Microsoft laviert zwischen Software und Services

24.10.2007
Von 
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Der Softwarekonzern Microsoft will mit dem Ansatz "Software plus Services" auf den Trend zu Software-as-a-Service (SaaS) reagieren. Dabei muss es dem Unternehmen gelingen, On-Demand-Angebote zu schnüren, ohne seine klassischen Produkte in Frage zu stellen, und Partner für das Hosting von Applikationen zu gewinnen.

"Anwender wollen auch in Zukunft nicht auf Software auf dem PC verzichten", ist sich Jeff Raikes sicher. Dem Präsidenten der Business Division von Microsoft zufolge bieten lokal installierte Softwareprogramme mehr Bedienkomfort als reine Web-basierende Anwendungen. Die Aussage überrascht kaum, denn Raikes zeichnet unter anderem für die Office-Produkte verantwortlich, mit denen Microsoft jährlich viele Milliarden Dollar einnimmt. Lokale Applikationen sollen Benutzer mit Services von Microsoft ergänzen können, daher plädiert Microsoft für "Software plus Service" und nicht "Service statt Sorftware", wie es beispielsweise Salesforce.com tut. Raikes nutzte die derzeit in Kopenhagen stattfindende Konferenz "Convergence", um seine Thesen loszuwerden. Die Veranstaltung richtet sich speziell an Kunden und Partner der Geschäftsapplikationen von Microsoft.

Jeff Raikes will das On-Demand-Geschäft ausbauen, ohne das klassische Softwaregeschäft und den Partnerkanal zu beeinträchtigen.
Jeff Raikes will das On-Demand-Geschäft ausbauen, ohne das klassische Softwaregeschäft und den Partnerkanal zu beeinträchtigen.
Foto: Microsoft

Wenn Microsoft von Services spricht, sind damit Funktionen der eigenen Produkte gemeint, die der Softwareanwender über das Netzwerk verwendet (siehe auch "Mit Trippelschritten zu SaaS"). "Von einem Service reden wir beispielsweise, wenn der Anwender seinen Exchange-Server nicht im eigenen Unternehmen betreibt, sondern Exchange-Softwaredienste nutzt, die ein Hosting-Anbieter zur Verfügung stellt", definiert Julio de Villasante, Director Software as a Service Strategy bei Microsoft, den Ansatz. "Es ist eher eine Frage, wie die Funktionen aufgesetzt werden, in einer On-Demand- oder in einer On-Premise-Umgebung." Was für Messaging-Server gelte, sei genauso auf ERP- und CRM-Software übertragbar.

Partner sollen Software vermieten

On-Demand-Angebote sollen Partnerunternehmen auflegen. Sie kaufen dafür keine Software von Microsoft wie bisher, sondern schließen einen speziellen Vertrag (Service Provider Licence Agreement) ab. Sie zahlen dann an Microsoft eine Monatsmiete für die im Rahmen ihres Hosting-Angebots genutzte Software, die von der Anzahl der Anwender abhängt. Kündigt ein Mieter den Vertrag mit dem Hoster, bleibt der Dienstleister nicht auf den dann ungenutzten Softwarelizenzen sitzen, verspricht das Softwarehaus. Die Hoster-Lizenz hat Microsoft für alle Geschäftsapplikationen sowie Server-Systeme wie Exchange und Sharepoint eingeführt. Nach Unternehmensangaben gibt es weltweit 100 IT-Dienstleister, die entweder ERP- oder CRM-Software oder beide Produktlinien von Microsoft zur Miete feilbieten. Dazu zählt unter anderen T-Systems.

Im Gegensatz zu On-Demand-Spezialisten wie beispielsweise Salesforce.com muss Microsoft bei allen Aktivitäten in Sachen Software as a Service Rücksicht auf die Partnerstruktur sowie auf die existierenden Produkte nehmen. Würde sich Microsoft im großen Umfang selbst als Hoster betätigen, würde sie den Partnern Geschäft wegnehmen. Und umfangreiche Online-Anwendungen, die fest installierten Microsoft-Produkten Konkurrenz machen, will man vermeiden, so lange es geht. Google beispielsweise bietet mittlerweile kostenlose Online-Werkzeuge für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentation an. Diese Anwendungen bieten zwar bei weitem nicht das, was die kostenpflichtige Office-Suite von Microsoft zu bieten hat, doch für einfache Aufgaben taugen sie.

Microsoft als Hoster

Microsoft betätigt sich aber auch selbst als Hoster. Die teils kostenlosen, teils gebührenpflichtigen Angebote der Portale "Office Live" und "Windows Live" stellen Anwendern aus kleinen und mittelständischen Unternehmen unterschiedliche Online-Dienste zur Verfügung, darunter Funktionen zum Absichern von PCs, Teamkalender, Homepages, E-Mail-Postfächer sowie Projekt- und Dokumenten-Management-Mechanismen zur Verfügung. Nutzer von Outlook sind in der Lage, Online-Kalender in die lokal installierte E-Mail- und Kalendersoftware einzubinden sowie Kontaktdaten mit der gehosteten Live-Umgebung abzugleichen. Der "Outlook Connector" stellt die Verbindung zwischen dem On-Premise- und dem On-Demand-Programm her. Der "Office Live Workspace" bietet dem Office-Anwender die Möglichkeit, Dateien auf Dokumentenspeichern im Web abzulegen und gemeinsam mit anderen Online-Nutzern zu bearbeiten.

