Business Objects, Oracle, Mittelstand, Aktienkurs

SAP-Chef Kagermann steht vor vielen schwierigen Aufgaben

30.01.2008
SAP-Chef Henning Kagermann steht in den möglicherweise letzten Monaten auf der Kommandobrücke von Europas größtem Softwarehaus vor vielen großen Aufgaben.

Es gibt Anzeichen, dass der habilitierte Physiker seinen bis Mai 2009 datierten Vertrag nicht verlängern wird oder SAP für eine Übergangszeit wieder mit einer Doppelspitze agiert. Der 60-Jährige muss vorher aber gleich mehrere Großbaustellen in den Griff bekommen, damit der Weltmarktführer für Unternehmenssoftware auch künftig die Nummer eins der Branche bleibt.

Der Milliardenzukauf Business Objects - die größte Akquisition in der Geschichte von SAP - muss in den Konzern integriert werden. Der schwelende Industriespionage-Streit mit dem Erzrivalen Oracle darf nicht weiter am Image des Unternehmens kratzen. Zudem muss der Mittelstand als neue Premium-Zielgruppe von den Vorzügen der SAP-Software überzeugt und die Talfahrt des Aktiekurses nachhaltig gestoppt werden.

Rund zwölf Prozent haben die SAP-Aktien im vergangenen Jahr eingebüßt. Nach der Vorlage der endgültigen Kennziffern 2007 und der Prognose für das laufende Geschäftsjahr am Mittwoch legte die Aktie immerhin um zwei Prozent zu. Den Ausschlag gab unter anderem, dass für 2008 beim Produktumsatz als wesentlicher Kennziffer ein deutliches Plus um bis zu 27 Prozent angekündigt wurde.

Für 2007 hatte SAP eine Steigerungen des Gesamtumsatzes um neun Prozent auf 10,2 Milliarden und ein Plus der Erlöse aus dem Verkauf von Software um 13 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro präsentiert. Bei den Software- und softwarebezogenen Serviceerlösen gab es ein Plus von 13 Prozent auf 7,4 Milliarden Euro.

SAP-Hauptkonkurrent Oracle glänzte zuletzt ebenfalls mit starken Zahlen und einer guten Entwicklung der Aktie. Dazu bleibt Oracle-Konzernchef Larry Ellison seiner aggressiven Unternehmensstrategie treu und legt für den Kauf einer Konkurrenten weiter Milliardensummen auf den Tisch: Für 8,5 Milliarden Dollar (umgerechnet 5,8 Milliarden Euro) wurde zuletzt der Softwarespezialist BEA Systems übernommen. In den vergangenen Jahren kaufte Ellison damit etwa 40 Unternehmen und gab dafür rund 40 Milliarden Dollar aus. Dritter großer Wettbewerber im Kampf um die Spitzenposition im Markt für Unternehmenssoftware ist der US-Riese IBM, der ebenfalls aus Einkaufstour ist.

Diese aggressive Einkaufspolitik zeigt auch die allgemeine Tendenz in der Softwareindustrie: Die Branche sucht ihr Heil in Fusionen und konsolidiert sich immer mehr. Dem Trend konnte sich auch SAP nicht verschließen und warf die über Jahre praktizierte Strategie über Bord, nahezu ausschließlich auf Wachstum aus eigener Kraft zu setzen. Die Investition von 4,8 Milliarden Euro für den französischen Spezialisten für Analysesoftware Business Objects bedeutet einen radikalen Kurswechsel in der 35-jährigen Unternehmensgeschichte.

Und auch bei Ausblick für das laufende Geschäftsjahr zeigte sich Kagermann beim Thema Zukäufe keineswegs verschlossen: Weitere milliardenschwere Einkäufe seien möglich. Konkret habe er zwar keine Firma im Visier. Wenn sich aber eine gute Gelegenheit zum Kauf biete, werde SAP erneut zuschlagen. Ob Kagermann damit die Losung der Zukunft ausgegeben hat, bleibt offen. Bei SAP gilt die Regelung, dass Vorstandsmitglieder vom 60. Lebensjahr an eine Vertragsverlängerung für jeweils nur ein Jahr erhalten sollten. Daher galt es bereits als Überraschung, dass der Vertrag des Topmanagers, der Ende 2007 ausgelaufen wäre, um 15 Monate ausgedehnt wurde.

Kagermann steht seit 2003 als alleiniger Chef und erster Nicht-Unternehmensgründer an der Spitze der Walldorfer. Zuvor war er von 1998 an der Seite von Hasso Plattner gleichberechtigter Vorstandssprecher von SAP. Nachdem Kronprinz und Technologievorstand Shai Agassi im Frühjahr 2007 das Handtuch geworfen hatte, wurde bislang kein neuer potenzieller Nachfolger aufgebaut. Möglicherweise wird bei der Hauptversammlung Anfang Juni - wenige Wochen vor dem 61. Geburtstag von Kagermann - ein Fingerzeig für die Zukunft präsentiert. (dpa/tc)