Interview

Matthias Hartmann, IBM: "Strategie- und IT-Beratung wachsen zusammen"

31.01.2008
Welchen Anforderungen heutige Berater gerecht werden müssen, erläutert Matthias Hartmann, Geschäftsführer der IBM Deutschland GmbH und Leiter von IBM Global Business Services, im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE.

CW: Herr Hartmann, IBM setzt schon seit geraumer Zeit auf eine Integration von IT- und Business-Beratung. Warum ist dieses Thema so wichtig für Sie?

Hartmann: Diese Verbindung hat sich in den vergangenen Jahren zu einem entscheidenden Faktor für den Erfolg von IT-Projekten entwickelt: Die heutigen Kunden verlangen, dass die Empfehlungen der Berater umsetzbar sind. Andererseits erwarten sie, dass die Umsetzung schnell erfolgt. Diese Forderungen lassen sich nur erfüllen, wenn Strategie- und IT-Beratung Hand in Hand gehen.

CW: Verliert die IT-Beratung vor diesem Hintergrund an Bedeutung?

Hartmann: Absolut nicht. Um in einem immer härteren, globalen Wettbewerb genug Wachstum zu schaffen und gleichzeitig die Produktivität zu verbessern, geht es nicht nur um Prozessoptimierung. Auch die IT wird immer mehr zum Werkzeug, um sich im Wettbewerb zu differenzieren. Für die Beratungshäuser kommt es heute darauf an, das in geschäftlicher Hinsicht Richtige zu raten, ohne die Implementierungsfähigkeit in der IT zu vernachlässigen. SOA ist hierfür ein gutes Beispiel: Das Thema wurde am Anfang vorrangig aus technischer Sicht betrachtet. Mittlerweile hat man erkannt, dass nur eine gesamtheitliche Betrachtung zum Erfolg führt.

CW: Durch die Übernahme der Unternehmensberatung von Pricewaterhouse Coopers vor fünf Jahren verfügt IBM über umfassende Management-Consulting-Kapazitäten. Trotzdem wird Ihr Unternehmen immer noch vorrangig als IT-Unternehmen, allenfalls als IT-Berater wahrgenommen…

Hartmann: Wegen der starken Wirkung der IT-Marke IBM müssen wir unseren Wandel zum Serviceanbieter immer wieder erklären, das stimmt. Auch wenn Studien klassischen Gesamtdienstleistern wie IBM überdurchschnittliche Kompetenzen in der Management-Beratung bescheinigen: In der öffentlichen Wahrnehmung ist das noch nicht so verhaftet.

CW: Was tun Sie dagegen?

Es kommt darauf an, das in geschäftlicher Hinsicht Richtige zu raten, ohne die Implementierungsfähigkeit in der IT zu vernachlässigen.
Es kommt darauf an, das in geschäftlicher Hinsicht Richtige zu raten, ohne die Implementierungsfähigkeit in der IT zu vernachlässigen.

Hartmann: Die beste Werbung sind Referenzen, und die haben wir. Außerdem zeigen wir in Form von Studien und Veröffentlichungen, dass das Thema Businss-Value bei uns im Mittelpunkt steht.

CW: Sind die Anforderungen an Ihre Berater vor diesem Hintergrund gestiegen?

Hartmann: Auf jeden Fall. So dürfen unsere Strategie- und Prozessberater nicht losgelöst von der Umsetzung agieren, sie müssen auch bereit sein, Probleme anzupacken. Und sie müssen belegen, inwiefern ihre Beratungsleistungen zur Wertschöpfung des Kunden beitragen. Auch die Anforderungen an die IT-Consultants sind gestiegen – vor allem was Change-Management, Internationalität in der Zusammenarbeit und kulturelles Verständnis betrifft. Technisches Know-how in einem Fachthema reicht nicht mehr aus. Um den Kunden in schwierigen Transformationsprozessen begleiten zu können, müssen sich die IT-Berater das Handwerkszeug der Management-Berater aneignen.

