IT-Berater entwickeln Nischen-Tools

16.11.2007
Von Anette Menke
Die Consulting-Firma Collogia hat eine Verwaltungssoftware für die betriebliche Altersversorgung konzipiert.

Das Geschäft mit Softwareentwicklungen in Deutschland ist heiß umkämpft. In jedem Marktsegment tummeln sich Standardsoftwareanbieter und Spezialisten, Newcomer und etablierte Player. Auch IT-Dienstleister und Beratungshäuser beginnen zunehmend, auf Basis ihrer in Kundenprojekten gewonnen Erfahrungen eigene Softwarelösungen zu entwickeln. Vor allem Nischenanwendungen eignen sich für diesen Ansatz. Ein Beispiel hierfür ist die Collogia Unternehmensberatung aus Köln, die sich auf Fragen der betrieblichen Altersversorgung spezialisiert und hierfür selbst eine Verwaltungssoftware konzipiert hat.

Hier lesen Sie ...

  • warum sich die Beratungsfirma Collogia auf Services für die betriebliche Altersversorgung fokussiert hat;

  • wie das Unternehmen aus den Anforderungen eines Kunden eine spezielle Software entwickelt hat;

  • wie Collogia das Tool auch an andere Anwender vermarktet.

Die betriebliche Altersversorgung ist angesichts der Entwicklung der Altersstruktur in Deutschland ein heißes Thema. Angaben des Statistischen Bundesamts vom November letzten Jahres zufolge wird es im Jahr 2050 doppelt so viele 60-Jährige wie Neugeborene geben. Die Zahl der 80-Jährigen und über 80-Jährigen wird sich von heute knapp vier Millionen auf zehn Millionen nahezu verdreifachen. Bereits 2025 werden 34 Prozent der Bevölkerung älter als 60 Jahre sein. 2005 waren es noch 26 Prozent.

Flexible Verwaltungs-Tools gefragt

Collophir für Pensionsfonds
Collophir für Pensionsfonds

Da die Menschen deutlich länger leben, müssen sie auch länger finanziell versorgt werden. Vor diesem Hintergrund ist die betriebliche Altersversorgung ständigen Änderungen durch den Gesetzgeber unterworfen. Die Anwenderunternehmen sind daher auf Verwaltungssysteme angewiesen, die sich flexibel und kostengünstig an die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen anpassen lassen und die immer komplizierter werdenden Versorgungsstrukturen auch in der IT abbilden. Excel-Tabellen reichen da nicht mehr aus. Angesichts der Notwendigkeit von langfristigen Aussagen zur Altersversorgung, der Anpassung an neue Bestimmungen sowie der Abbildung der persönlichen Lebenssituationen von Arbeitnehmern werden die Anforderungen an die Systeme immer komplexer.

Hinzu kommt, dass nicht mehr nur die großen Versorgungsanbieter, sondern auch Vorgesetzte und Personal-Manager fundierte Angaben über die individuellen Rentenansprüche benötigen. Auch die Arbeitnehmer selbst wollen die Möglichkeit haben, sich jederzeit über ihren persönlichen Versorgungsanspruch aus der betrieblichen Alterversorgung zu informieren. All dies muss eine moderne Software leisten, ohne dass die sensiblen Daten in die Hände Dritter gelangen.

"Collphir": modulare Lösung für Arbeitgeber

Die von der Collogia Unternehmensberatung entwickelte modulare Lösung "Collphir" ermöglicht eine flexible Verwaltung der betrieblichen Altersversorgung mit den verschiedenen kombinierbaren Zusagearten und Durchführungswegen sowie benachbarten Themen wie Lebensarbeitszeitmodellen (Zeitwertkonten) und der Insolvenzsicherung von Altersteilzeitmodellen. Darüber hinaus bietet Collogia ihren Kunden - neben den Arbeitgebern sind das vor allem Versicherungen und andere externe Versorgungsträger wie Pensionsfonds und Pensionskassen - die Möglichkeit, unternehmens- oder branchenspezifische Versorgungsmodelle durch entsprechendes Customizing abzubilden.

Anlass für die Entwicklung von "Collphir" war ein 1995 unterzeichneter Vertrag mit dem Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit (PSVaG), einer Selbsthilfeeinrichtung der deutschen Wirtschaft zum Schutz der betrieblichen Altersversorgung bei Insolvenz des Arbeitgebers. Um die Arbeitnehmer, die Anspruch auf eine insolvenzgeschützte Betriebsrente haben, versorgen zu können, benötigte der Verein ein IT-System, mit dem sich die seit 1975 existierenden Daten in eine moderne IT-Struktur einbinden ließen. Collogia eignete sich das entsprechende Fachwissen an und entwickelte ein flexibles Verwaltungssystem, das bis heute im Einsatz ist. "Die Verwaltung der Leistungsansprüche von mehr als einer Million versorgungsberechtigter Rentner und Anwärter beim PSVaG war eine gute Referenz für uns", kommentiert Michael Höhnerbach, Vorstand Pensions-Management bei Collogia, den Einstieg seines Unternehmens ins Softwaregeschäft.

