Analyse ECM

Wieso Open Text nach Vignette greift

12.05.2009
Von 


Sascha Alexander ist seit vielen Jahren als Redakteur, Fachautor, Pressesprecher und Experte für Content-Strategien im Markt für Business Intelligence, Big Data und Advanced Analytics tätig. Stationen waren unter anderem das Marktforschungs- und Beratungshaus BARC, die "Computerwoche" sowie das von ihm gegründete Portal und Magazin für Finanzvorstände CFOWORLD. Seine Themenschwerpunkte sind: Business Intelligence, Data Warehousing, Datenmanagement, Big Data, Advanced Analytics und BI Organisation.
Warum zahlt Open Text Millionen für den Konkurrenten Vignette? Für die meisten ECM-Experten gibt es angesichts massiver Produktüberschneidungen nur eine Erklärung: Märkte und Kunden.

Mit knappen Worten hatten Manager von Open Text und Vignette die Übernahme kommentiert. So erklärte John Shackleton, President and Chief Executive Officer von Open Text, die Kombination der Angebote verbessere die eigene Position im Markt für Enterprise Content Management (ECM), da Vignette vor allem im ECM-Anwendungsgebiet Web-Content-Management (WCM) seine Stärken habe. Zudem gewinne man prominente Kunden hinzu. Der 310 Millionen Dollar teure Abschluss soll überweigend in Bargeld, zu einem kleinen Teil in Aktien bezahlt werden. Stimmen Aktionäre und Börsenaufsicht zu, soll der Deal bereits in der zweiten Jahreshälfte abgeschlossen sein.

Analysten können die angeblichen Synergien überwiegend nicht erkennen. Open Text habe sich durch die Übernahme des WCM-Spezialisten Reddot Solutions und dessen Integration in die eigene Organisation bereits ein umfängliches Portfolio geschaffen und dieses im Oktober in einer "Web Solutions Suite" vereint, erinnert die Butler Group.

John Shackleton, CEO und President von Open Text, hofft auf zahlungskräftige Vignette-Kunden.
John Shackleton, CEO und President von Open Text, hofft auf zahlungskräftige Vignette-Kunden.
Foto: Open Text

Der Kauf von Vignette bringe trotz mancher Unterschiede im Detail derart viele Überschneidungen mit sich, dass eine Übernahme und Kombination der WCM-Produkte aus technischer Sicht keinen Sinn habe. Das gleiche Problem ergibt sich laut anderen Marktkennern bei Records-Management, Collaboration und der Verwaltung digitaler Medien (Digital Asset Management). Nach Ansicht des Experten Alan Perez-Shape von CMS Watch zielt Open Text daher gar nicht darauf ab, die Techniken beider Hersteller zu integrieren, sondern mit den vorhandenen Produkten möglichst lange Geld zu machen.

Wartung statt Integration

Ebenso vermuten die Butler-Analysten in erster Linie wirtschaftliche Motive hinter dem Deal. Open Text wolle damit den Umsatz und die Kundenbasis erhöhen. Der Anbieter mit Zentrale im kanadischen Waterloo hatte für das zweite Quartal 2009 trotz gestiegener Einnahmen mit Lizenzen, Support und Services einen heftigen Einbruch beim Nettoertrag von 93 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal bekannt geben müssen.

Aufsummiert ergab sich für das erste Halbjahr 2009 ein Minus bei den Nettoeinnahmen von 17 Prozent. Allerdings war das erste Quartal von Sonderzahlungen im Zusammenhang mit der Übernahme des DMS-Anbieters Captaris belastet. So konnte Open Text denn auch im soeben beendeten dritten Quartal kräftige ZUwächse melden.