Der arbeitgebernahe Branchenverband Bitkom beklagt, dass jedes dritte IT-Unternehmen seine Geschäftstätigkeit durch den akuten Fachkräftemangel ausgebremst sieht und dass die Zahl der freien Stellen für IT-Experten in Deutschland auf rund 38.000 offene Stellen gestiegen sei.
Der vermeintlich hohe Fehlbestand an Spezialisten und die Vielzahl an offenen Stellen bedeutet aber nicht automatisch bessere Berufschancen für alle IT-Experten. Denn viele IT-Unternehmen haben ihre Anforderungen auf ein unrealistisches Maß hochgeschraubt, das nur auserlesene Wunschkandidaten erfüllen können. Ebenfalls verringert hat sich die Bereitschaft der Arbeitgeber, für Spezialisten adäquate Gehälter zu zahlen und soziale Verpflichtungen einzugehen.
Das hat Folgen: "Viele begabte Studenten wenden sich vom Studium der Natur- und Ingenieurswissenschaften ab, weil die Gehälter der Hightech-Profis hinter die der Manager zurückgefallen sind", registriert Bernhard Stütz, Professor an der Fachhochschule Stralsund, wo er das Steinbeis-Transferzentrum für die Projektierung und Evaluierung von Netzwerken gegründet hat. "Viele dieser Studiengänge sind nicht mehr ausgelastet, der Nachschub an Fachkräften stockt", sagt Stütz.
Je komplexer der Job, desto mehr Geld
Er fordert deshalb, dass sich die Wertschätzung und Bezahlung der IT-Experten wieder an der Schwierigkeit ihrer Aufgaben orientieren müsse. Und in puncto interne Qualifizierung kritisiert Stütz: "Es wird zu wenig in die Weiterbildung der Mitarbeiter investiert. Bildungskosten sind Kosten, die man auf den Chefetagen vermeidet, weil sie den Gewinn schmälern." Eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) unter seinen Mitgliedern gibt über alle Branchen hinweg das Missverhältnis zwischen Expertenbedarf und Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen wieder. So wollten in Deutschland gerade einmal 22 Prozent der befragten Betriebe in diesem Jahr auf einem ohnehin niedrigen Niveau "mehr ausbilden", obwohl 55 Prozent der befragten Firmen die Fachkräftesicherung als das Leitmotiv für die Ausbildung erkannt hätten.
Selbst die Konzerne - früher für ihre zahlreichen Weiterbildungsaktivitäten begehrt - planen nicht mehr langfristig. "Gedacht wird bei den IT-Größen nur bis zum nächsten Quartalsbericht. Eine längerfristige Personalplanung kommt dadurch zwangsläufig nicht zustande", kritisiert Stütz. Das Notwendigste, was an Qualifizierung getan werden muss, bürden große Unternehmen verstärkt ihren Produkt- und Servicepartnern auf. Dirk Christiansen, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Nextragen, bemängelt: "Viele IT-Unternehmen kommen ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung nicht mehr nach. Stattdessen erwarteten sie, dass der Staat die Ausbildung für die fehlenden Spezialisten übernimmt, ohne dass sie dafür eine Gegenleistung erbringen." Am Geld fehle es den meisten Betrieben jedenfalls nicht, so der Nextragen-Geschäftsführer: "Dabei wären Unternehmen eigentlich verpflichtet, ihre Mitarbeiter permanent zu qualifizieren, da sie in der Mitte der Gesellschaft stehen", sagt er mit Blick auf Vorstände , Geschäftsführer und IT-Chefetagen. Die Devise in seinem Unternehmen lautet: "Nur gut aus- und weitergebildete Mitarbeiter können erstklassige Produkte entwickeln."
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