Wenn Outsourcer outsourcen: Im IT- Servicemarkt entsteht eine Zulieferindustrie

18.04.2007
Große Full-Service-Dienstleister bedienen sich zunehmend spezialisierter Zulieferer, die Comnmodity-Aufgaben billiger erledigen können.

Die Berliner Marktforscher von Berlecon weisen darauf hin, dass die Konsolidierung im IT-Servicemarkt nach dem Motto "Fressen und gefressen werden" nicht der einzige Trend ist. Industrialisierung und globales Sourcing sorgen auch für eine zunehmende "Fragmentierung der Lieferkette" und damit eine Neuordnung der Anbieterlandschaft.

In dem Maße, wie Prozessen im IT-Umfeld standardisiert und zerlegt werden, entstehen einzelne, voneinander unabhängige Bausteine, die an spezialisierte Dienstleister ausgelagert werden. Die großen IT-Servicekonzerne bedienen sich häufig solcher Zulieferer. Sie möchten den Kunden komplett bedienen und ihm auch Transformations- und Innovationsleistungen bieten. Berlecon schließt nicht aus, dass eine regelrechte Zulieferindustrie entstehen wird.

Die IT-Dienstleister übertragen den Berlinern zufolge den Outsourcing-Gedanken, den sie ihren Kunden selbst so gerne predigen, auf ihr eigenes Geschäft. Sie können sich ganz auf die Pflege der Kundenbeziehungen und auf margenträchtige Segmente am oberen Ende der Wertschöpfungskette konzentrieren. "Commodity-Aufgaben" etwa im IT-Infrastruktur-Umfeld gehen an spezialisierte Zulieferer, die ganz darauf eingerichtet sind.

Als Beispiel nennt Berlecon den Full-Service-Anbieter Capgemini, der sich im Bereich der Rechenzentren die Dienste des spezialisierten Anbieters IXEurope sichert. Capgemini sieht sich selbst für den geschäftskritischen Betrieb der IT-Applikationen seiner Kunden sowie die Hardware verantwortlich. "Für das Gebäude-Management", so Peter Henkel, Geschäftsführer der Capgemini Systems GmbH, in einer Pressemitteilung, "nutzen wir jedoch unseren Partner, der darin sein Kerngeschäft hat". Capgemini hatte auch die BT Group als Dienstleister für das Netz-Management eingebunden.

Berlecon nennt zwei weitere Beispiele für Nischen, in die Serviceunternehmen in der Rolle des Zulieferers schlüpfen können. So positioniert sich die Revacom GmbH mit Software-Management-Services im Markt: Als Zulieferer großer Dienstleister passt sie Softwarepakete für deren Kunden indivuiduell an und betreut den Rollout. Revacom etablierte dafür einen nach industriellen Normen gestalteten Lieferprozess, einschließlich der Einbindung von Nearshore-Ressourcen. Offensichtlich trifft dieses Angebot auf Interesse: Auf der Referenzliste des Dienstleisters, der seine Geschäfte erst 2004 aufnahm, finden sich namhafte Anbieter im IT-Services-Umfeld wie Hewlett-Packard, Bechtle, SBS (heute SIS) und Computacenter.

Ein weiteres Beispiel ist die Intact Integrated Services GmbH, die im Herbst 2006 in den deutschen Markt eintrat. Sie hilft IT-Dienstleister dabei, Kapazitäts- und Know-how-Lücken kurzfristig zu schließen. Will der Dienstleister beispielsweise Services für neuartige Netzwerk-, Kommunikations- oder Sicherheitstechnologien in sein Portfolio aufnehmen, kann Intact für eine Übergangszeit den Betrieb dieser Services übernehmen. Der Kunde bekommt davon nichts mit.

Die Beispiele zeigen laut Berlecon, dass Chancen und Herausforderungen durch Industrialisierung und Globalisierung im IT-Dienstleistungsmarkt vielschichtiger sind, als es die einfache Konsolidierungslogik suggeriert. Für große Player werde auf Dauer die optimale "Fertigungstiefe" zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor (neben kritischer Masse und internationaler Vernetzung).

Für kleinere Anbieter bietet die Industrialisierung interessante Wachstumsperspektiven - und das nicht nur bei Flucht in die Branchennische, die im ungünstigsten Fall ohnehin schon besetzt ist. Die Etablierung als Zulieferer setze jedoch voraus, dass die Anbieter zunächst selbst die Industrialisierung und Internationalisierung ihres Geschäfts vorantrieben. (hv)