Im Zuge des Projekts gewann die Unternehmensberatung eine Menge Know-how im Bereich der betrieblichen Altersversorgung hinzu, das sie für die Entwicklung weiterer kundenspezifischer Softwareprodukte nutzen kann. Ein Beispiel hierfür ist eine Spezialanwendung für die Servicegesellschaft für betriebliche Altersversorgung öffentlicher Versicherer mbH (Öbav), die mehrere Unterstützungskassen betreibt. Angesichts des steigenden Verwaltungsaufwands – derzeit müssen die Versorgungsansprüche von rund 40 000 Arbeitnehmern bearbeitet werden - konzipierte Collogia innerhalb von zwei Mannjahren auf Basis von Collphir eine individuelle IT-Lösung für die Öbav. Seit März dieses Jahres ist die finale Programmversion im Einsatz.

Vom Lizenzgeschäft zum ASP-Modell

Wenn IT-Dienstleister Software liefern wollen, müssen sie in der Lage sein, sich dem Markt schnell und effektiv anzupassen. Vor rund zehn Jahren kam es dabei vor allem darauf an, eine Verwaltungssoftware zu implementieren, die bestehende Systeme ersetzen und eine reibungslose Migration des Datenbestandes sichern konnte. Robustheit für mehrere tausend Vertragsdaten war das Schlüsselwort. Darüber hinaus wollten die Kunden weder ihre Datenbestände noch die Hoheit über ihre Systeme außer Haus geben. Das Lizenzgeschäft galt in den Anfängen der Verwaltungssoftware daher als einzige Option.

Allerdings ist das Potenzial in diesem Geschäft nicht unendlich. Immer mehr Unternehmen kaufen für die Administration der betrieblichen Altersversorgung Tools zu oder entwickeln eigene Lösungen. Da es sich um einen sehr sensiblen Bereich handelt, herrscht zudem ein hoher Grad an Anbietertreue, Systemwechsel sind selten. Um auch künftig neue Kunden gewinnen und weiter wachsen zu können, musste sich Collogia daher ein neues Geschäftsmodell überlegen.

Eine geografische Ausweitung der Software-Entwicklung im Bereich Altersversorgung ins benachbarte Ausland gilt nach wie vor als schwierig. Zwar wächst der Bedarf an Spezialprodukten für die betriebliche Altersversorgung von den in Europa beschäftigten Mitarbeitern, weil sich immer mehr Unternehmen global beziehungsweise auf europäischer Ebene aufstellen und immer mehr Menschen zum Arbeiten ins Ausland gehen. Eine Europäisierung der Softwareangebote ist nach Einschätzung von Collogia-Berater Höhnerbach angesichts der unterschiedlichen länderspezifischen Gesetze in diesem Marktsegment jedoch noch Zukunftsmusik.

Stattdessen entschied sich Collogia dafür, spezielle Varianten der Collphir-Anwendung im ASP-Modell (Application-Service- Providing) anzubieten, um neue Kundenkreise zu erschließen. Dabei lagern die Anwender ihren kompletten Datenbestand an den IT-Dienstleister aus, der als Betreiber und "Vermieter" fungiert. Erste Erfahrungen hat Collogia mit der Gerling Pensions-Management GmbH gemacht: Die Gesellschaft arbeitet mit einer Komplettlösung zur Verwaltung der Lebensarbeitszeitkonten, die sie im ASP-Modell bezieht. Vor allem die präzisen Kosten-Nutzen-Analysen haben die Anwender von der nutzungsabhängigen Abrechnungsvariante überzeugt, meint Höhnerbach: "Noch vor ein paar Jahren wäre das Auslagern solch sensibler Daten nicht vorstellbar gewesen."

Von Vorteil für den Anwender ist dabei auch, dass sich die Berater an klare Kennzahlen halten müssen. Denn die Kunden der Collogia stehen gegenüber ihrem Träger bezüglich der Verwaltungskosten unter einem enormen Rechtfertigungsdruck. So ist genau festgelegt, wie hoch die Verwaltungskosten pro Arbeitnehmer sein dürfen. Bei Unterstützungskassen beispielsweise müssen die jährlichen Verwaltungskosten pro Arbeitnehmer zwischen zehn und 50 Euro liegen. Diese Vorgaben müssen die Anbieter von entsprechenden Anwendungen berücksichtigen, was nicht immer einfach ist. Andererseits, so Höhnerbach, verfügen sie mit dem Nachweis, wie sich die Ausgaben pro Konto verändert haben, auch über ein gutes Verkaufargument. (sp)