NTT Data übernimmt Mehrheit

BMW löst sich von Cirquent

28.07.2008
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Der Münchner Autobauer will seine IT-Tochter Cirquent verkaufen. Als aussichtsreicher Interessent gilt die japanische NTT Data.

Seit etwa drei bis vier Monaten bereitet BMW die Veräußerung der IT-Tochter Cirquent vor. Als Berater steht dem Konzern das Finanzinstitut Rothschild zur Seite. Nun soll eine Entscheidung für den japanischen IT-Dienstleister NTT Data gefallen sein. Das Tochterunternehmen des Carriers NTT wird voraussichtlich die Mehrheit an Cirquent übernehmen. Die Unternehmen kommentierten auf Anfrage die Nachricht nicht.

Peter Kreutter von der privaten Wirtschaftshochschule WHU in Vallendar: Wenn Konzerne selbst in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind, steht die strategische Portfolio-Bereinigung und damit die Trennung von Randaktivitäten stets ganz oben auf der To-Do-Liste.
Peter Kreutter von der privaten Wirtschaftshochschule WHU in Vallendar: Wenn Konzerne selbst in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind, steht die strategische Portfolio-Bereinigung und damit die Trennung von Randaktivitäten stets ganz oben auf der To-Do-Liste.

Mit der Veräußerung trennt sich BMW von einem kerngeschäftsfremden Bereich. Das kommt nicht überraschend, war der Autokonzern doch zuletzt unter Druck geraten und hatte ein ehrgeiziges Sparprogramm gestartet. "Wenn Konzerne selbst in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind, steht die strategische Portfolio-Bereinigung und damit die Trennung von Randaktivitäten stets ganz oben auf der To-Do-Liste", beschreibt Peter Kreutter von der privaten Wirtschaftshochschule WHU in Vallendar Handlungsmechanismen des Konzern-Managements. "Ein vergleichbares Vorgehen haben auch Thyssenkrupp und RAG gezeigt, als sie sich von ihren IT-Töchtern trennten." Zuletzt hatte Cirquent auf Trennungsabsichten angesprochen immer geantwortet, solange die IT-Tochter profitabler als die Konzermutter sei, gebe es keinen Handlungsbedarf. "BMW möchte das in Cirquent gebundene Kapital freimachen und für das Kerngeschäft nutzen", mutmaßt Sascha Pfeiffer, als Geschäftsführer bei dem auf Mergers and Acquisitions (M&A) spezialisierten Beratungshaus Close Brothers in Frankfurt am Main verantwortlich für den Technologiesektor.

Sascha Pfeiffer, als Geschäftsführer bei dem auf Mergers and Acquisitions (M&A) spezialisierten Beratungshaus Close Brothers in Frankfurt am Main verantwortlich für den Technologiesektor: BMW möchte das in Cirquent gebundene Kapital freimachen und für das Kerngeschäft nutzen.
Sascha Pfeiffer, als Geschäftsführer bei dem auf Mergers and Acquisitions (M&A) spezialisierten Beratungshaus Close Brothers in Frankfurt am Main verantwortlich für den Technologiesektor: BMW möchte das in Cirquent gebundene Kapital freimachen und für das Kerngeschäft nutzen.

NTT Data ist in den Augen von Pfeiffer ein logischer Kaufinteressent. Die IT-Tochter des japanischen Carriers NTT ist im Heimatmarkt eine Macht. Im Ausland erzielt sie jedoch lediglich 1,5 Prozent ihres rund sieben Milliarden Euro umfassenden Gesamtumsatzes (wichtige Kenndaten zum Unternehmen finden Sie hier). Der Anbieter wird zunehmend von den eigenen Kunden zur Internationalisierung gedrängt, damit er ihnen auch in den Exportmärkten IT-Dienste liefern kann. Für japanische Kunden ist der deutsche Markt besonders wichtig, betont Pfeiffer. Cirquent könne NTT den Zugang zu einem wichtigen deutschen Konzern öffnen, immerhin beläuft sich der Umsatz der BMW-Tochter mit der Muttergesellschaft auf rund 80 Millionen Euro pro Jahr. Zudem scheint das Applikations- und Integrations-Know-how für NTT Data eine besondere Rolle zu spielen. "Japanische Konzerne nutzen häufige SAP-Applikationen", beobachtet M&A-Experte Pfeiffer.

NTT Data ist keine Unbekannte in Deutschland. Einen ersten Schritt ins hiesige IT-Servicegeschäft wagte der Konzern im Oktober 2007, als er sich für rund 150 Millionen Euro die Mehrheit an der Itelligence AG aus Bielefeld sicherte. Seitdem arbeitet der IT-Dienstleister aus Ostwestfalen unverändert weiter, eine Integration ins europäische NTT-Data-Geschäft ist vorerst nicht vorgesehen. Mit Cirquent dürften die Japaner ähnlich vorgehen. "NTT Data verfolgt langfristige Pläne und versteht bislang den deutschen und europäischen Markt noch nicht. Sie lassen das hiesige Management zunächst intakt. Eine Integration kann durchaus fünf bis sechs Jahre auf sich warten lassen", prognostiziert Pfeiffer.

Mit Cirquent würde NTT Data ein gesundes Unternehmen kaufen. Der Anbieter beschäftigt rund 1800 Mitarbeiter, die im vergangenen Jahr 286 Millionen Euro eingenommen haben. Für das laufende Jahr plant das Unternehmen einen Umsatz von 298 Millionen Euro. 22 Prozent der Einnahmen kommen vom BMW-Konzern, sie wurden vor allem mit Prozessberatung und IT-Projekten erzielt. Der Provider war bereits 1971 als Softlab gegründet und 1992 von BMW übernommen worden. Seit Anfang des Jahres firmiert die Konzerntochter unter der aktuellen Bezeichnung. Mit der Umbenennung wollte das Management zum einen Tochtergesellschaften wie Nexolab, Entory und Axentiv unter einem Dach vereinen. Zum anderen soll die neue Bezeichnung das gewandelte Geschäftsmodell zum Ausdruck bringen. Softlab hat sich in den vergangenen Jahren darum bemüht, in den Markt für höherwertige Beratungsdienste vorzudringen. "Der Umbenennung folgte aber keine interne Reorganisation", berichtet Michael von Uechtritz, Market Research Director bei Gartner. Er wertet dies als Anzeichen dafür, dass der Verkauf bereits früh feststand.