Mit "Dynamics CRM Live" bietet Microsoft im Laufe dieses Jahres eine in eigenen Rechenzentren betriebene CRM-Mietsoftware an. Dieses Angebot wird auf die USA beschränkt bleiben. Ob es jemals auch in Deutschland aufgelegt wird, lassen die Äußerungen des hiesigen Managements nicht erahnen.

Für größere Unternehmen gibt es neuerdings spezielle Hosting-Angebote. Beispielsweise könnte ein Konzern eine mehrmandantenfähige E-Mail-Server-Umgebung auf Basis von Exchange mieten. "Jede Tochtergesellschaft eines Konzerns kann so eine eigene E-Mail-Infrastruktur nutzen, ohne diese selbst betreiben zu müssen", erklärt de Villasante.

Kampfpreise für CRM On-Demand

Offenbar ist Microsoft mit der Entwicklung im Hosting-Business nicht zufrieden, denn unlängst hatte das Management eine drastische Preissenkung beschlossen. Für das CRM-Produkt zahlen Dienstleister künftig weniger an Microsoft: Der Konzern hat die Preise um 40 Prozent gesenkt, so dass der Hoster pro CRM-Anwender 15 Euro im Monat an den Softwarehersteller abzuführen hat. Den Mietpreis für seine Kunden legt der Serviceanbieter selbst fest. Mitunter kombinieren sie verschiedene Programme und offerieren sie als ein Mietprodukt. Beispielsweise gibt es Kombinationen aus der CRM-Umgebung und Exchange. "Wir hoffen, dass nun auch der Endkundenpreis für Softwaredienste sinkt", meint Robert Helgert, Direktor Mittelstand & Partner bei Microsoft in Deutschland.

Allerdings ist die Microsoft-Software noch nicht optimal für das Hosting geeignet. Erst die voraussichtlich Ende des Jahres verfügbare Version 4.0 von Dynamics CRM soll es IT-Dienstleistern erlauben, auf einem Rechner mehrere Kunden zu bedienen. Möglich wird dies durch eine Mehrmandantenarchitektur, bei der auf einer Softwareinstallation viele Mietkunden isoliert voneinander bedient werden können. Hierzu benötigt der Hoster nur einen leistungsstarken Rechner und kann – so hofft zumindest der Hersteller – deutlich an den Kosten sparen. Solche Mechanismen wird es für die ERP-Software "Dynamics NAV" wenn überhaupt erst in ferner Zukunft geben. In dem vermutlich Ende 2008 erscheinenden nächsten Release 2009 ist diese Eigenschaft jedenfalls noch nicht vorgesehen. Gleichwohl gibt es Dienstleister wie beispielsweise Deloitte in Dänemark, die das jetzige ERP-System zur Miete offerieren, von einem Massenmarkt kann hier jedoch noch nicht die Rede sein.

Softwarepartner besitzen nicht automatisch Hosting-Kompetenz

Doch nicht nur die Produkte müssen Hosting-fähig werden, sondern auch die Partner. Applikationen zur Miete bereitzustellen ist ein ganz anderes Geschäft, als Programme bei einem Kunden vor Ort einzuführen. Somit müssen sich Partnerfirmen mit Hosting-Unternehmen zusammentun. Doch selbst dann klappt der Ansatz nicht automatisch. Das Hosting einer horizontalen CRM-Anwendung lässt sich viel leichter aufziehen als ein Mietgeschäft mit ERP-Programmen. "Der CRM-Bedarf vieler Firmen egal aus welcher Branche sie stammen, ist bis zu einem bestimmten Grad ähnlich, bei ERP-Systemen hingegen nicht", meint Mogens Elsberg, General Manager für Dynamics NAV und AX. Dementsprechend groß ist für Hoster das Geschäftspotenzial mit CRM, wie er Erfolg von Salesforce.com zeigt. Eine Maschinenbaufirma hingegen benötigt andere ERP-Geschäftsprozesse als ein Handelsunternehmen. Wegen der kleineren Zielgruppe ist es Elsberg zufolge für einen Hoster risikoreicher, mit einer vertikalen ERP-Anwendung an den Markt zu gehen, als eine CRM-Software zur Miete anzubieten. Aus diesem Grund glauben Microsoft-Verantwortliche auch nicht, dass sich SAP mit dem horizontalen ERP-Mietsystem "Business Bydesign" durchsetzen wird. Ein damit konkurrierendes Angebot hat Microsoft bisher nicht in der Planung. (fn)