Offshoring: Kostensenkung ist nicht das einzige Motiv

19.01.2007
Das Auslagern von Anwendungsentwicklung und –wartung in Niedriglohnländer ist für viele Unternehmen gängige Praxis.

Die Anwendungsentwicklung und –wartung - etwa in den Bereichen Java- und Website-Programmierung, NET- und Windows sowie Portalen und Datenbanken – in Niedriglohnländer auszulagern, ist in vielen Unternehmen mittlerweile gängige Praxis.

Einer Studie der Aberdeen Group zufolge geht es den Anwendern dabei nach wie vor um Kostensenkung: 62 Prozent der weltweit befragten Unternehmen nannten Einsparungen als Hauptmotiv. Mittlerweile genauso wichtig ist den Unternehmen aber mittlerweile eine stärkere Konzentration auf strategische IT-Fragen. So geht es heute vielen Anwendern darum, von der Expertise der spezialisierten Provider zu profitieren. Speziell im Mittelstand sind diese Erwartungen verbreitet. Laut Aberdeen-Umfrage versprechen sich 37 Prozent Firmen vom Offshoring der Softwareentwicklung und –wartung mehr Qualität bei der Dokumentation von Prozessen und Best-Practices. 36 Prozent gehen davon aus, durch Verbesserungen von Versionskontrolle und Lifecycle-Mangement die Umsetzung ihrer Entwicklungsprojekte zu beschleunigen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Und 35 Prozent der Befragten erhoffen sich mehr Qualität in der Softwareentwicklung.

Indien ist beim Offshoring der Anwendungsentwicklung und –wartung nach wie vor das beliebteste Land: 46 der befragten Unternehmen haben den Großteil ihrer Softwareentwicklung und mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) haben ihre Anwendungsbetreuung größtenteils auf den Subkontinent ausgelagert. Auf die USA als Entwicklungsstandort entfallen laut Studie 30 Prozent beziehungsweise 27 Prozent der Nennungen.

Aber auch andere Länder etablieren sich zunehmend als Offshore-Regionen für diese Tätigkeiten. Insbesondere immer mehr Anwenderunternehmen außerhalb der USA errichten Entwicklungszentren in China, Osteuropa, Brasilien, Kanada und Mexiko (siehe Grafik). Dabei gewinnt vor allem das Thema Nearshoring an Gewicht: 36 Prozent der Befragten halten es für wichtig, dass sich das Entwicklerteam des Providers in der Nähe oder zumindest in der gleichen Zeitzone befindet, um Face-to-Face-Meetings und den Austausch von Informa-tionen zu den normalen Arbeitszeiten beider Parteien zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund, dass viele Anwender das Know-how ihrer IT-Abteilung durch die Zusammenarbeit mit dem Provider verbessern wollen, spielt dieser Punkt eine zunehmend wichtige Rolle.

Allerdings müssen die Anwender bei dem Auslagern ins Ausland einiges beachten. Vor allem die Auswahl und das anschließende Management des Provi-ders haben entscheidende Auswirkungen auf die Qualität der erbrachten Services. Nach Auffassung der Analysten sollten der oder die Dienstleister so gesteuert wer-den, als seien sie ein Bestandteil des Anwenderunternehmens. Dazu gehört auch, dem Provider die eigenen Firmenziele klar zu kommunizieren und möglichst schrift-lich in den Projekt-Management-Prozeduren, Reviews und SLAs festzuhalten. Um einen erfolgreichen Projektverlauf zu gewährleisten, sollten die mit dem Provider-Management beauftragten Personen nicht nur dedizerte Management-Skills mitbringen. Noch wichtiger, so die Erfahrungen der Anwender, sind fundiertes Outsourcing-Know-how und Erfahrungen mit großen Entwicklungsprojekten.

Offshoring-Einsteigern empfehlen die Aberdeen-Experten, zunächst mit dem Auslagern von Programmiertätigkeiten zu beginnen. Solche Aufgaben seien anschaulicher und leichter fassbar als Anwendungsbetreuung und böten daher eine ideale Übungsfläche für die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg. (sp)