Ex-Vorgesetzte belastet

Siemens-Prozess: Zeuge bestätigt Zahlungen

28.05.2008
Im Prozess um den milliardenschweren Schmiergeld-Skandal bei Siemens hat nach dem Angeklagten auch ein Zeuge ehemalige Führungskräfte des Konzerns belastet.

Zugleich bestätigte er das System schwarzer Kassen sowie dubiose Zahlungen, die zur Erlangung von Auslandsaufträgen gedient haben sollen. Der Zeuge war früher kaufmännischer Angestellter bei Siemens und soll dem angeklagten Ex-Manager der Siemens-Festnetzsparte ICN beim Aufbau und Betrieb der schwarzen Kassen geholfen haben, was er in seiner Aussage einräumte. Am zweiten Prozesstag berichtete zudem die Staatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl als Zeugin über ihre Ermittlungen.

Nach ihren Worten haben der frühere Siemens-Zentralvorstand Thomas Ganswindt und weitere Beschuldigte Geständnisse abgelegt. Ganswindt saß vom Oktober 2004 bis September 2006 im Zentralvorstand von Siemens, wo er für den damaligen Kommunikationsbereich Com zuständig war, in dem die Ermittlungen ihren Anfang genommen hatten. Neben Ganswindt werden auch die früheren Zentralvorstände Heinz-Joachim Neubürger, Volker Jung und Uriel Sharef als Beschuldigte geführt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch in anderen Siemens-Sparten. Dort habe es ebenfalls Schmiergeld-Zahlungen gegeben, doch habe jeder Bereich seine "eigenen Modelle gehabt", sagte Bäumler-Hösl. "Da fand ein Austausch statt."

Auf die Spur des Angeklagten seien die Ermittler durch eine anonyme Anzeige aus dem September 2005 gekommen, erklärte die Staatsanwältin. Darin habe der Verfasser erklärt, dass es hohe Zahlungen von Siemens an den Angeklagten gebe, bei denen es sich nach seiner Vorstellung nur um "Schweigegeld" handeln könne. Letzter Satz des Schreibens sei gewesen: "Bitte bereiten sie diesen hohen Überweisungen ein Ende."

Der 57-jährige Angeklagte Reinhard S. muss sich wegen Untreue in 58 Fällen verantworten. Er hatte zum Prozessbeginn gestanden, die schwarzen Kassen aufgebaut und Zahlungen veranlasst zu haben, zugleich aber wie sein ehemaliger Kollege seine Vorgesetzten belastet. Der komplette Bereichsvorstand sei über seine Tätigkeit informiert gewesen, sagte der Angeklagte.

Insgesamt geht es im größten Schmiergeld-Skandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte um 1,3 Milliarden Euro an zweifelhaften Zahlungen. Der Angeklagte habe von Beginn an mit der Staatsanwaltschaft zusammengearbeitet, sagte Bäumler-Hösl: "Er war komplett kooperativ vom ersten Tag an." So habe S. den Ermittlern gleich zu Beginn zwei Koffer voller Unterlagen übergeben, darunter Belege, Zahlungsanweisungen und Rechnungen. Sein Kommentar dazu sei gewesen: "Da kommen Sie selber nicht drauf." Bäumler-Hösl bestätigte auch eine Zusage an den Angeklagten. Man habe ihm zugesichert, dass die Ermittlungen gegen ihn zum Teil eingestellt würden, falls neue Details der Affäre durch ein Geständnis von ihm aufgedeckt würden.

Der Zeuge bestätigte unterdessen verdeckte Provisionszahlungen bei Siemens, die teils bis zu 30 Prozent der Auftragssumme erreicht hätten. Solche Projekte seien "an für sich vorlagepflichtig beim Zentralvorstand" gewesen, sagte der 57-Jährige. Nachdem ein Geheimkonto in Salzburg aufflog, sei der Druck im Jahr 2002 massiv gewachsen, einen neuen Weg für die Abwicklung von Zahlungen zu entwickeln. Dabei nannte der Zeuge auch mehrfach Siemens-Mitarbeiter, die mit der Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften (Compliance) betraut waren. Schließlich habe es eine Anweisung gegeben: "Salzburg muss beendet werden, lasst Euch was anderes einfallen", sagte der Zeuge. Daraufhin habe man dann das System fingierter Beraterverträge etabliert. Ähnlich hatte sich zuvor auch der Angeklagte geäußert. (dpa/tc)