer Sisyphus-Aufgabe. Sie müssen von externen und internen Dienstleistern bereitgestellte Leistungen den sich ständig ändernden Anforderungen aus den Fachbereichen anpassen und aus der Vielzahl der Quellen geschäftsorientierte IT-Services zusammenstellen. Dabei fühlen sie sich offenbar von den Tool-Herstellern alleingelassen. "Die Standardwerkzeuge wurden unserer Situation als Demand-IT nicht gerecht", moniert beispielsweise Martin Roth von DHL Experess Deutschland. Die meisten Produkte gestalten die Abläufe für das IT-Service-Management nach den Empfehlungen der IT Infrastructure Library (Itil). Itil aber, so Roths Erkenntnis, sei vornehmlich als Handlungsempfehlung für IT-Dienstleister entwickelt worden. DHL habe daher eine eigene Lösung entwickelt.

Das ist offenbar keine Seltenheit, auch andere interne IT-Organisationen berichteten von selbst erstellten Lösungen, mit denen sich die Nachfrage der Anwender mit den Angeboten der IT-Dienstleister abgleichen lassen – das zeigte eine Diskussionsrunde auf dem SLM-Forum 2007 in Mainz. Das Risiko dieses Weges ist denen, die ihn gewählt haben, bewusst: Verlässt der Entwickler das Unternehmen, droht das Tool zu verkümmern. "Eigenentwicklungen sind nur tragbar, wenn man genügend Geld und Leute hat", warnte ein Teilnehmer.

Andere Unternehmen begnügen sich mit dem auf dem Markt Gebotenen nach dem Motto: Lieber 80 Prozent der Anforderungen mit Tools von der Stange abdecken als 100 Prozent mit selbst erstellten Lösungen. Möglicherweise müsse man auch die eigenen Prozesse überdenken und den in den Tools implementierten Abläufen anpassen, lautete ein Argument der Diskussion.

Dennoch: Dem Rollenwechsel der internen IT vom Betreiber zu einer Steuerungsorganisation werde kein Produkt gerecht, bemängelte die Runde. Häufig fehle es an standardisierten Dokumentationsvorlagen und Leistungsbeschreibungen sowie an Werkzeugen zur Provider-Überwachung. Die Verknüpfungen technischer OLAs (Operational Level Agreements) mit fachlichen SLAs (Service Level Agreements) sei keinem Tool gelungen.

Die umfangreichen Auslagerungsprojekte bei DHL haben die Konsolidierung der IT-Servicebeschreibungen nicht initiiert, aber beschleunigt. Die vor dem Projektstart in verschiedenen Excel-Tabellen gepflegten IT-Servicedefinitionen waren oft inkonsistent und zum Teil widersprüchlich. In detektivischer Kleinarbeit wurden rund 1000 IT-Dienste identifiziert und anschließend, Anfang 2006, geordnet und katalogisiert. Für die Serviceplanung und -entwicklung leistet sich DHL einen hauptamtlichen Service-Portfolio-Manager. Er soll beispielsweise der gesamten Organisation eine einheitliche Sicht auf die Dienste ermöglichen.

Die Arbeiten beschränkten sich anfangs nur auf Infrastrukturdienste, später kamen noch Services für den Anwendungsbetrieb hinzu. Seit Oktober 2006 arbeitet DHL an der Definition geschäftsorientierter Services, bis Juni 2007 will man dieses Vorhaben abschließen. "Aktuell binden wir unsere IT-Service-Datenbank an die CMDB (Configuration Management Datenbank) unseres externen Dienstleisters sowie an das SLA-Reporting an", erläuterte Martin Roth, Head of IT Service-Management bei DHL, den aktuellen Status des Projekts.

Servicekataloge als Basis für Kostentransparenz

Doch schon jetzt bieten die Ergebnisse eine gute Basis für das Finanz-Management bei DHL, weil sowohl die vom Provider gelieferten technischen Service, als auch die dem Kunden bereitgestellten Dienste sehr gut dokumentiert sind. So ließen sich einzelne IT-Komponenten zu Business-IT-Services zusammenstellen und auch mit den entsprechenden Kosten beziehungsweise Preisen verknüpfen. Zum Teil, bei Shared-Services wie Helpdesk, Netzen und Servern, muss auch Controller Frevert mit anteiligen Kosten und Verteilungsschlüsseln arbeiten, dennoch ist er von der Transparenz der Kostenrechnung überzeugt. In jedem Fall ist das interne IT-Portal, in dem alle IT-Services samt Kosten und Qualitätsmerkmalen für alle Abteilungen aufgelistet sind, eine sehr beliebte Anlaufstelle geworden. "Die Anwender können genau sehen, wie viel Geld sie für IT-Services bereits ausgegeben haben und welche Dienste sie sich noch leisten können, ohne das Budget zu überschreiten", schilderte Frevert.

Das SLM Forum hat gezeigt, dass den IT-Abteilungen noch einige Arbeit für das Alignment von IT und Geschäft bevorsteht. Der Konsumgüterhersteller Henkel beispielsweise vertraut dabei auf interne Key-Account-Manager und eine starke Demand-Organisation, die sämtliche Facetten des Leistungsbezugs (IT-Outsourcing, BPO, Shared Services) ausschöpft, um den Anforderungen der Fachbereich gerecht zu werden. "Es gibt noch kein allgemeingültiges Rezept, um den Wertschöpfungsbeitrag der IT wirksam und nachhaltig zu verdeutlichen", räumte Ulrich Mohr, Leiter Service Delivery Management bei der Henkel KGaA in Düsseldorf ein. "Aber man kann deutlicher als bisher werden."