Kritiker sehen Zensur

Kabinett beschließt Gesetz zur Kinderporno-Sperre

23.04.2009
Die Bundesregierung hat das Gesetz zur umstrittenen Blockade von Kinderporno-Angeboten im Internet auf den Weg gebracht. Das am Mittwoch vom Kabinett beschlossene Gesetz soll noch vor der Sommerpause Bundestag und Bundesrat passieren.
Hat ihre Idee durchgesetzt: Ursula von der Leyen (CDU)
Hat ihre Idee durchgesetzt: Ursula von der Leyen (CDU)
Foto: Ursula von der Leyen

Es erfasst privatwirtschaftliche Internet-Anbieter mit mindestens 10.000 Kunden und damit 97 Prozent des Marktes. Es bestehe dann die Möglichkeit, die Täter zu verfolgen, sagte Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU). "Ob und wie die Strafverfolgungsbehörden davon Gebrauch machen, das steht auf einem anderen Blatt." Das Kinderhilfswerk UNICEF erklärte, Sperren seien notwendig, aber nicht die alleinige Lösung: "Dies ist ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen."

Nach Schätzungen gibt es in Deutschland täglich bis zu 450.000 Zugriffe auf Seiten mit kinderpornografischem Inhalt. 20 bis 25 Länder weltweit haben bereits Sperren für diese Angebote eingeführt oder tun das in Kürze. Bereits am vergangenen Freitag hatten fünf der größten deutschen Internet-Anbieter freiwillig Verträge mit dem Bundeskriminalamt (BKA) unterzeichnet. Darin verpflichten sich die Firmen, vom BKA identifizierte und auf Listen genannte Seiten mit Kinderpornos zu sperren. Wer die geblacklisteten Seiten ansteuert, soll - nach dem Gesetzentwurf zwingend - ein Stopp-Schild sehen.

Kritiker führen an, dies sei der Einstieg in eine staatliche Zensur. Einige Provider hatten die Verträge bewusst nicht unterschrieben, da sie ohne ein Gesetz keine Rechtssicherheit sahen. Mittlerweile hätten sich zwei weitere Anbieter bereiterklärt zu unterzeichnen, sagte von der Leyen. Tritt das Gesetz in Kraft, gibt es laut von der Leyen keine Übergangsfristen. Die Unternehmen wüssten nun, was auf sie zukomme und könnten sich vorbereiten. Staatliche Stellen und öffentliche Einrichtungen mit eigenen Netzen sind von der Sperrpflicht befreit. Sie hätten interne Regelungen zum Aufruf von Web-Seiten, sagte von der Leyen.

Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sagte, er sehe im härteren Vorgehen gegen Kinderpornografie "ein wichtiges, ein entscheidendes Signal". Ihm sei jedoch klar, dass es sich bei dem Gesetz nicht um ein Allheilmittel handele. Natürlich gebe es immer wieder Möglichkeiten, Blockaden zu umgehen. Hier müsse man am Ball bleiben und gegebenenfalls nachsteuern.

Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) erklärte, Zugriffsdaten würden nicht gespeichert. "Aber die Strafverfolgungsbehörden können in Echtzeit zugreifen und können sehen, wer versucht, hier gerade eine solche Seite aufzurufen. Und in dem Moment macht er sich bereits strafbar", sagte sie. Es sei denn, der Nutzer könne nachweisen, es habe sich um ein Versehen oder um eine technische Umleitung gehandelt.

Das BKA-Stoppschild: So soll es aussehen.
Das BKA-Stoppschild: So soll es aussehen.
Foto: BKA

Im Gesetzentwurf wird den Anbietern nicht mehr vorgeschrieben, wie sie die Seiten blockieren. Damit reagiert die Bundesregierung auf die Kritik, wonach die in den Verträgen mit dem BKA vorgesehene Sperrung bei der Umwandlung von Domain-Namen in die Ziffernfolge der technischen Internet-Adresse (DNS-Sperre) umgangen werden könne.

Die Deutsche Kinderhilfe forderte die Bundesregierung auf, die Strafe für das Herunterladen solcher Daten zu verschärfen - darauf stünden bislang nur zwei Jahre Haft. Die Grünen und die Linksfraktion im Bundestag kritisierten, das Gesetz helfe den Missbrauchsopfern zu wenig. Sie forderten weitere Maßnahmen. Der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur, dem auch der Chaos Computer Club angehört, warf der Bundesregierung eine "grundgesetzwidrige Internet-Zensur" vor. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis auf der Sperrliste auch weitere missliebige Internet-Inhalte stünden. (dpa/tc)