CW: Wie finden Sie derart hoch qualifizierte Leute?

Hartmann: Wir verstärken einerseits unsere Investitionen in die Zusammenarbeit mit Universitäten. So haben wir zum Beispiel mit der Universität Karlsruhe ein gemeinsames Institut für Dienstleistungsforschung gegründet, auch um die wachsende Nachfrage nach speziell für den Servicesektor ausgebildeten Akademikern zu befriedigen. Eine weitere gute Quelle ist unsere Berufsakademie. Andererseits muss man nicht jedes Know-how lokal vorhalten. IBM verfügt mittlerweile über einen enormen globalen Wissenspool, auf den wir bei Bedarf zugreifen können. So sind derzeit etwa 15 Prozent meiner Mannschaft im Ausland tätig. Umgekehrt sind etwa 20 bis 25 Prozent der Berater in hiesigen Projekten aus ausländischen IBM-Gesellschaften integriert.

CW: Das IT-Service- und Bearatungsgeschäft macht mittlerweile mehr als 50 Prozent des Gesamtumsatzes von IBM aus. Wie hoch ist der Anteil der Beratungseinnahmen?

Hartmann: Dazu machen wir keine Angaben. Ich kann aber sagen, dass 2007 ein sehr gutes Beratungsjahr für die IBM war – trotz des hohen Drucks, der im deutschen Consulting-Markt aufgrund von Wettbewerb und Konsolidierung herrscht.

CW: Fühlen Sie sich von den großen indischen Offshorern bedroht?

Hartmann: Bis jetzt nicht. Hierzulande haben die indischen Wettbewerber ja noch nicht so richtig Fuß gefasst. Ich glaube, dass sie dafür die Marktgegebenheiten besser kennen und die Anwender in ihrem jeweiligen Branchen- und kulturellem Umfeld besser verstehen müssten. Heutzutage kommt es darauf an, lokal zu agieren und global zu integrieren. Und da hapert es bei den Indern noch. Aber sie haben ja angekündigt, sich auf den deutschen Markt fokussieren und möglicherweise auch Übernahmen tätigen zu wollen. Ich bin gespannt, was in diesem Jahr passiert.

CW: Was sind aus Ihrer Sicht typische Eigenheiten des deutschen IT-Servicemarkts?

Hartmann: Die deutschen Anwender sind sehr konservativ, was das Ausprobieren von globalen Strukturen angeht: Fast alle unserer Kunden haben klare Offshoring-Absichten, aber sie wollen diese auf keinen Fall publik machen. Jeder will es tun, niemand will darüber reden. Generell werden die Outsourcing-Potenziale im Vergleich zum angelsächsischen Raum hierzulande zu wenig ausgeschöpft. Das gilt auch für das Thema Application-Management und die damit verbundene IT-Beratung: In Großbritannien und USA ist das Interesse daran viel größer.

CW: Was sind die derzeit wichtigsten Wachstumssegmente in Deutschland?

Hartmann: Nach dem erfolgreichen Verlauf des Herkules-Projekts rechnen wir mit weiterem Wachstum im öffentlichen Sektor. Einen weiteren Branchenschwerpunkt legen wir in diesem Jahr auf den Medienbereich, da die klassischen Medien- und IT-Techniken immer stärker zusammenwachsen. Ähnliches gilt für die TK-Branche: Die Konvergenz von IT und TK ist ein Wachstumstreiber und IBM ist als globaler Player hier sehr gut positioniert. Außerdem rechnen wir damit, dass die Nachfrage von Seiten des gehobenen Mittelstands weiter anziehen wird. Die meisten Unternehmen sind inzwischen auf den Globalisierungszug aufgesprungen, aber oft können sie die Internationalisierung nicht mit ihren eigenen Leuten stemmen und sind auf externe Hilfe angewiesen.